Versicherungen
13. November 2012

Die historische Asset-Allokation der Assekuranz

Das Anlageuniversum bietet Investoren heute eine Vielzahl von Möglichkeiten. Man denke nur an Fremdwährungs­anleihen, Managed Futures oder Private Equity. Eine solche Vielfalt gab es in den Anfangsjahren der Assekuranz nicht. Und dennoch fand man Wege, um die rasant wachsenden Kapitalanlagen rentabel und sicher anzulegen.

Wenn man sich die historische Zusammensetzung der Kapital­anlagen der Assekuranz auf deutschem Boden anschaut, stößt man immer wieder auf Veränderungen. Einerseits hat sich das Anlage­verhalten mit dem aufblühenden Versicherungs­geschäft sukzessive ­professionalisiert. Auf der anderen Seite haben aber gerade die Krisen der zurückliegenden 100 Jahre die Kapitalanlageverantwortlichen ­immer wieder zum Umdenken animiert. Man denke nur an die Hoch­inflationsphase zwischen 1914 und 1923 sowie die anschließende ­Währungsreform, mit der die Reichsmark eingeführt wurde. Gleichwohl hat die Assekuranz immer wieder auf Hypothekendarlehen ­gesetzt, wobei sich auch hier eine steile Lernkurve ausgebildet hat.

_Risiken bewusst eingehen

Versicherungen verfolgen unverkennbar den Zweck, wirtschaft­liche Risiken zu übernehmen. Um Einbußen zu vermeiden, muss das gesamte Vermögen sicher und rentabel angelegt werden, wobei die notwendige Liquidität jederzeit gewährleistet sein muss – so fordert es heute das Versicherungsaufsichtsgesetz. Vor diesem Hintergrund muss die Assekuranz nicht nur den unternehmerischen Mut aufbringen, beträchtliche Risiken zu versichern, sondern als institutioneller Anleger auch darauf achten, Risiken aus dem Weg zu gehen. Die ­Anforderungen an die Sicherheit der Anlagen richten sich besonders auf die Vermögensteile, die zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Versicherungsverhältnissen bestehen. Darauf weist der ehemalige Präsident des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BAV), August Angerer, in einem Fachbeitrag in der 1986 ­erschienenen Festschrift „Staat, Wirtschaft, Assekuranz und Wissenschaft“ hin. Wie Angerer hervorhebt, erhalten die Versicherungsunternehmen das ­Entgelt für die Risikoübernahme im Voraus. Doch das war nicht ­immer so, schließlich hat die Versicherungswirtschaft in ihrer heutigen Form keinen einheitlichen Ausgangspunkt. Sie ist aus den drei Wurzeln der genossenschaftlichen Zusammenschlüsse, der staat­lichen Initiative und der Versicherung auf kaufmännischer Grundlage hervorgegangen.
Der Ursprung der Assekuranz ist übrigens durch erste Anstöße des ­Versicherungsgedankens bei den Gilden und Zünften im Mittel­alter zu finden. Bei diesen Einrichtungen, die mitunter über große Vermögen verfügten, war die Kapitalanlage für heutige Verhältnisse einfallslos strukturiert: Das Vermögen wurde meist in ­sogenannten Zunftbüchsen verwahrt. Die individuellen Beiträge ­flossen mehr oder weniger planlos in diese Truhen, während ­Zahlungen an ­Bedürftige daraus entnommen wurden. Eine ­Investition in Asset-­Klassen mit dem Ziel, daraus Erträge wie Zinsen, ­Dividenden oder Mieten zu generieren, kam für diese Einrichtungen erst später auf. Dessen ungeachtet haben sich aus den Vorläufern der ­Assekuranz selbstständige Kassen, öffentlich-rechtliche Anstalten und die ersten privaten Versicherungsunternehmen entwickelt.

_Konsolidierung anno 1676

Die kaufmännisch geprägte Versicherung geht auf sogenannte ­Assekuradeure zurück. Sie haben im 16. Jahrhundert als wagemutige Einzelkaufleute bestimmte Transportrisiken übernommen, die sich aus dem wachsenden Welthandel ergaben. In einer zweiten Stufe entwickelten sich See- und Feuerversicherungen. Die im Jahre 1676 ­gegründete Hamburger Feuerkasse – seit 1997 Teil der Provinzial-Versicherungsgruppe – präsentiert sich in der Gegenwart als älteste Versicherung der Welt. Erste Vorläufer des Spezialversicherers gab es ­bereits 1591, als sich rund 100 Bierbrauer zusammentaten, um sich ­gegen die Folgen von Feuersbrünsten zu wappnen. Später formierten sich immer mehr Hanseaten in Zünften und anderen sozialen ­Gruppen und versuchten, die Schäden der Brände nicht allein den einzelnen Betroffenen aufzubürden. Dabei sind als direkte Vorläufer der Hamburger Feuerkasse die ländlichen Brandgilden sowie die hamburgischen Feuerkontrakte anzusehen. Mit Gründung der Feuerkasse wurden die verschiedenen Feuerkontrakte schließlich zu einer einzigen, einheitlichen und die ganze Stadt umfassenden Einrichtung zusammengeschlossen.

