Alternative Anlagen
8. August 2024

Die Expansion des Infra-Debt-Universums

Es braucht mehr Infrastruktur und diese mehr Finanzierungen. Wichtige Geldgeber sind seit Jahren Versicherer wie die Allianz. Claus Fintzen, CIO Infrastructure Debt, AGI, erläutert, wie die ­Asset-Klasse tickt und was die derzeit attraktiven Segmente sind.

Die Entstehung des Infrastruktur-Universums liegt zwar noch ­keine Milliarden Jahre zurück, dafür wurden aber bereits Milliarden an Euros von deutschen Anlegern investiert. Allein von der Allianz-Gruppe sind es auf der Equity-Seite Ende 2023 knapp 17. Der Ver­sicherer sorgte hierzulande auch für den Big Bang dieses Universums: Im Jahr 2009 sagte Ex-Vorstandschef Michael Diekmann der ­Süddeutschen Zeitung, dass man in Parkuhren in Chicago im Konsortium mit anderen Anlegern über eine Milliarde Dollar investiere und „dafür über Jahrzehnte stabile Einnahmen“ erhalte. Die Expan­sion des Infrastruktur-Universums erfolgte ebenfalls rasch auf der Debt-Seite. Ende 2023 waren es vier Prozent der Fremdkapital-­Anlagen der Allianz beziehungsweise rund 22 Milliarden Euro.

Zwei Jahre nach dem Interview verbanden sich aber nicht Materie, Raum und Zeit, sondern Renditenöte und Duration-Ziele mit einer Geschäftsidee. „Damals gab es noch keine institutionellen ­Produkte, um in Infrastructure Debt zu investieren. Darum traf die Versicherung die Entscheidung, einen Markt für diese Asset-Klasse zu entwickeln“, erklärt Claus Fintzen, Chief Investment Officer ­Infrastructure Debt bei Allianz Global Investors. Zusammen mit vier Kollegen setzte er eine entsprechende Plattform auf. „Es war von Anfang an die Idee, nicht nur für die Allianz Gruppe zu ­investieren. Allerdings dauerte es etwas länger, weitere Investoren anzubinden, so dass die ersten Transaktionen nur mit Allianz ­Geldern finanziert wurden. “ 2013 waren bereits die ersten Dritt­investoren dabei. Die Debt-Debüt-Pendants zu den Parkuhren: Zwei PPP-Transaktionen für eine Autobahn bei Marseille und eine ­Musikhalle in Boulogne. Letztere wurde erst nach Gebäude-Fertigstellung finanziert, und das Auslastungsrisiko übernahm die ­Gebietskörperschaft. Kurz danach finanzierte der Versicherungskonzern ein deutsches Gas-Transmissionsnetz. Nun stehen die Commitments dieses Portfolios bei über 25 Milliarden Euro, von denen circa zwei Drittel, von Einheiten der Allianz stammen. ­Heute ist die Allianz immer noch in den meisten Transaktionen vertreten, aber muss lange nicht mehr der größte Investor sein.

Erweitert hat sich seit damals aber nicht nur die Investorenseite, sondern vor allem die Anlagestrategie. Diese war zunächst nur auf die Belange der Allianz Lebensversicherungen ausgerichtet: Originiert wurden nur Investment-Grade Finanzierungen in Europa mit Laufzeiten von bis zu 40 Jahren. Die durchschnittliche Laufzeit liegt heute bei circa 14 Jahren. Die nächste Ausbaustufe erfolgte in regionaler Hinsicht mit den USA und lateinamerikanischen ­Ländern mit Investment-Grade-Bonität. 2017 kam dann – nach ­diversen Segregated Managed Accounts – eine Crossover-Strategie namens „Resilient Credit“ mit durchschnittlichen Laufzeiten von acht Jahren und Risiken unterhalb von Core hinzu, die mehr dem Gusto von Sachversicherungen entspricht. Der Corona-Lockdown animierte das Infra-Debt-Team zur Auflage einer High-Yield-Strategie, da viele Opportunitäten zu erwarten waren. Diese Erwartung hat sich anscheinend erfüllt, weshalb man derzeit mit einem Nachfolgeprodukt im Markt ist. In diesem wird, wie in den anderen Fonds, auch wieder die Allianz Ankerinvestor sein. „Prinzipiell ­decken wir von AAA bis B die ganze Bandbreite von Infrastruktur ab“, so Claus Fintzen. Möglichkeiten in die höchste Bonitätsstufe zu investieren, sind jedoch rar. Als Beispiel für ein solches „Super Core“ nennt Fintzen die Finanzierung von Hybrid-Zügen in ­Schleswig-Holstein, die von dem Bundesland garantiert wurde.

