Jahreskonferenz
17. Juni 2024

Die Validierung der Valuation

From Hero to Zero: Bis zur Zinswende waren Immobilien ­Anlegers Liebling. Heute gehen Transaktionen und das ­Interesse an ­Zukäufen gegen null. Was den Markt vor allem drückt, sind die Zweifel an den Bewertungen. Andererseits können Cashflow-­Betrachtungen für etwas mehr Zuversicht sorgen.

Der Immobilienmarkt gibt ein heterogenes Bild aus fallenden ­Bewertungen und steigenden Mieten ab, wobei die düsteren ­Farben dominieren. So ließ sich auch das besonders gut besuchte Immobilien-Panel interpretieren. „Die Jahre, in denen das Zinsersatz­geschäft den Immobilienmarkt antrieb und kontinuierlich große Beträge in die Asset-Klasse pumpte, sind eindeutig vorbei. Nun müssen sich Immobilien wieder wie vor zehn bis 15 Jahren im Wettbewerb mit anderen Asset-Klassen beweisen“, erklärte ­Matthias Huesmann von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe. ­Nicolas Stenger von der Kreissparkasse Heilbronn sagte: „Wir legen frische Mittel nicht mehr automatisch in Alternatives an und ­wollen nun noch ein Stück weit die weitere Marktentwicklung ­abwarten. Im Einzelfall scheinen die Korrekturen aber bereits recht attraktiv.“ Fondsmanager sehen in der Regel das Bild naturgemäß positiver und begründen dies neben einzelnen Opportunitäten gern mit den doch in Bälde anstehenden Zinssenkungen. Huesmann zeigte sich auf dem Panel jedoch weniger positiv gestimmt: „Wir gehen eher davon aus, dass nach dem vor zwei Jahren erfolgten Zinsanstieg mit dem Mietermarkt noch ein zweiter Schlag kommt: Die Nachvermietungen werden künftig schwieriger.“

Die große Frage, die den Markt und das Panel umtreibt: Wie valide sind die Valuations? Dabei handelt es sich um ein Henne-Ei-­Problem: Ohne Transaktionen kann keine echte Bewertung ­erfolgen. Ohne einen zumindest groben Konsens zwischen Käufer und Verkäufer zur Bewertung finden aber auch keine Transaktionen statt. „Nur die schnelle Wertkorrektur kann zu Transaktionen führen“, konstatierte Huesmann.

Ein guter Bewertungsindikator – oder ein Menetekel? – ist die ­Börse. „Der Immobilienaktienmarkt nimmt Korrekturen meist sehr schnell vor“, sagte Claudia Reich Floyd, die bei Hazelview ­Real Estate Securities managt. „Seit Oktober hat sich ein Boden ausgebildet. Die Bewertungen auf diesem Niveau liegen im Schnitt 20 Prozent unter den Werten auf dem direkten Markt.“ Damit wäre im Direktbestand und in den geschlossenen Fonds noch viel Luft nach unten. Diese entweicht auf den angelsächsischen Märkten aufgrund der marktorientierteren Sicht schneller. „Nach meinen ­Erfahrungen in der Finanzkrise hat es in manchen Fonds sechs bis sieben Jahre gedauert, bis die Werte, oft aufgrund von sich verschlechternden Cashflows, nach unten kamen“, so Reich Floyd. ­Neben gelisteten Immobilien können also auch die Cashflows der Bewertung dienen. Insgesamt zeigen die Geldflüsse ein positives Bild. Dies gelte laut Reich Floyd insbesondere für Reits: „Die Mietsteigerungen in den vergangenen anderthalb Jahren waren enorm.“