„Die Hamburger Feuerkontrakte waren die ersten Gebäudever­sicherungen, die diesen Namen zu Recht trugen“, heißt es in einem Buch über die Geschichte der Hamburger ­Feuerkasse. Und weiter: „Der in den Kontrakten niedergelegte Gedanke, die Höhe der zu ­erwartenden Entschädigungssumme von vornherein festzulegen, lässt erkennen, dass für die Einführung einer derartigen Brandversicherung ausschließlich geldwirtschaftliche Erwägungen maßgebend waren und nicht nachbarschaftliche Verbundenheit.“ Tragender ­Gedanke sei die Kalkulierbarkeit des rechnerischen Risikos und der „Schutz der Realgläubiger“, denn viele Grundstücke und Gebäude in Hamburg seien damals mit Hypotheken belastet gewesen. Rück­blickend muss es wohl so gewesen sein, dass nur derjenige eine ­Chance hatte, in Hamburg eine Hypothek auf sein Haus aufzunehmen, der auch einem Feuerkontrakt beigetreten war.

Im Allgemeinen waren die Menschen aber nicht auf den plötz­lichen Notfall eingestellt, der sich aus einem Brand oder einer Überschwemmung ergab. Man benötigte eine Einrichtung mit Vorsorgecharakter. Ein Schritt in diese Richtung war das regelmäßige Einsammeln einer festgelegten Geldsumme und die Verwahrung für den ­Unglücksfall. In ausgeprägter Form findet sich dieser Aspekt bereits in den verschiedenen Kranken-, Sterbe- und Armenkassen der ­damaligen Epoche.

In Hamburg entstand ab dem 15. Jahrhundert eine Vielzahl von Kassen mit den unterschiedlichsten Auswahlkriterien des zugelassenen Personenkreises. Grundsätzlich handelten sie nach dem gleichen Prinzip: Die Mitglieder hatten einen regelmäßigen Beitrag zu ­entrichten, dessen Höhe in den Satzungen ebenso festgelegt war wie die gestaffelten Auszahlungen. Allerdings waren viele der kleineren Kassen aufgrund ihrer dünnen Kapitaldecke nicht überlebensfähig. Interessanterweise wurden jedoch die Mitglieder der Feuerkontrakte erst nach einem Brand in die Pflicht genommen. Daher war es also nicht ungewöhnlich, dass ein Hausbesitzer zeitlebens nicht einen ­Taler hergeben musste: dann nämlich, wenn keinem seiner „Konsorten“ seines Feuerkontraktes ein Brandunglück widerfuhr. Das finanzielle Fundament der Hamburger Feuerkasse wurde demgegenüber durch regelmäßige Beiträge gebildet.

Mit dem Wachstum der Versicherungsangebote war die ­Feuerkasse schließlich in der Lage, Reserven aufzubauen. Da der Reservefonds zu Beginn des 20. Jahrhunderts den gesetzlichen Vorgaben entsprach, konnte der Spezialversicherer ab 1911 einen Teil seiner Zinseinnahmen der Hansestadt zur Verfügung stellen, um die Löscheinrichtungen zu verbessern. Das lässt darauf schließen, dass die Vermögens­anlage ­erfolgreich war. Details zur Allokation sind allerdings nicht ­bekannt. Selbst die Geschäftsberichte zum Ende des 19. Jahrhunderts erhalten keine Hinweise, welche Geldanlagen getätigt wurden. Erst ab der Zeit rund um den Ersten Weltkrieg finden sich Anhaltspunkte. 1916 belief sich das Vermögen des Spezialversicherers auf rund 27 Millionen Mark. Der in den 1920er Jahren aufkommenden Inflation begegnete man, indem die Prämien sofort in Gold eingetauscht wurden, das erst für Entschädigungszahlungen wieder verkauft wurde. 

