Investoren
20. Januar 2025

„Die Verwaltungskosten sind verschwindend gering“

Werner Ottos Lebenswerk erstreckt sich weit über die Versandhandelsgruppe Otto und die Einkaufscenter-Entwicklungsgesellschaft ECE hinaus bis in den Stiftungssektor. Gekrönt wurde es im Jahr 2009 mit der Werner und Maren Otto Stiftung. Wie man dort dem zunehmenden Pflegebedarf in der Bevölkerung begegnet und in der Kapitalanlage der Inflation ein Schnippchen schlägt, erklärt ihr Vorstandschef Jens Güldner im Gespräch.

Jens Güldner betrachtet mit Tobias Bürger die Bevölkerungspyramide und erklärt mit Blick auf die zunehmende Lebenserwartung, warum Förderstiftungen in der Altenpflege an Bedeutung gewinnen und ehrenamtliches Engagement praktisch unersetzbar ist.

Herr Güldner, wie steht es um die deutsche Stiftungslandschaft?

Jens Güldner: Wir sprechen von einer sehr großen ­Gemeinschaft, deren Mitglieder sich ihrer Bestimmung stellen, notwendige Aufgabenlösungen in der Gesellschaft voranzubringen, sei es die Unterstützung von älteren Menschen, der Umweltschutz oder etwa auch die Bildung.
Mein Eindruck ist, dass die Akteure in gemeinnützigen Stiftungen, ganz gleich ob hauptberuflich oder ehrenamtlich, sehr engagiert sind. Viele Mitarbeiter in Stiftungen arbeiten unentgeltlich im Ehrenamt. Ehrenamtliche Arbeit ist etwas, das auch mir sehr am Herzen liegt.
Im Vorjahr überstieg der Stiftungsbestand in Deutschland durch Neuerrichtung von 637 Stiftungen erstmals mit 25.777 Stiftungen per 31. Dezember 2023 die Zahl von 25.000, wie Zahlen ihres Bundesverbandes zeigen. Ohne die Leistungen von Stiftungen würden in unserem Land viele Defizite entstehen, die durch staatliche Leistungen in diesen Größenordnungen nicht oder nur in Teilen zu egalisieren wären.

Die im Jahr 2009 ins Leben ­gerufene ­Werner und Maren Otto Stiftung, eine von mehreren Stiftungen aus dem Umfeld der Familie Werner Ottos, verfolgt den Zweck, die Lebenssituation älterer Menschen in Berlin und Brandenburg zu verbessern. Was kann eine Förderstiftung, wie diese, bewirken?

Sie und ich kennen die Altersstruktur unserer Bevölkerung und die daraus abgeleitete Bevölkerungspyramide. Doch von der Form einer „idealen“ Alterspyramide entfernt sie sich mehr und mehr, weil die Lebenserwartung der Deutschen steigt, während die Zahl der Geburten in jüngster Zeit eher rückläufig ist.
Gleichzeitig nimmt der Pflegebedarf aufgrund der alternden Gesellschaft ständig zu. Vor diesem Hintergrund sollten und müssen wir tragfähige und allgemein akzeptierte Lösungen finden. Die Werner und Maren Otto Stiftung beteiligt sich hierbei aktiv mit ihrem Beitrag an der Lösung.

Aller Voraussicht nach ähnelt die „Bevölkerungspyramide“ im Jahr 2070 einer Säule. Was bewegen Sie im Hier und Jetzt?

Aufgrund der strukturell bedeutsamen gesellschaftlichen Entwicklungen ist es sehr wichtig, Fachkräfte im Bereich der Geriatrie, der Alten- und Palliativpflege nicht nur zu schulen, sondern sie auch zu motivieren, sich der für unsere Gesellschaft so bedeutsamen Aufgabe mit größtmöglicher Sorgfalt und viel Engagement zu stellen.
Um unserer Aufgabenstellung als Stiftung gerecht zu werden, stellen wir hier die langfristige Mittelfinanzierung des Kompetenzzentrums Palliativ- und Hospitz-Arbeit der Johannesstift Diakonie sicher. Hierhin fließen die meisten Fördermittel der Werner und Maren Otto Stiftung.