Ähnlich gelagert waren vor etwa 15 Jahren die Motive auch bei ­Anderen. 2013 verkündete beispielsweise die Axa, dass man das ­Exposure zum Infrastructure-Debt-Markt vergrößern möchte, und dafür zehn Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren über die Debt-Plattform von Axa Real Estate investieren will. Auffällig war auf dem diesjährigen globalen Infrastructure Investor Global ­Summit in Berlin die große Präsenz von Asset Managern von Versicherungskonzernen. Für diese sind wegen Solvency II die langen Laufzeiten von Infrastrukturfinanzierungen mit guten Bonitäten sehr interessant. Ebenfalls direkt finanziert die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe Infrastruktur. Im Jahr 2016 ist eine Refinanzierung für eine Maut-Autobahn in Spanien dokumentiert. Ebenfalls dort beteiligte sich das Versorgungswerk zwei Jahre später an der Refinanzierung einer Straßenbahnlinie. Im Jahr 2021 gab die ­ÄVWL Debt für den Bau und den Betrieb eines finnischen Windparks. In solchen Kapitalmarktnischen findet das Versorgungswerk nach eigener Aussage stabile Cashflows, die zu einem resilienteren Kapitalanlageportfolio beitragen. Im Fokus stehen besondere Anlagen mit übergeordneten Trends wie zum Beispiel die Energiewende. Allerdings, so die „Ärzte“ sind diese direkten Darlehensgeschäfte deutlich komplexer und erfordern mehr Knowhow. Direkte Darlehen bieten aber auch mehr Handlungsspielraum. „Insbesondere bei Konstruktionsrisiken halten wir gern den Hauptteil der ­Finanzierung, weil das die Kommunikation mit dem Emittenten vereinfacht. Bei breit syndizierten Darlehen ist es, wenn Probleme auftreten, für die Sponsoren-Seite oft schwierig, auf einen gemeinsamen Nenner und zu Beschlüssen zu kommen“, so Fintzen. ­Gerade in der Pandemie wurden viele Covenants gerissen, was für Gesprächsbedarf mit den Kreditnehmern sorgte.

Entgegen der oft vorherrschenden Meinung, dass bei Alternatives der Arbeitsaufwand vor allem vor einer Transaktion anfällt, betont Fintzen, dass das Asset Management genauso wichtig ist wie die Origination. „Fünf unserer 25 Mitarbeiter sind nur damit ­beschäftigt, das existierende Buch zu betreuen. Wären die gleichen Kollegen mit der Origination und dem Buch beschäftigt, bestünde die Gefahr, Transaktionen zu verpassen.“ Schließlich können Originierungen und Strukturierungen eines Deals bis tief in die Nacht dauern. Für eine Aufgabenaufteilung spricht für den Debt-Spezialisten, der den Branchenjargon sozusagen verhandlungssicher ­beherrscht, auch: „Sonst sind Sie nicht responsive zum Emittenten und der ist dann nicht happy.“ Der berufliche Hintergrund der ­Mitarbeiter ist mit Beratern, Ingenieuren und Bankern gemischt, trotzdem lasse sich jedoch nicht jede Expertise intern vorhalten. ­Eine Herausforderung sei auch, wie Fintzen durchblicken lässt, bei ehemaligen Investmentbankern die Kundensicht neu zu fokussieren. Entsprechende „Umschulungen“ würden Zeit brauchen.

Inzwischen liefen durch dieses Buch über 140 Transaktionen. Der Flow sei jedoch recht unstetig. Derzeit dominieren Renewables und der digitale Sektor. Früher waren es PPPs. „Mit Blick auf Net-Zero- und Energy-Transition-Ziele müssten eigentlich wieder mehr Stromübertragungsnetze kommen. Im Markt sehen wir aber vor ­allem die Produktion von Erneuerbaren Energien – und da wollen alle rein, wobei auch Banken sehr aggressiv sind. Am ehesten ­findet man bei Renewables noch ein akzeptables Risk-Return-Profil im High-Yield-Segment.“ Insgesamt sei das Buch mit grob einem Drittel etwas transportlastig, wobei es sich aber hier eher um viele Verfügbarkeitsrisiken handele.