Nachdem sich die Feuerkasse in Hamburg längst etabliert hatte, kam es auch in anderen Teilen Deutschlands zu Bestrebungen, Ver­sicherungen für breite Bevölkerungsschichten anzubieten. Unter ­anderem auch in Berlin. Nachdem es dort zu Beginn der 1840er Jahre mehrfach zu schweren Hagelschäden gekommen war, diskutierten Vertreter des damals wenige Jahre alten „Vereins zur Beförderung des Gartenbaus zu Berlin“, ob und wie gärtnerische Kulturen gegen Hagel versicherbar wären. Damals existierten zwar bereits landwirtschaft­liche Versicherungsvereine. Diese waren jedoch wegen des zu hohen Risikos nicht bereit, Gärtnereien zu versichern.

Wie aus einer Broschüre anlässlich des 150-jährigen Bestehens der damals noch als „Gärtnerhagel“ firmierenden Versicherung hervorgeht, begannen zwar 1844 die Vorbereitungen zur „Gründung einer Gesellschaft für die Versicherung von Schäden an Treibhäusern und ­Mistbeeten, die darunter befindlichen Gewächse sowie überhaupt Gartenfrüchte“. Es dauerte allerdings noch bis 1847, bis die kauf­männischen Voraussetzungen getroffen waren und das Gründungskapital von 500.000 ­Talern gezeichnet war. Die aus der Taufe ­gehobene „Gärtnerhagel“ ist durch die Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit gekennzeichnet. Somit sind alle Mitglieder gleich­zeitig Mitinhaber der Gesellschaft. Nach einer Umbenennung ­firmiert der Spezial­versicherer heute als Gartenbau-Versicherung. In den ­historischen Jahrbüchern finden sich leider nur sporadisch ­Angaben zu den Vermögenswerten. So war das Unternehmen Mitte des 19. Jahr­hunderts unter anderem in Eisenbahn-Stammaktien ­investiert. Um die darauf folgende Jahrhundertwende bevorzugte man dagegen Staatsanleihen. 
Die zunehmende Verbreitung der Versicherungswirtschaft im 19. Jahrhundert einschließlich der Lebensversicherung in Deutschland und das damit einhergehende Wachstum der Kapitalanlagen hält ­viele interessante Episoden bereit. Einige davon hat Peter Koch in seinem jüngst erschienenen Buch „Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland“ zusammengetragen. Koch ist mit der Assekuranz seit Jahrzehnten eng verbunden und hat bis Anfang der 80er Jahre die ­Aachen und Münchener Rückversicherung geleitet. Der Jurist weist unter anderem darauf hin, dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts ­vermehrt versucht wurde, den zahlreichen auf unsicherer Basis ­stehenden Sterbe-, Witwen- und Waisenkassen mit Versorgungs­anstalten entgegenzuwirken, die auf solider versicherungstechnischer Grundlage und mit den erstmals entwickelten Sterbetafeln ­operierten.

Koch zufolge nahm 1835 erstmals ein Lebensversicherungs­unternehmen Bankgeschäfte auf: „Im Gründungsprospekt der ­All­gemeinen Versorgungs-Anstalt für das Großherzogtum Baden vom 15. Mai 1835 wurde der Zweck der Anstalt dahingehend umschrieben, dass sie beabsichtigte, durch Einlagen ­ihrer Teilnehmer ein Vermögen zu sammeln, dasselbe nutzbringend anzulegen und aus dem ­Zins­ertrag den Mitgliedern eine jährliche Rente zu verschaffen.“ ­Einen Beitrag auf dem Weg zur modernen Lebensversicherung auf deutschem Boden leistete allerdings bereits die 1830 ­gegründete Lebens­versicherungsgesellschaft zu ­Leipzig, die Alte ­Leipziger. Wie  einer Festschrift anlässlich ihres 100-­jährigen Bestehens zu ­entnehmen ist, enthielten die Statuten hinsichtlich der Kapital­anlagen bis 1875 ­zunächst nur die Vorgaben, „dass das Direktorium für die ­sichere ­Verwahrung, gehörige Unterbringung und Benutzung der eingehenden ­Gelder Sorge zu tragen ­habe“. Alle entbehrlichen Gelder sollten ­verzinslich ausgeliehen ­werden, „jedoch nur auf Hypothek, ­Faust­pfänder, Staatspapiere und sonstige genügende Sicherheiten“.

_Vorläufer der Versicherungsaufsicht

Behördliche Vorschriften erhielt die Gesellschaft 1875 durch das Preußische Innenministerum. Dieses schrieb vor, dass die ­Ausleihung nur erfolgen dürfe in „pupillarsicheren Hypotheken, in Inhaber­papieren, die von einem deutschen Staate emittiert oder garantiert oder die unter der Autorität eines solchen Staates von Korporationen oder Kommunen ausgestellt und mit einem ein für allemal ­bestimmten Satze verzinslich sind“. Ausländische Wertpapiere waren nur „­statthaft, soweit sie als Kaution in den betreffenden Staaten gefordert wurden“. In Österreich wurde der Gesellschaft indessen vorgeschrieben, die Prämienreserve ihrer dort abgeschlossenen Versicherungen in ­einheimischen Werten anzulegen. Die „Leipziger“ erwarb deshalb ­auch österreichische Wertpapiere sowie ­Hypotheken in Wien.