In der Altenpflege herrscht Fachkräftemangel. Spüren Sie das in Ihrer Stiftungsarbeit?

Viele Menschen haben sehr lange und engagiert und hart gearbeitet. Mehr und mehr von ihnen erreichen ihren Lebensabend bei guter Gesundheit. Die zunehmende Lebenserwartung ist gesamtgesellschaftlich eine überaus positive Entwicklung.
Aber natürlich benötigen unsere Senioren mit zunehmendem Alter Unterstützung unterschiedlichster Art, ob im häuslichen Bereich, in der stationären Altenpflege oder in der Palliativversorgung. Hier kann auch ehrenamtliche Arbeit vieles bewirken. Und das fördern wir gezielt als Stiftung.
Bei uns gewinnt nun insbesondere die Förderung ehrenamtlicher Mitarbeiter noch weiter an Bedeutung. Ich halte es für wichtig, dass die Gesellschaft diesen Menschen für ihre Arbeit dankt. Deshalb fördern wir mit unserem Ehrenamtspreis Einzelpersonen und Teams für besondere Verdienste.

Wie passt das zu den individuellen Leistungen der Pflegekassen?

Mit ihrer Hilfe passiert ja schon vieles. Aber die Pflegekassen können bei weitem nicht alles leisten, was nötig wäre, damit unsere älteren Menschen sich weiter als anerkannter Teil der Zivilgesellschaft betrachten und sich darin eingebunden fühlen. Manchem Ruheständler fällt es beispielsweise schwer, die eigenen vier Wände ohne fremde Hilfe zu verlassen. Ganz zu schweigen von den Hürden, die der Weg zum Supermarkt oder zu einer Behörde mit sich bringt. Und natürlich möchten auch ältere Menschen sich noch persönliche Wünsche erfüllen und etwas Besonderes erleben. Hier leisten ehrenamtliche Begleiter ihren besonderen Beitrag und sind an dieser Stelle verlässlicher Begleiter und Stütze im Leben. Sie sorgen für besondere Erlebnisse wie Spaziergänge im Park oder einen Besuch im Theater. Um das sicherzustellen, fördern wir gezielt die Projekte „LeNa – Lebendige Nachbarschaft“ und „GiG – Getragen in Gemeinschaft“, und das auch 2025 und 2026, wo es bereits verlässliche Fördermittelzusagen gibt, um die Planung und die Durchführung der Pro­jekte langfristig sicherstellen zu können für die Projektpartner.

Der Mäzen Werner Otto hat die Versandhandelsgruppe Otto und die Einkaufscenter-Entwicklungsgesellschaft ECE ins Leben gerufen. Otto und seine Frau gründeten ihre Stiftung zu seinem 100. Geburtstag aus Dankbarkeit für ein langes, gesundes und erfülltes Leben. Die rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts wurde mit fünf Millionen Euro ausgestattet. Wie begegnen Sie der Inflation?

Das Vermögen der Werner und Maren Otto Stiftung konnte, trotz so mancher zu lösenden Kapitalmarktproblemstellungen und „Schwarzer Schwäne“, seit Errichtung 2009 vermehrt werden. Aber die Inflation hat Spuren hinterlassen, wenn wir als Vergleichsmaßstab einmal den harmonisierten Verbraucherpreisindex für Deutschland (HVPI, Anm. d. Red.) heranziehen. Dieser ist für den Vergleich für die spezifische ­Kostenentwicklung der Stiftung zwar nicht optimal, weil unsere Ausgaben nicht zum Warenkorb des HVPI passen, aber er macht deutlich, dass unser Stiftungskapital heute rund 6,9 Millionen Euro betragen müsste, um den inflationsbedingt erlittenen Kaufkraftverlust wettzumachen. Doch der Ausgleich war durch realisierte Kapitalerträge und die Performance der Kapitalanlagen kaum zu erreichen.
Wir liegen zwar mit einer Nettoperformance im Jahr 2023 von 9,87 Prozent und in diesem Geschäftsjahr mit einer aktuellen Netto­performance von 12,55 Prozent per 22. November 2024 vom Stiftungsvermögen ­deutlich über dem in der Satzung fest­geschriebenen Erhalt des nominalen Sub­stanzwertes, aber dennoch unter dem in der Kapitalanlage angestrebten Ziel des langfristigen realen Substanzerhalts.