In der digitalen Infrastruktur kommen viele ­Finanzierungsanfragen für Glasfaser, Rechenzentren und Telekom-Tower. Gerade bei ­Glasfasernetzen handele es sich um einen Markt, auf dem nicht der frühe Vogel den Wurm fängt, sondern die zweite Maus den ­Käse. „In Deutschland zum Beispiel unterschätzten viele Kreditgeber, insbesondere Banken, wie lange es dauert, die Glasfaser unter die Erde zu bekommen und an Wohngebäude anzuschließen. Jetzt ist aus diesem Markt viel Liquidität raus – und wir relativ spät rein“, sagt Fintzen. „Nun lassen sich hier oft gute Margen ­erwirtschaften.“ In der Konstruktionsphase sei es aber noch keine echte Infrastruktur. „Eigentlich handelt es sich erst um eine Core-Asset-Klasse, wenn man sicher weiß, wie viele ­Anschlüsse es gibt und damit, wie hoch der Cashflow ist, und die Refinanzierung erfolgt ist. Vorher sind die Risiken oft sehr hoch.“ Dazu passt, dass sich bei einem Glasfaserprojekt in Bad Nauheim die Geldgeber ÄVWL und Meag die Klausel ausbedungen haben, dass der Ausbau erst dann erfolgt, wenn die Vorvermarktung ergab, dass mindestens 40 ­Prozent der Bad Nauheimer einen Vertrag unterzeichnen wollen. „Sehr attraktive Margen“ liegen beispielsweise in der Finanzierung von Data Center. Dieser Markt muss für eine Allianz nicht zu kleinteilig sein. „Bei Hyperscalern handelt es sich um sehr große Projekte. Jüngst finanzierten wir eine Transaktion, die 70 Rechenzentren betraf.“

Auch P90-Annahmen können sehr blauäugig sein

Die Renewables-Finanzierungen – ein Markt, auf dem die Allianz schon früh aktiv war – betragen 2,3 Milliarden Euro. ­„Senior ist nun aber häufig nicht mehr attraktiv.“ Von 275 auf etwa 100 Basispunkte geschrumpfte Renditen würden das Risiko nicht kompensieren. Dieses wird nach Ansicht von Fintzen manchmal recht blauäugig kalkuliert. Als konservative Annahme nennt er einen P90-Wert mit einer Debt Service Coverage von 1,3. P90 bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent der prognostizierte langjährige mittlere Jahresenergieertrag nicht ­unterschritten wird. „Heute werden uns aber P90-Annahmen über 20 Jahre mit ­einer Debt Coverage von 1,2 gezeigt. Aber was bringt mir eine ­Annahme über 20 Jahre, wenn der Kupon jährlich zu ­zahlen ist? Das entspricht einer aggressiven Annahme von P75“, kritisiert Fintzen. „Da werden sich in meinen Augen einige Leute eine ­blutige Nase holen. Das wird nicht sofort passieren, aber in etwa fünf Jahren.“ Bedenklich sind aus Fintzens` Sicht auch „Merchant Tails“. Dabei handele es sich um Transaktionen, bei denen für 15 Jahre eine Off-Taker-Vereinbarung gilt – und dann die letzten fünf Jahre Merchant-Risiko besteht, man den Strom also zum Marktpreis verkaufen muss. „Aber wer kann mir denn heute sagen, wie hoch der Strompreis in 15 Jahren ist? Das ist für mich Equity-Risk.“