Wenige Jahre, bevor das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) aufkam, wurde der Anlagekatalog 1897 zur Freude der Lebensversicherungsgesellschaft, die ihren Firmensitz kriegsbedingt in Leipzig aufgeben musste und heute im hessischen Oberursel residiert, deutlich erweitert. Das Preußische Innenministerium gestattete nämlich, dass die Gesellschaft „unter Ausschluss von Fabriken, gewerblichen ­Anlagen und Bauplätzen“ Hausgrundstücke in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern bis zu sechs Zehntel des Wertes beleihen ­konnte. Neben Wertpapieren konnte die Lebensversicherungsgesellschaft zu Leipzig „endlich in Hausgrundstücken zu eigenen Geschäftszwecken“ anlegen.

Ungeachtet einer Satzungsänderung, die es dem Unternehmen ab 1913 zusätzlich gestattete, einen kleinen Teil des freien Vermögens in Aktien anderer Lebensversicherungsunternehmen oder auch Real­kreditinstituten anzulegen, haben die Vermögensanlagen der Gesellschaft bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorwiegend in „hypothekarischen Ausleihungen“ bestanden, „denen gegenüber die ­anderen Ausleihungsmöglichkeiten fast vollständig zurücktraten“. Die Alte Leipziger hat aufgrund ihrer Erfahrungen im Hypotheken­geschäft Interessantes zu berichten: Während man in den ersten ­Jahren nach der Firmengründung hauptsächlich Hypotheken auf Landgrundstücke erwarb, machten sich später „recht erhebliche ­Mängel bei den landwirtschaftlichen Ausleihungen geltend“. Einerseits sei der Zinsfuß dauernd niedriger gewesen als bei städtischen ­Hypotheken. Auf der anderen Seite, so unterstreicht das Unternehmen rückblickend aus dem Jahr 1930, sei die Wertschätzung eine „viel unsicherere“ gewesen. Besonders schwer fiel jedoch der Umstand in die Waagschale, dass die landwirtschaftlichen Grundstücke „im Falle ­eines Erwerbs bei Zwangsversteigerungen viel schwieriger zu ­bewirtschaften waren als städtische“. Vor diesem Hintergrund ­reduzierte die ­Alte Leipziger bis 1913 den Anteil der landwirtschaft­lichen Hypotheken im Portfolio erheblich.

Wie der besagten Festschrift ebenfalls zu entnehmen ist, ­schwankte der Zinsfuß, zu dem die hypothekarischen Ausleihungen erfolgten, zwischen 3,5 Prozent (1831) und fünf Prozent (1870). Vor dem Ersten Weltkrieg lag der Zinssatz bei knapp 4,5 Prozent. „Nach alledem hatten sich die gewöhnlichen Hypotheken auf ­städtische Grundstücke als die wichtigste und für die Gesellschaft günstigste Anlage erwiesen“, stellt das Unternehmen retrospektiv fest. Der Vermögensanlage in Wertpapieren war man dagegen „nie günstig gesinnt“. So bestand „mindestens seit 1875 die Gepflogenheit, nur in dem Umfang Wertpapiere anzulegen, als notwendig war, um sich bei eintretender Geldknappheit vorübergehend flüssige Mittel zu beschaffen“. Darüber ­hinaus kamen Wertpapiere nur zur Deckung ausländischer Verpflichtungen infrage, etwa in Österreich. Der Grund für das ablehnende Verhalten der Gesellschaft war „hauptsächlich in den Kursverlusten zu suchen, denen Wertpapiere ausgesetzt sind“, heißt es unumwunden bei der Alten Leipziger.

Ähnlich äußert sich auch die erste selbstständige Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft Bayerns, die heutige Nürnberger Versicherungsgruppe. Vor dem ersten Weltkrieg stand die Nürnberger im ­Neugeschäft an der Spitze aller deutschen Lebensversicherungsgesellschaften. Der Lebensversicherungsbestand lag bei 75 Millionen Mark, während sich die Prämieneinnahmen in diesem Segment auf 4,5 ­Millionen Mark summierten. Als ein „Akquisitionsmittel allerersten Ranges“ konnte die Gesellschaft nach eigener Darstellung die „­glänzenden Ergebnisse der Verwaltung ihres Vermögens“ bezeichnen. Wie die Nürnberger in einem Jubiläumsband betont, nahm sie mit der für die damaligen Verhältnisse „außerordentlich“ hohen Durchschnittsverzinsung von 4,41 Prozent im Vorkriegsjahr 1913 den ersten Platz unter allen deutschen Versicherungsgesellschaften ein. 