Dies kann Barkha Mehmedagic von der Commerz Real auch für die geschlossene Welt „definitiv unterstreichen. Die Kapitaldienst­fähigkeit ist gegeben.“ Dies mache sich auch in der Finanzierung ­bemerkbar. „Die Banken kommen zu uns und unterbieten sich mit ihren Margen.“ Ein Grund hierfür dürfte sein, dass die Commerz Real laut der Immobilienexpertin „in der Boomphase nicht teuer eingekauft“ habe. Ersichtlich sei ein Flight to Quality.
Treiber für die attraktive Cashflow-Entwicklung ist das ­geringe ­Angebot. Dies gilt insbesondere für Logistik. „Im Neubau liegen die Bewertungen beim 19- bis 21-Fachen, womit unsere ­Ausschüttungsrenditen bei fünf Prozent liegen“, erklärte David Zimmermann von LIP Invest. Die Finanzierbarkeit steht für den Logistikspezialisten auch nicht in Frage. „Bei Banken ist die ­Nachfrage nach Finanzierungen sehr hoch. Insgesamt bin ich für Logistik sehr optimistisch.“ Letzteres liegt auch an der Bewertung. Zimmermann: „Hier sind wir komplett durch. Dies liegt vorrangig an der schnelleren Entwicklungs- und Entstehungszeit von Logistik­immobilien und zum anderen an der hohen Indexierung der Mietverträge an die Inflation. In 2023 konnten wir in unserem Portfolio eine Zuschreibung von fast zwei Prozent vornehmen.“

Lehren aus den USA und Heilbronn

Allerdings können Cashflow-Betrachtungen auch zu negativen Schlussfolgerungen führen. Fallen künftig – erinnert sei an die Warnung von Matthias Huesmann – Nachvermietungen schwerer, macht sich dies sofort im Cashflow bemerkbar. Und auch wenn es mit Anschlussfinanzierungen klappt, dann dürfte diese auf einem anderen Loan-to-Value und zu höheren Zinsen erfolgen. „Vielleicht ändert sich am LTV auch nichts – außer, dass er auf einem ­kleineren Kreditbetrag berechnet wird“, warnte Huesmann. „Schlussendlich fehlt es an Liquidität“, so der Immobilienexperte, aus dessen Sicht die Banken nicht Schlange stehen, sondern vielmehr sehr restriktiv sind. Auch für den Wohnungsneubau sind Cashflow-Analysen buchstäblich wenig erbaulich. „Projektentwickler aus ­unserer ­Region ­kalkulieren mit aggressiven Mietannahmen von 16 bis 17 Euro für den Quadratmeter. Damit ergäbe sich bei den prognostizierten Baukosten für uns aber nur eine Rendite von 2,5 Prozent. Das mach ich nicht“, gibt Nicolas Stenger ein reales Beispiel.

Völlig zerschossen werden die Cashflow-Erwartungen, wenn das Geld in die falsche Richtung läuft. Zu hören ist von Managern, die ihre Kunden vor die Wahl stellen, nun nachzuschießen oder zum forced Seller zu werden. Auch der Moderator des Panels, Dr. ­Stephan Kloess, KRE Kloess Real Estate, steuerte bezüglich Cashflows eine Berechnung des National Bureau of Economics bei, die Anlass zur Sorge geben kann: „45 Prozent der Kredite für Büro­immobilien weisen ein negatives Eigenkapital auf, womit die ­Werte der Immobilie unter dem Wert des ausstehenden Kredits liegen. Bei 25 Prozent der Kredite übertrifft der Kapitaldienst die Ein­nahmen aus den Mieterträgen.“

Wichtigstes Fazit für das Auditorium war, dass die Abwertungen noch nicht überall vollzogen sind. Andererseits erscheinen ­einzelne Immobilien und auch Segmente wie Reits oder Logistik relativ ­attraktiv – auch wenn die makroökonomische Lage am ­allgemein verbreiteten Logistik-Optimismus künftig etwas kratzen dürfte. Vor allem dürfte sich aber die geringe Bautätigkeit in Zukunft positiv für Asset Owner auswirken. „Der künftige Zyklus wird gerade ­geschrieben: Im Büro-Segment wird ein Nachfrage-­Überhang nach modernen Flächen mit einem hohen Standard bestehen. ­Somit sind im neuen Zyklus Mietsteigerungen ­realisierbar“, gab Stephan Kloess dem Immobilienmarkt neue Hoffnung.

Und auch Nachvermietungsprobleme haben einen Vorteil. Anders als bei Wohnungen können zwischenzeitliche Vakanzen für ­energetische Sanierungen genutzt werden. Für diese kann man auch bis 2050 abwarten, dass die Zinsen wieder fallen. Letzteres wird laut führenden Ökonomen früher oder später der Fall sein. Grundsätzlich empfiehlt es sich, sich intensiver mit den Beständen zu beschäftigen. „Denn“, so Barkha Mehmedagic, „retten ist ­besser als verwerten!“

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