Debt-Investor sieht Batterien skeptisch

Besonders auf Net-Zero-Ziele zahlen Investments in die Energy Transition ein, wenn man also nicht nur Geld für bereits grüne ­Assets gibt, sondern beispielsweise ein Stadtwerk finanziert, das zur Wärmegewinnung von Kohle auf Renewables umstellen will. Doch was ökologisch Sinn macht, ist in der Praxis eines institutionellen Anlegers mitunter schwierig. „Wenn ein Investment ­zunächst eine hohe Emission hat, müssen wir nachweisen, dass die Strategie ein Net-Zero-Ziel hat. Hierfür müssen wir aber noch an den KPIs und an der Kommunikation mit unseren Investoren ­arbeiten, da wir zunächst einmal unseren CO₂-Fußabdruck ver­größern würden.“ Ähnlich gelagert ist der Fall bei sogenannten Gas-Peakern, die die durch Renewables verursachte Volatilität im Netz reduzieren. Laut Fintzen seien etwa neun der insgesamt 25 Milliarden Euro Transition-Assets. Als Beispiele nennt Fintzen die Finanzierung der Elektrifizierung von Zügen in Deutschland und Fähren in Skandinavien. Batterien, die PV-Strom für die Nacht speichern und die in der Branche gern als Transition-Asset ­bezeichnet werden, sieht er jedoch mit Blick auf deren Haltbarkeit eher skeptisch. Gerade für einen Debt-Investor sei bei Batterien aufgrund des technologischen Risikos und bei längeren Laufzeiten eine sehr gründliche Due Diligence nötig. Da Debt nur eine Downside hat, muss das Risiko kalkulierbar sein. „Beispielsweise kann man für die nächsten drei Jahre recht gut den Strompreis ­kalkulieren, weil die Komponenten bekannt sind und es diesen Zeitraum braucht, um ein neues Projekt anzuschließen.“ Nicht kalkulierbar seien – außer dem mittel- und langfristigen Strompreis – Krieg und der Regulator. „Infrastrukturanleger sind davon abhängig, dass sich der Regulator vernünftig verhält.“ Dieses Risiko kann man nicht berechnen, muss man aber berücksichtigen. Besser als Batterien sei für stetigeren Grünstrom ein gesamtheitliches Konzept wie Interconnectoren zwischen Großbritannien, Norwegen und Deutschland. Die Allianz ist hier ebenfalls engagiert und in den Interkonnektor Neu-Connect investiert, der die erste Stromverbindung zwischen Deutschland und Großbritannien schaffen wird.

Das Buch mit weiteren Transaktionen zu füttern, dürfte etwas ­anspruchsvoller werden. Allgemein fallen derzeit Fundraisings und Deals bei Alternatives wegen des Denominator-Effekts, wieder attraktiven liquiden Bonds und geschrumpfter Liquidität im Ver­sicherungssektor schwer. Fintzen: „Hilfreich wäre eine positive Zinskurve. Wären die Zinsen am langen Ende höher, wäre der ­Appetit auf Investment Grade größer.“ Nachteilig für die Infrastructure-Debt-Strategie von Allianz GI war aber nicht nur die Form der Zinskurve, sondern der Zinsanstieg generell. Fintzen: „Wir haben außer im High-Yield-Bereich fast nur fixe Kupons, eine Duration von 18 Jahren und bewerten nach Public Benchmarks.“

Im Jahresbericht 2023 der Allianz Group ist nachzulesen, dass sich die ‚Unrealized Losses‘ bei Alternative Debt 2022 auf 1,91 Milliarden Euro und 2023 auf 1,35 Milliarden Euro summierten. Den Fair Value beziffert die Allianz mit 12,31 Milliarden ­Euro. Ein Inflationsschutz besteht also im Bestandsportfolio mangels Floaters nicht über ein höheres Zinsniveau in der Finanzierung selbst. Fintzen weist aber darauf hin, dass bei regulierten und auf Konzessionen basierten Assets wie Energie Preisanstiege an den Nutzer weitergegeben werden können und Projektanleihen amortisierend sind, so dass – anders als bei Unternehmensanleihen – zumindest wenig Refinanzierungsrisiko besteht. Außerdem trage Infrastructure Debt zur Diversifikation bei und kommt über die Illiquiditäts­prämie meist auf eine höhere Rendite als Corporate Bonds.

Apropos Return: „In den letzten drei Jahren ist High Yield wieder mehr in den Vordergrund gerückt. In diesem Segment liegen die Renditen zur Zeit auf dem Niveau wie zuvor bei Core Infra Equity“, so Fintzen, der das Renditepotenzial im Non-Investment-Grade mit zehn bis zwölf Prozent beziffert. Wieder fallende Zinsen hätten ­einen gegenteiligen Effekt – auch was die Bonitätswahl angeht. „Es mag sich paradox anhören: Aber wieder sinkende Zinsen würden die Nachfrage nach Investment Grade steigern, da hier dann die konstante Marge prozentual höher ausfallen würde .“

Im Schnitt verdiente das Team bisher mit Investment Grade Infrastructure Debt 120 Basispunkte mehr als ein Bloomberg-Versorgerindex. Mehr Rendite und weniger Risiko: Diese Risk-Return-Ratio wird dafür sorgen, dass das Infrastruktur-Universum weiter expandiert und die Portfolios noch um weitere Milliarden wachsen.

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