Bei der Allianz Versicherung, die am 17. September 1889 und ­damit nur wenige Jahre vor der Einführung des Versicherungsaufsichts­gesetzes (1901) gegründet wurde, lag der Schwerpunkt der Kapital­anlagen seit dem späten 19. Jahrhundert dagegen nicht auf Hypotheken, sondern neben Immobilien in erster Linie auf Wertpapieren ­deutscher Länder. Darüber hinaus war die Allianz bereits in ­Obligationen ­europäischer, vereinzelt auch nordamerikanischer ­Staaten, Kommunen und Eisenbahngesellschaften investiert. Die ­Auswahl der ­Wertpapiere vergrößerte sich mit dem Anlagevolumen. Zwischen 1896 und 1913 nahmen die Assets von zunächst rund einer Million auf etwa 4,7 Millionen Mark zu.

Grundsätzlich gilt für die Allianz das Jahr 1922 als wichtige Zäsur, da das Unternehmen seinerzeit das Geschäft mit Lebensversicherungen aufnahm und deshalb mehr Vermögen anzulegen hatte. Sechs Jahre darauf verfügte die Versicherungsgesellschaft über Kapital­anlagen im ­Gesamtwert von rund 106 Millionen Reichsmark. Davon waren 40 Prozent in Immobilien investiert. Auf Hypotheken entfielen rund 13 ­Prozent. Hinzu kamen Wertpapiere und Beteiligungen sowie Schuldscheine öffentlicher Körperschaften. Ende 1939 verfügte das Unternehmen schließlich über Kapitalanlagen im Wert von knapp 180 ­Millionen Mark. Davon bestand wiederum knapp die Hälfte aus ­Wertpapieren wie Staatsanleihen. Auf Beteiligungen und Immobilien entfielen 67 Millionen. Hypotheken und öffentliche Schuldscheine ­lagen ebenfalls im Portfolio des Versicherungsunternehmens, ­spielten allerdings eine eher untergeordnete Rolle.

_Ruhige Capitalisten

In der Literatur werden Versicherungsunternehmen im 19. Jahrhundert regelmäßig als „ruhige Capitalisten“ bezeichnet. Der Aspekt der Sicherheit war in den Köpfen tief verwurzelt. Auch das erste ­Versicherungsaufsichtsgesetz aus dem Jahr 1901 war von dem Gedanken der Sicherheit beherrscht, wie der ehemalige Vorstands­vorsitzende der Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG, Günter Kalbaum, in seinem 1986 publizierten Aufsatz „Acht Jahrzehnte Vermögens­anlagepolitik der deutschen Lebensversicherungswirtschaft“ schreibt. ­Kalbaum zufolge wurde mit dem Gesetz das Recht der Versicherungsunternehmen und ihrer Beaufsichtigung auf eine reichseinheitliche Basis gestellt. Darüber hinaus kamen nun auch Vorschriften über die Vermögensanlage zum Tragen.
Das Gesetz sollte insbesondere dafür sorgen, dass die Prämienreserve und die damit einhergehende Deckungsrückstellung richtig errechnet, dem Prämienreservefonds der rechnungsmäßig erforderliche Betrag tatsächlich zugeführt und der Fonds ­sicher angelegt wurde. Mit dem Gesetz erhielten die Versicherungen die ­Erlaubnis, bis zehn Prozent der Gelder im Prämienreservefonds in ­bestimmten Pfandbriefen anzulegen. Daneben waren auch Schuldverschreibungen inländischer kommunaler Körperschaften ­sowie ­Policendarlehen als Anlagemöglichkeiten vorgesehen.

Die Vorstellung von Sicherheit hatte ursprünglich nur eine ­nominale Werterhaltung zum Inhalt. „Dass dieses Prinzip der ­nominalen Werterhaltung in Fällen eines Währungsverfalls, eines Staatsbankrotts oder kriegerischer Auseinandersetzungen möglicherweise nicht den Anforderungen einer langfristigen Vermögensanlage genügen könnte, lag nach den Erfahrungen zu Beginn dieses ­Jahrhunderts außerhalb des Erwägenswerten“, konstatiert Kalbaum Mitte der 1980er Jahre.