Die Werner und Maren Otto Stiftung vereinnahmt keine Zustiftungen und Spenden. Insofern lastet der Druck auf einer dauerhaft erfolgreichen Kapitalanlage, um die Ausgaben zu finanzieren. Wie gehen Sie an diese Aufgabe heran?

Als ihr Vorstandsvorsitzender bin ich unter anderem für die Kapitalanlagen zuständig. Ich strebe den realen Substanzerhalt an. Aber dieser ist in der Satzung nicht explizit verankert. Die hohe Inflation in den vergangenen Jahren hat sich besonders negativ ausgewirkt. Nach und nach schließen wir die Lücke mit der Performance der Kapitalanlagen mit kleinen Schritten. Daneben bietet die gemäß der Abgabenordnung zulässige Bildung einer freien Rücklage eine Stellmöglichkeit, um sich der Problematik der Sicherung des realen Substanzerhalts zu stellen.

Wie viel Geld fließt in die Förderung?

An ordentlichen Nettoerträgen zur zeitnahen Mittelverwendung stehen der Stiftung derzeit Mittel in Höhe von rund 125.000 ­Euro zur Verfügung. Im Jahr 2023 wurden, einschließlich der Vergabe des Ehrenamtspreises, Fördermittel in Höhe von 75.500 Euro ausgereicht, im Jahr 2024 91.500 Euro. Für 2025 und 2026 sind bereits Projekte ­zugesagt in Höhe von jeweils 110.000 Euro zuzüglich der Mittel der Vergabe des Ehrenamtspreises. Dieser ist für Einzelpersonen mit 500 Euro dotiert, Teams erhalten insgesamt 1.500 Euro.

Was sind die größten Kostenblöcke?

Die Verwaltungskosten sind verschwindend gering, weil wir weitgehend alle Tätigkeiten ehrenamtlich erledigen. Für den Zahlungsverkehr, die Buchhaltung und die Erstellung des Jahresabschlusses wurden kostenpflichtige Dienstleistungsverträge geschlossen. Auch in der Verbandsarbeit beispielsweise fallen einige Kosten an. Die Mitglieds­gebühren im Bundesverband Deutscher Stiftungen sind überschaubar, auch wenn sie im Laufe der Zeit deutlich gestiegen sind. Außerdem ist die Stiftung Mitglied im Forum Nachhaltige Geldanlagen. Alles in allem belaufen sich die Kosten auf unter 5.000 Euro im Jahr. Zuletzt konnten wir die Ausgaben für die Wirtschaftsprüfung senken. Das Kuratorium hat Aufgaben, die der Auditor bisher zusätzlich zu seinem Mandat erledigt hatte, an mich delegiert.

Wie ordnet sich die Werner und Maren Otto Stiftung in den Kontext der anderen Stiftungen der Familie Otto ein?

Ich finde es faszinierend, und da muss ich wirklich den Hut ziehen und ihnen meine uneingeschränkte Anerkennung entgegenbringen, dass viele Generationen der ­Familie Otto sich ihrer Verantwortung stellen und mit eigenen Stiftungen in der ­Bewältigung dringender gesellschaftlicher Herausforderungen und Aufgaben sehr ­engagieren. Sie bilden ein Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement und Demokratie, engagieren sich für die Stärkung der freiheitlichen Demokratie, den Erhalt der Artenvielfalt bis hin zur Förderung der Menschenrechte. Außerdem unterstützen sie innovative Bildungskonzepte im Bereich Demokratie und Nachhaltigkeit und fördern die medizinische Forschung. Last but not least unterstützen sie ­ehrenamtliches Engagement.

Herr Güldner, im Hauptberuf sind Sie Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement in der Johannesstift Diakonie in Berlin. Wie sieht Ihr Tagesgeschäft aus?

