Die sieben größten Steueroasen sind europäisch
Tax Justice Network: Großbritannien für ein Drittel aller Unternehmenssteuervermeidung verantwortlich. 18 Billionen Dollar werden in zehn Niedrigsteuerländern gebucht.
Das Tax Justice Network hat erstmals ein Ranking der wichtigsten Finanzplätze erstellt, welches in besonderem Maße für die Umgehung des internationalen Unternehmenssteuersystems verantwortlich sind. Unter den zehn größten Steueroasen finden sich sieben Jurisdiktionen, die zu einem europäischen Staat gehören. Mit den britischen Jungferninseln, Bermuda und den Kaimaninseln finden sich drei britische Überseegebiete an der Spitze des Rankings, auf Platz sieben wird zudem der britische Kronbesitz Jersey geführt. Großbritannien selbst liegt auf Platz 13. Auch auf den Plätzen vier bis sechs liegen mit deutschen Nachbarstaaten europäische Staaten: Die Niederlande auf Platz vier, die Schweiz auf Platz fünf und Luxemburg auf Platz sechs. Erst auf Platz acht bis zehn folgen mit Singapur, Bahamas und Hong Kong nicht-europäische Staaten. Zur Erstellung des Rankings ermittelt das Tax Justice Network mit der Unternehmensaktivität des Landes gewichtete Risikoparameter, die zwanzig Indikatoren wie Steuersätze, Möglichkeiten der Verlustverrechnung und Ausgestaltung von Doppelbesteuerungsabkommen enthalten.
Jährlich 500 Milliarden Dollar vermiedene Steuern
Das Tax Justice Network schätzt die Einnahmeverluste durch Unternehmenssteuervermeidung weltweit auf rund 500 Milliarden Dollar jährlich – das Zwanzigfache des UN-Budgets für humanitäre Hilfe. Davon entfallen laut dem Bericht 52 Prozent auf die zehn größten Steueroasen. 40 Prozent aller vom IWF erfassten ausländischen Direktinvestitionen werden in gerade einmal zehn Ländern verbucht, die Unternehmenssteuern von drei Prozent oder weniger erheben.
Alex Cobham, Vorstandsvorsitzender des Tax Justice Network, kommentierte die Veröffentlichung wie folgt: „Die Heuchelei, die der Corporate Tax Haven Index offenbart, ist abscheulich. Eine Handvoll der reichsten Länder haben einen Welt-Steuerkrieg geführt, der so korrosiv ist, dass sie das globale Unternehmenssteuersystem irreparabel zerstört haben. Großbritannien, die Niederlande, die Schweiz und Luxemburg – die Achse der Vermeidung – füllen ihre eigenen Taschen auf Kosten von wichtigen Finanzströmen für nachhaltigen menschlichen Fortschritt. Die Fähigkeit von Regierungen auf der ganzen Welt, multinationale Unternehmen zu besteuern, um Lehrerlöhne zu zahlen, Krankenhäuser zu bauen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für lokale Unternehmen zu gewährleisten, wurde bewusst und rücksichtslos untergraben.“
PRI und Shareholder for Change
Auch deutsche Investoren haben begonnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. So veröffentlichte der Zusammenschluss „Shareholder for Change“, dem unter anderem die Bank für Kirche und Caritas sowie die österreichische fair-finance Vorsorgekasse angehört, eine Studie zu Steuerpraktiken in der europäischen Telekommunikationsbranche und sich im Rahmen von Engagementprozessen für Steuertransparenz ein. Auch die Investoreninitiative befasste sich mit dem Thema in einer Studie und stellte deutlich negative Effekte von zunehmender sozialer Ungleichheit auf Portfolios institutioneller Investoren fest.
Autoren: Tim Büttner In Verbindung stehende Artikel:
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