_Der Reiz der Hypothekenvergabe

Die Kapitalanlage der Versicherungsunternehmen ist natürlich untrennbar mit der angebotenen Dienstleistung „Versicherungsschutz“ ­verbunden. Das heißt, die Assekuranz muss die Zeit zwischen den Beitrags­zahlungen und dem Leistungsfall überbrücken. ­Angesichts der ­Ungewissheit darüber, wann und in welcher Höhe die ­Leistungen fällig werden, muss der Bestand der Kapitalanlagen ­Gewähr für eine ­ständige ­Leistungs- und Zahlungsbereitschaft bieten. Zur ­Sicherstellung dieser Funktion verlangt das zu Beginn des 20. ­Jahrhunderts in Deutschland eingeführte Versicherungsaufsichts­gesetz von der Assekuranz, das ­Vermögen so anzulegen, dass ­möglichst große Sicherheit und ­Rentabilität bei jederzeitiger ­Liquidität der Versicherungs­unternehmen unter Wahrung angemessener ­Mischung und Streuung erreicht wird. Wie von Seiten der Versicherungs­wirtschaft zu hören ist, hat sich ­dieser Grundsatz allerdings erst ­aufgrund der zahlreichen ein­schneidenden Ereignisse im vorigen Jahrhundert entwickelt.

„Wer anderen Sicherheit verspricht, wie es die Versicherer tun, muss selbst strenge Maßstäbe an die Sicherheit seiner Vermögens­anlage anlegen, auch wenn dies zulasten der Rentabilität geht“, schreibt der langjährige Vorstandsvorsitzende der Karlsruher ­Lebens­versicherung, Robert Schwebler, in seinem 1977 erschienenen Werk über die „Vermögensanlagepraxis der Versicherungswirtschaft“. Aus historischen Quellen geht hervor, dass die Versicherer ­ursprünglich nur Anlagen in festverzinslichen, mündelsicheren ­Werten tätigen durften. In diesem Zusammenhang waren die ­Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die ­mündelsichere Anlage maßgeblich. Nach Paragraf 1807 BGB durfte die Anlage von Mündelgeld im Wesentlichen nur in Forderungen ­erfolgen, für die eine sichere Hypothek an einem inländischen Grundstück bestand. Daneben waren auch verbriefte Forderungen gestattet, vorausgesetzt, sie richteten sich gegen das Reich, ein Bundesland oder eine inländische kommunale Körperschaft. Entsprechend unzulässig war die Anlage des Prämienreservefonds in Grundstücken, Industrieobligationen und Aktien.

Grund und Boden durften zunächst allenfalls für den eigenen ­Geschäftsbetrieb und auch nur mit Zustimmung der Aufsicht ­erworben ­werden. Der Schwerpunkt der Kapitalanlagen der ­Versicherungsunternehmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag ­gerade deshalb auf ­Hypotheken. Wie aus der 1909 ­erschienenen zweiten ­Auflage des Fachbuchs „Das Reichsgesetz über die privaten ­Versicherungsunternehmungen“ von Alfred Manes hervorgeht, ­summierte sich das ­Gesamtvolumen aller Kapitalanlagen 1905 auf 3,9 Milliarden Mark. Davon entfielen rund 82 Prozent auf Hypotheken und Grundschulden. Der Rest verteilte sich auf nicht näher definierte Wertpapiere, Policen­darlehen, Wertpapierdarlehen sowie Grundbesitz und Wechsel. An dieser Zusammensetzung hat sich zunächst kaum etwas ­geändert. Wie die Grafik auf der gegenüberliegenden Seite zeigt, ­dominierten 1908 Realkredite in Form von Hypothekendarlehen. ­Diese werden auch in der ­Gegenwart von bestimmten institutionellen ­Anlegern, zum Beispiel der Bayerischen Versorgungskammer (BVK), vergeben. Damals machten sie allerdings einen enormen Anteil von knapp 85 ­Prozent der Anlagen aus! Dagegen spielten Grund­stücke und ­Wert­papiere eine Nebenrolle. Mit der interessanten Feststellung „Die ­Geschäftsberichte des ­Kaiserlichen Reichaufsichtsamtes lassen ­erkennen, dass man sich mit der ­Gewährung von Hypotheken­darlehen und der Entwicklung des Hypothekenbestandes besonders befasst hat“, unterstreicht ­Kalbaum die Bedeutung, die Hypothekendarlehen ­damals ­beigemessen wurde.

