Die Wölfe von Dresden
Nobelkarossen, Luxusuhren, Goldbarren: Die Bosse von Infinus ließen es sich auf Kosten ihrer Anleger gut gehen. Jetzt ist alles weg, beschlagnahmt von der Staatsanwaltschaft.
Drei Stunden Exzess: Die Protagonisten in „The Wolf of Wall Street“ dröhnen sich mit Alkohol zu, werfen Pillen ein wie andere Leute Pfefferminzdrops, schniefen Koks wie ein Industriestaubsauger und vergnügen sich mit Damen aus dem horizontalen Gewerbe, für die man ein internes Rating-System entwickelt hat. Leonardo DiCaprio alias Jordan Belfort, Chef von Stratton Oakmont, treibt seine mittelmäßigen Mitarbeiter – die er mal „meine Krieger“ und mal „Telefonterroristen“ nennt – zu Höchstleistungen an, um schrottreife Pennystocks unter ahnungslose Anleger zu jubeln und damit ihr eigenes Luxusleben zu finanzieren.
Aber nicht nur die Wall Street hatte in Jordan Belfort ihren Wolf, auch der wilde Osten hat ähnliche Kaliber zu bieten: das Management der in Dresden residierenden Infinus AG. Protzig und großkotzig genossen die sechs Führungskräfte des Finanzdienstleisters aus Sachsen die schönen Seiten im Leben, bis die Staatsanwaltschaft Dresden ihrem Höhenflug ein jähes Ende bereitete und sie allesamt hinter Gitter verfrachtete. Derzeit wird geprüft, ob sich die Gruppe über ein Schneeballsystem finanziert hat. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass in den Verkaufsprospekten konzerneigener Firmen „unrichtige Angaben zur Vermögens- und Ertragslage“ gemacht wurden.
Eine Parallele mehr zu Belfort: Dieser war 22 Monate in Haft. Eine lehrreiche Zeit, wie sich zeigte. Immerhin inspirierte ihn ein Mithäftling zum Schreiben seiner Lebensgeschichte, die sich bekanntermaßen zum Bestseller entwickelte. Seine Brötchen verdient er heute als Unternehmensberater und Motivationscoach – sein Leben sieht alles andere als nach dem eines klassischen Ex-Knackis aus. Von den 110 Millionen Dollar, die er seit 2003 an Geschädigte zurückzahlen sollte, sollen bisher angeblich nur 11,6 Millionen Dollar beglichen worden sein. Die Geschädigten der „Dresdner Wölfe“ können sich im Moment noch Hoffnung machen, doch noch etwas von Ihrem Geld wiederzusehen. Allzu groß ist diese allerdings nicht.
Das Privatvermögen der sechs festgenommenen Infinus-Mannen soll sich auf rund 14,5 Millionen Euro belaufen. Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte kürzlich eine Liste mit den Reichtümern, die während den Razzien bei den Infinus-Bossen beschlagnahmt wurden und die man als Hochstapler anscheinend so braucht: 24 Goldbarren, 19 Armbanduhren, darunter Rolex, Lange & Söhne sowie Cartier, Luxusautos wie Bentley und Porsche und zwei Motorboote, davon eine Benaco 909 Maurice im Wert von 250.000 Euro. Demgegenüber sollen rund 25.000 Anleger um etwa 400 Millionen Euro betrogen worden sein, so die Vermutung der Staatsanwaltschaft. Die Sächsische Zeitung geht indes von noch deutlich mehr Geschädigten aus.
Unter den Opfern finden sich auch die Brüder des Franziskaner-Ordens in Düsseldorf. Diesen drohen durch die Insolvenz ihres lebensbejahenden Asset Managers 7,2 Millionen Euro flöten zu gehen, wie Die Welt berichtete. Als gute Christen verlieren sie aber offenbar nicht den Glauben an das Gute. Und so bekundete das zum Orden der „Armen Brüder des heiligen Franziskus“ gehörende Sozialwerk gegenüber der Zeitung die Hoffnung, dass ein Totalverlust des angelegten Geldes vermieden werden könne. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Vielleicht können die Brüder die beschlagnahmten Porsche und Bentleys gebrauchen? Dass es sich dabei um protzige Nobelkarossen handelt, ist sicher kein Problem. Zur Not kann man diese nach Limburg weiterreichen. Und ansonsten gilt sowieso: Wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Edelstein.
Die „armen Brüder“ haben nach eigenen Angaben seit 20 Jahren Geld aus Rücklagen sowohl kurz- als auch langfristig bei Infinus angelegt. Zuletzt sollen es 3,2 Millionen Euro langfristig und vier Millionen Euro kurzfristig gewesen sein. Anlageentscheidungen seien auf Basis von Empfehlungen verschiedener Persönlichkeiten und bester Ratings erfolgt. Man habe positive Erfahrungen gemacht. Die Insolvenz und möglichen Unregelmäßigkeiten kamen deshalb für die Vereinsorgane überraschend. Das Sozialwerk „fühlt sich getäuscht und hintergangen“, so Vorstand Bruder Matthäus gegenüber der Welt. Offenbar macht der Bruder zum ersten Mal Bekanntschaft mit einem Schwarzen Schwan.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
Schreiben Sie einen Kommentar