Mein Tagesgeschäft ist neben der Kapitalanlage für die JSD – Johannesstift Diakonie gAG geprägt von den vielfältigen Aufgaben für das Stiftungszentrum des EJS – Evangelischen Johannesstifts SbR. Das betrifft vom Schwerpunkt her die Kapitalanlage für das Evangelische Johannesstift und seine vielen selbstständigen und unselbstständigen Stiftungen im EJS-Stiftungszentrum. Die Werner und Maren Otto Stiftung ist Teil des EJS-Stiftungszentrums. Das Management ihrer Stiftungsaktivitäten ist Teil meiner Aufgabenstellungen als Leiter Vermögens- und Stiftungsmanagement in der Johannesstift Diakonie.

Wer sich im Internet über die Arbeit der Stiftung informieren möchte, landet auf den Seiten des Evangelischen Johannesstifts. Ist das nicht verwirrend?

Die Werner und Maren Otto Stiftung ist als eine selbstständige Stiftung bürgerlichen Rechts im EJS-Stiftungszentrum angesiedelt. Sie wird aber satzungsbedingt mit einem eigenständigen Vorstand und einem eigenständigen Kuratorium und damit anders gemanagt als die weiteren, im EJS-Stiftungszentrum angesiedelten selbstständigen Stiftungen. Um einen im Sinne des EJS-Stiftungszentrums einheitlichen, aber auch für die Werner und Maren Otto Stiftung kosteneffizienten Internetauftritt aufstellen und gewährleisten zu können, einschließlich der Pflege der entsprechenden Seiten, hat sich die Werner und Maren Otto Stiftung entschieden, ihren Internetauftritt hier zu etablieren.

Gilt das auch für die Vermögensanlage?

Ja, natürlich. Die Stiftung ist sehr progressiv unterwegs. Aber auch in der Kapitalanlage spielen Kostenbewusstsein und Effizienz eine herausragende Rolle. Vor diesem Hintergrund haben wir das Stiftungsvermögen dem EJS-Stiftungsfonds, einem im Februar 2010 auf Initiative des Evangelischen Johannesstifts aufgelegten Spezialfonds, anvertraut. Dort sind wir Teil einer Gemeinschaft von mittlerweile mehr als 20 gemeinnützigen Organisationen. Aus der Familie Otto sind inzwischen fünf Stiftungen im EJS-Stiftungsfonds engagiert. Wir investieren weltweit nach institutionellen Grundlagen und einheitlichen Nachhaltigkeitskennziffern. Zu nennen sind hier ISS ESG und der AKI-Leitfaden. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir weitere Anleger hinzugewinnen würden, um gemeinschaftlich weltweit, streng risikoadjustiert nach ethisch-nachhaltigen Kennziffern anzulegen.

Wie setzt sich das Fondsvermögen ­zusammen?

Wir sind mit Schwung und Dynamik unterwegs und können eine weltweite Aktienquote von bis zu 50 Prozent fahren. Das lässt die Anlagerichtlinie der Werner und Maren Otto Stiftung zu. Mit Blick auf das Risikomanagement verfolgen wir einen Value-at-Risk-Ansatz mit Risikobudgetierung.

Wie groß ist das Fondsvermögen?

86,259 Millionen Euro.

Die Nachhaltigkeits-Ratingagentur ISS ESG begleitet den Fonds. Was bringen Ihnen diese Analysen?

Der EJS-Stiftungsfonds wird zweimal im Jahr einer Nachhaltigkeits-Prüfung unterzogen und auf konsolidierter Einzeltitelbasis zum Stichtag betrachtet. Im Anschluss erhält der Spezialfonds ein Rating von ISS ESG. Dieses strukturelle Vorgehen im Rating für ein Spezialfondsmandat, wie dem des EJS-Stiftungsfonds – nach Nachhaltigkeitskriterien von ISS ESG –, ist etwas ganz Besonderes und wohl auch Einmaliges am Markt.
Als Anleger möchten wir natürlich den sogenannten Prime-Status erreichen, den man ab einem ISS ESG Performance Score von über 50 Punkten zuerkannt bekommt. Dieses Ziel erreicht der Fonds seit vielen Jahren. Das jüngste Rating ist vor wenigen Tagen erteilt worden. Wir liegen mit 54,25 Punkte deutlich über der 50-Punkte-Marke. Damit wurde von ISS ESG wieder eine überdurchschnittliche Nachhaltigkeitsbewertung testiert.
Die Analysen sind für unsere Arbeit sehr wertvoll. Darüber hinaus durchläuft unser EJS-Stiftungsfonds einmal im Jahr den „Portfolio-Health-Check“ von Risklab. Im Januar ist es wieder so weit.