_Verfechter von Hypotheken

Die Hypothek gehört zu den Grundpfandrechten und stellt für das immobilienfinanzierende Institut eine Sicherheit dar. Kommt der Darlehensnehmer der Zahlung seiner per Kreditvertrag vereinbarten Raten nicht nach, kann die Hypothek dem Gläubiger dazu ­dienen, die finanzierte Immobilie zu veräußern. Ein Verfechter von ­Hypotheken ist beispielsweise auch die Nürnberger Versicherungsgruppe. Dort lag der Anteil der Hypothekendarlehen an den Gesamtanlagen ­traditionell überdurchschnittlich hoch. Zur Begründung führt der Versicherungskonzern unter anderem ins Feld, dass Hypotheken­darlehen in aller Regel nur bei gleichzeitigem Abschluss von ­Lebensversicherungen ­gewährt werden, was „in geradezu idealer ­­Weise Neugeschäft mit gut verzinslicher Vermögensanlage verknüpft“. Die enge Verbindung von Darlehen und Lebensversicherung mache das Geschäft zudem relativ stornosicher. Allerdings gibt der Versicherer auch zu bedenken, dass geringe Renditen im Wohnungsbau ebenso wie ­Hochzinsphasen zu einer Dämpfung der Hypothekennachfrage ­führen.

Obwohl die vielschichtige Kategorie der Wertpapiere im ersten Jahrzehnt des ­vergangenen Jahrhunderts meist weniger als fünf ­Prozent des ­Anlagebestandes ausmachten, wurden sie zum Gegenstand ­öffentlicher ­Erörterungen. So veröffentlichte das Kaiserliche Reichsaufsichtsamt eine Aufstellung über die Verteilung der ­Wert­papiere, aus der zu ­entnehmen war, dass fast 70 Prozent auf Staats­anleihen und staatlich garantierte Anleihen entfielen. Der Rest der Wertpapierposition ­bestand aus Kommunalanleihen und ­Pfand­briefen. Industrieobligationen und Aktien waren nicht ­aufgeführt, „da sie als reine Spekulationsobjekte außerhalb der ­Anlageerwägungen ­eines Lebensversicherers standen“, wie Kalbaum es formuliert.
Wie der Literatur zu entnehmen ist, weckte die Bevor­zugung der ­Hypotheken gegenüber öffentlichen Anleihen seinerzeit die Begehrlichkeit der Finanzminister. So gab es Überlegungen, die Versicherungs­unternehmen zu einer quoten­mäßigen Anlage in Staatsanleihen zu verpflichten. Der Ansatz wurde aber nicht weiter verfolgt; vielmehr kam es zu einer verpflichtenden Zeichnung der Kriegsanleihen. Die Anlagepolitik bis 1915 blendete die Vorstellung der Inflationsgefahr größtenteils aus. Das Ziel der Kapitalanlage ­bestand vor allem darin, den ­nominalen Erhalt sicherzustellen. „Dem Sicherheits­bedürfnis entsprach im ­Rahmen der mündelsicheren ­Anlage am ­besten das Hypotheken­darlehen, das zudem eine Verzinsung bot, die meist über den Zins­sätzen alternativer Anlagemöglichkeiten lag“, ­unterstreicht Kalbaum. Insofern dienten die Vermögensanlagen in erster Linie der Finanzierung des Wohnungsbaus und zu einem ­kleinen Teil der Staatsfinanzierung. Der Kriegsausbruch führte indessen nach 1914 zu einem weit­gehenden Baustopp, was sich ­unmittelbar auf die Hypothekenvergabe auswirkte. Dafür investierten die Versicherungskonzerne nun in Kriegsanleihen des Reiches. ­Statistiken zufolge zeichneten die ­Lebensversicherungen im ­Ersten Weltkrieg alle neun Kriegsanleihen im Umfang von knapp 1,5 ­Milliarden Mark.

Mit dem zunehmenden Wertverfall in den 1920er Jahren kamen die deutschen Versicherungsunternehmen allerdings in eine existenzbedrohende Lage. Schließlich entsprachen die vereinbarten ­Versicherungssummen und die damit einhergehenden Prämien nicht mehr dem sich laufend verändernden Geldwert.

_Vergrößerter Anlagekatalog

Wie aus Aufzeichnungen der Versicherungsaufsicht hervorgeht, verschlimmerte sich die Lage im Jahr 1923 in dramatischer Weise. Die Vermögens­anlagen, die in mündelsicheren Nominalwerten angelegt waren, boten keinen Ausgleich zur galoppierenden Inflation. Vor ­diesem Hintergrund erhielt die Assekuranz kurzerhand die Erlaubnis, auch andere Kapitalanlagen zu erwerben. Der neugefasste Paragraf 59 VAG sah neben Aktien inländischer Gesellschaften auch die Anlage in Grundstücken und Industrieobligationen vor.

Von den neuen Anlagemöglichkeiten haben die Lebens­versicherer, deren Kapitalanlagen beim Währungsschnitt am 1. Januar 1924 um knapp 85 Prozent auf 920 Millionen Mark zusammenschmolzen, ­allerdings nur in einem engen Rahmen Gebrauch gemacht. ­Statistiken zufolge waren 1932 nicht einmal sechs Prozent der Kapitalanlagen in Grundstücken allokiert. Die Aktienquote verharrte gerade einmal bei ­homöopathischen zwei Prozent. Denn vor dem Hintergrund der ­allgemeinen ­Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ­flossen die ­Prämien vor allem in Pfandbriefe, Kommunalobligationen und Staatsanleihen. Allerdings wurde die Erweiterung der ­Anlagefreiräume mit dem Zusammenbruch der Frankfurter ­Allgemeinen Versicherungs-AG (1931) teilweise wieder rückgängig ­gemacht.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kamen abermals veränderte Anlagerestriktionen auf die Assekuranz zu. So mussten die Lebensversicherer im Mai 1935 erstmals eine sogenannte Liquiditätsanleihe in Höhe von 15 Prozent ihrer Prämieneinnahmen zeichnen. 1939 wurde schließlich verfügt, dass zwei Drittel aller ­verfügbaren Mittel der Versicherungsgesellschaften für Anlagezwecke des Reiches zu verwenden waren. Dabei handelte es sich laut Kalbaum im Wesentlichen um langfristige Reichsanleihen und Schatz­anweisungen. ­

Während der Kriege wurde die Entscheidungsfreiheit über die ­Anlagen ­gesetzlich eingeschränkt, wie man bei der Allianz heute herausstreicht. Unternehmen seien verpflichtet worden, wachsende ­Anteile ihrer Anlagen in Kriegsanleihen zu zeichnen. Diese waren nach Kriegsende weitgehend wertlos. Verbriefte Reichsanleihen wurden in der ­anschließenden Währungsreform 1948 im Verhältnis 100 zu 6,5 ­umgestellt. Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs und der erneuten Währungsreform drei Jahre darauf schmolzen die Mittel der gesamten Versicherungsindustrie entsprechend von rund 14,4 Milliarden Reichsmark auf 1,9 Milliarden Deutsche Mark (DM) ­zusammen. Mit 1,6 ­Milliarden DM entfiel das Gros der verbliebenen Anlagen auf Reichstitel, die sich gegen die Bundesländer richteten. Die weitere Asset-­Allokation, wenn man so will, entfiel auf Grund­stücke und Hypotheken von zusammengenommen 235 Millionen DM. Von den ursprünglichen Vermögenswerten waren nur noch Restbestände vorhanden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Einstellung zur Anlage in Sach- und Substanzwerten schließlich grundlegend gewandelt. Nach Angaben der Versicherungsaufsicht hatten Grundbesitz und auch Aktien der Geldentwertung nach den beiden Weltkriegen besser widerstanden als andere Anlagen. Auch das ist eine wichtige ­Erkenntnis für die Asset-Allokation der Gegenwart. Denn mit der ­Erholung der Gesamtwirtschaft zogen insbesondere die Aktienkurse wieder an.

_Und wieder Hypothekendarlehen

Der Aufschwung im Westen Deutschlands hat das Kapital­anlage­volumen wieder beflügelt. Die Recherchen von Peter Koch zeigen, dass die Lebensversicherungsunternehmen, zu einem gewissen Teil aber auch die Schadenversicherer, damals zu bedeutenden Kapitalsammelbecken geworden sind. Vor diesem Hintergrund konnte die Assekuranz der Wirtschaft die für den Wiederaufbau benötigten ­Mittel zur Verfügung stellen. Ein wichtiges Finanzierungsinstrument ­bildete das zu Beginn der 1950er Jahre aufgekommene Schuldschein­darlehen, wie Koch hervorhebt. Gleichwohl haben die Lebens­versicherer damals mehr als 50 Prozent ihrer Gelder für den ­Wohnungsbau aufgewendet. So fanden sich in den Portfolien im Jahre 1953 vor allem Eigenbauten, Hypothekendarlehen und Pfandbriefe, die zusammen ein Volumen von 400 Millionen DM ausmachten.

Fazit: Die Asset-Allokation der Assekuranz wurde über Jahrzehnte hinweg von Hypothekendarlehen dominiert. Die Vergabe von ­Real­krediten stand immer wieder im Zentrum der Über­legungen, weil sich das Geschäft als sicher und lukrativ erwies. Das Interesse von ­Altersvorsorgern an der Vergabe von Hypotheken in der Gegenwart zeigt, dass man davon auch heute noch überzeugt ist.

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