Worauf liegt hier der Schwerpunkt?

Beim „Portfolio-Health-Check“ wird unsere Strategische Asset Allocation hinterfragt. Es werden die Anlagerisiken beleuchtet und die Frage beantwortet, wie man die Vermögensallokation optimal umgesetzt hätte. Das Resultat wird unserem Ist-Portfolio gegenübergestellt, um Abweichungen analysieren zu können und herauszufinden, wo was gut oder vielleicht weniger gut war in den Asset-Klassen und Märkten. In einem nächsten Schritt werden auf fünf- und zehnjähriger Sicht zwei oder auch drei alternative Portfolien simuliert. Sie geben uns ­Antwort auf die Frage, ob wir an der einen oder anderen Stelle etwas nachjustieren sollten und müssen, um unsere selbstgesetzten Ziele mit hoher Wahrscheinlichkeit erreichen zu können. Darauf basieren unsere Entscheidungen für ein Jahr oder auch länger. Zum Beispiel haben wir in Anbetracht der sich deutlich veränderten Kapitalmarktlage aufgrund des Krieges in der ­Ukraine im Jahr 2022 die Risiko-Budgetierung sowohl in unserem Primär-Risiko­budget als auch im Minimum-Varianz-­Risikobudget um jeweils 2,5 Prozent auf dann zehn ­Prozent beziehungsweise fünf Prozent erweitert. So können wir in der ­jetzigen Marktlage besser bestehen.

Neben ISS ESG gibt es bei Ihnen eine zweite Prüfroutine. Wo setzen Sie Schwerpunkte?

Wir prüfen den Fonds auch unabhängig nach der Richtlinie des Arbeitskreises Kirchlicher Investoren. Also gibt es immer zwei Prüfungsroutinen. Wobei der Schwerpunkt auf den Kriterien von ISS ISG liegt.

Wie hoch sind die Verwaltungskosten des EJS-Stiftungsfonds?

Maximal 50 Basispunkte, inklusive aller Kosten für den Manager AGI, die Depotbank LBBW und den Service der DPG – Deutsche Performancemessungs-Gesellschaft, State Street sowie die Wirtschaftsprüfer. Enthalten sind auch die Kosten für die Nachhaltigkeitsratings von ISS ESG.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Investment erinnern, das Sie als institutioneller Anleger getätigt haben?

Ja, und zwar sehr gut. Das war im Jahr 2001 in der Stiftung EVZ, für die ich bis 2007 als
stellvertretender Leiter Finanzen/Controlling tätig gewesen bin. Meine Aufgaben bestanden damals unter anderem darin, für die jederzeitige Zahlungssicherheit zu sorgen und die liquiden Mittel optimal anzulegen. Zu der Zeit habe ich vom Schwerpunkt meiner Arbeit her viel mit Termingeldern gearbeitet. Und ich erinnere mich an das eine oder ­andere Schuldscheindarlehen. Damals bekamen Anleger noch wunderschöne Urkunden für die Schuldscheindarlehen. Es gab damals aber auch drei im Wettbewerb zueinander stehende Spezialfondsmandate mit Aktien und Anleiheinvestments im Mix, die es im Rahmen der Steuerung der Assets der Stiftung EVZ zu betreuen und zu managen galt. Die Basis für die Strukturierung und das Risikomanagement des EJS-Stiftungsfonds wurde mit diesen drei Spezial­fonds in dieser Zeit geschaffen.

Von welcher Größenordnung sprechen wir?

Es ging in der EVZ im Team um das verantwortungsvolle Management von mehr als fünf Milliarden Euro anvertrauter Gelder. In Anbetracht dieses Volumens haben wir in der EVZ auf Basis eines strikten Risiko­managementprozesses die anvertrauten öffentlichen und privaten Gelder im Team erfolgreich gemanagt.
Gedankt haben es uns die vielen Empfänger der Zahlungen der Stiftung. Im Jahr 2007 konnte das Team des Bereichs Finanzen/Controlling den portfolio institutionell Award im Bereich „Beste Stiftung“ entgegennehmen, was eine besondere Auszeichnung darstellte. Das hat unser Team für die geleistete Arbeit sehr geehrt.

Seither hat sich vieles geändert. Die Finanzmarktregulierung wurde verschärft und unter dem Eindruck des Klimawandels ist die Nachhaltigkeit zum Mainstream geworden. Mit Blick auf die ESG-Regulierung, die Kosten für die grüne Transformation der Realwirtschaft und die Hürden der Bürokratie fühlen sich jedoch viele überfordert. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Deutschland ist die stärkste Wirtschaftsmacht in Europa. Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass unsere bisherige, nunmehr gescheiterte Ampel-Regierung in nnserem Land nicht die notwendigen und ökonomisch sinnvollen Weichen gestellt hat, um wirtschaftlich weiterhin erfolgreich zu bestehen in der sich dynamisch ändernden Welt mit den neuen politischen und wirtschaftlichen Kräfteverhältnissen und den daraus resultierenden immensen Herausforderungen.

Worauf wollen Sie hinaus?

Ich meine, dass dringend etwas getan werden muss, damit die zuletzt leider abhanden­gekommene wirtschaftliche Prosperität Deutschlands und Europas wieder angeschoben wird und langfristig erhalten bleiben kann. Es geht um viele Arbeitsplätze, um die Bewahrung von Wohlstand, um eine echte Zukunftsperspektive. Die Menschen brauchen wieder mehr Vertrauen, ein langfristig gesichertes, planbares und stabiles Einkommen, um zufrieden leben und sich engagieren zu können für unsere Zivilgesellschaft. Wenn wir das nicht hinbekommen, sondern wieder in eine eigentlich ­abgelegte Kleinstaaterei zurückfallen und uns damit unnötigen ökonomischen Zwängen unterwerfen müssen, spielt die Musik in Zukunft sehr wahrscheinlich woanders.

Müssen wir uns für die Transformation der Wirtschaft in der EU mehr Zeit geben?

Die Frage kann nicht starr beantwortet werden und nicht über alle Industriezweige gleichermaßen. Es scheint sinnvoll, der Wirtschaft mehr Zeit einzuräumen, ohne jedoch den internationalen Kapitalmarkt und seine Entwicklungen außer Acht zu lassen. Die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft in der Europäischen Union sollte stets sichergestellt werden. Denn nur so kann sie sich den Herausforderungen erfolgreich stellen. Gleichzeitig können der Wohlstand der Bevölkerung gewährleistet und adä­quate Lebensbedingungen auch langfristig sichergestellt werden.

Zum Hintergrund:

Werner Otto hat sich als Unternehmer und Mäzen einen Namen gemacht. Er gründete zum Beispiel die Werner Otto Stiftung, die das Behandlungszentrum für Krebskrankheiten im Kindesalter an der Universitätskinderklinik in Hamburg-Eppendorf ­unterstützt. Außerdem stiftete er der Harvard-Universität einen Museumsneubau als Ort für die Kunst deutschsprachiger Expressionisten. 2011 starb der Mäzen im Alter von 102 Jahren. Seinen 100. Geburtstag nahmen er und seine Frau Maren zum Anlass, eine Förderstiftung zu gründen. Sie unterstützt im Evangelischen Johannesstift und in der Johannesstift Diakonie Projekte für ältere Menschen in Berlin und Brandenburg.
Jens Güldner leitet das Vermögens- und Stiftungsmanagement der Johannesstift Diakonie. Außerdem ist er als ehrenamt­licher ­Vorstandsvorsitzender der Werner und Maren Otto Stiftung aktiv. Im Interview erklärt der mehrfache Award-Preisträger unter anderem, wie er Stiftungsvermögen zukunftsfest investiert und warum er sich um die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft sorgt.

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