Deutsches Asset Management – kein Exportschlager
Nachhaltigkeit ist für viele europäische Pensionsfonds längst eine Selbstverständlichkeit. Den Zuschlag bei einer Ausschreibung erhalten nur solche Asset Manager, die ESG-Kriterien in ihrem Investmentprozess berücksichtigen. Deutsche Anbieter können hier kaum punkten.
Nachahmer gefunden: Italiens Fußballer Antonio di Natale war bekanntlich der einzige Spieler, der Spanien bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ein Ei ins Nest legen konnte. Sein Nachnamensvetter, Australiens Politiker Richard Di Natale, einer von neun im Oberhaus von Down Under vertretenen Senatoren der Grünen, versucht es Antonio nun gleichzutun und der nächsten großen Adresse einen einzuschenken, nämlich dem 77 Milliarden Aussie-Dollar schweren Future Fund aus Melbourne, aus dem die Rentenansprüche im öffentlichen Dienst beglichen werden.
Der ebenfalls italienischstämmige Di Natale fordert derzeit per Gesetzentwurf und mit Unterstützung diverser Nichtrauchergruppen, dass der Zukunftsfonds sämtliche Aktien von Tabakfirmen veräußern soll. Erst Mitte Juli hatte sich First State Super, der mit 32 Milliarden Australischen Dollar einer der größten Superannuation-Fonds des fünften Kontinents ist, auf Betreiben seiner Mitglieder aus dem Gesundheitssektor öffentlichkeitswirksam sämtlicher Tabak-Exposures entledigt.
Der laute Beifall für CEO Michael Dwyer sowie die australische Generalmobilmachung gegen Tabakmissbrauch wird – dazu muss man kein Hellseher sein – bei Future-Fund-Chef Mark Burgess ebenfalls das Nachahmersyndrom auslösen. Denn der Staatsfonds kann populäre Nachrichten gut gebrauchen: Seit seiner Einrichtung verfehlte er sein Ziel, im Schnitt pro Jahr fünf Prozent Rendite plus Inflationsausgleich zu erwirtschaften, recht deutlich. Die Rendite lag im Schnitt nur bei 4,2 Prozent. Und obwohl Tabakaktien seit Jahren gut laufen, könnte eine Art Sozialrendite durch positive Publicity attraktiver sein, zumal sich Mark Burgess’ Tabak-Exposure gerade einmal auf 225 Millionen Aussie-Dollar beläuft und damit nicht einmal auf ein Prozent der Aktienbestände in Höhe von satten 27 Milliarden Aussie-Dollar.
Für deutsche Asset Manager macht die Debatte freilich (wieder einmal) keinen Unterschied – in den umfangreichen, auf den Websites der beiden australischen Fonds aufgeführten Managerlisten taucht Asset Management „made in Germany“ sowieso nicht auf. Es stellt sich die Frage, warum das Geldverwalten offenbar eine der wenigen Branchen ist, in denen Deutschland trotz des schwachen Euro keine Exporterfolge, sondern höchstens Achtungserfolge feiern darf. Wollen die Deutschen nicht oder können sie einfach nicht? Sind die Anlageergebnisse zu schlecht? Sind deutsche Verwalter bei internationalen Consultants aus anderen Gründen nicht gut gelitten? Passt internationalen Investoren die Governance verbunden mit den Beteiligungsverhältnissen hiesiger Häuser noch nicht? Oder, ganz simpel, pennt der Vertrieb?
_Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel
Freilich haben einige deutsche Verwalter, was die Mandatsgewinne in Europa betrifft, zuletzt von sich reden gemacht, wie zum Beispiel die Frankfurter FPM beim norwegischen Government Pension Fund Global (siehe hierzu auch den portfolio-Weltspiegel aus der Ausgabe Juli 2012) oder die Union Investment bei der Publica, die mit über 32 Milliarden Franken eine der größten Schweizer Pensionskassen ist. Schon etwas länger vertreten sind – neben den beiden Großorganisationen Allianz und DB Advisors in vereinzelten Portfolios – beispielsweise auch Lupus alpha beim zwölf Milliarden Euro schweren holländischen Pensionsfonds der Transportbranche Vervoer sowie Quoniam beim staatlichen Pensionsfonds AP3 (Schweden) und beim Fonds de Réserve pour les Retraites (Frankreich). Doch es fehlt die Breite, gerade auch verglichen mit dem Ausmaß, in dem Briten und Amerikaner in internationalen Portfolios – auch in deutschen! – vertreten sind. Dass es akademische Arbeiten empirischer Natur über das Thema nicht gibt, darf keineswegs als Hinweis oder gar als Beleg für mangelnde Relevanz gewertet werden, sondern vielmehr für hohe Dringlichkeit: Das heimische Geschäft, auch das institutionelle, ist längst nicht mehr so lukrativ wie vor 2008. Der Blick über die Grenze wird regelrecht erzwungen.
_Kunden wollen ESG-Integration
Die Suche nach Antworten führt über die Kunden. Schon ein Blick auf die Web-Seiten von verschiedenen Adressen, wie den holländischen Fonds Vervoer oder ABP, dem schwedischen Pufferfonds (die „APs“) oder der dänischen ATP zeigt dabei, wie wichtig für die Mandatsvergabe in diesem globalen Geschäft mittlerweile ein Kriterium geworden ist: Kann ein Asset Manager glaubwürdig nachweisen, dass er nicht-finanzielle Kriterien, gemeinhin mit ESG für Environmental, Social, Governance abgekürzt, in seinen Investmentprozess eingebunden hat – und zwar systematisch, nicht nur sporadisch und handgestrickt auf Kundenwunsch?
Die große Mehrheit der deutschen Asset Manager muss diese Frage ehrlicherweise immer noch verneinen. Zwar nicht als Beleg, aber erfahrungsgemäß wenigstens als Proxy taugt hierfür die Statistik der Vereinten Nationen, welche Asset Manager die sogenannten UN PRI (United Nations Principles of Responsible Investment) unterschrieben haben. Wenig überraschend dominieren hier angelsächsische Adressen: 135 aus Nordamerika, 85 aus Großbritannien und 76 aus Australien. Ebenfalls bemerkenswert sind die Zahlen aus Frankreich (70), Holland (36) und der Schweiz (35). Das Bild bei den Investoren korrespondiert recht gut: 37 Asset Owner aus Nordamerika, 34 aus Australien (darunter auch Michael Dwyers First State Super), jeweils 28 aus Großbritannien und Holland sowie immerhin 17 aus Dänemark. Insgesamt sind es weltweit bereits über 650 Asset Manager und etwa 260 Asset Owner.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Wir kommen auf 13 Manager und ganze neun Asset Owner – erst vor kurzem unterschrieb die Metallrente. Inklusive des Versorgungswerkes der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen (WPV), das eine Unterzeichnung anstrebt, stünden bald zehn Investoren zu Buche. Diese Zahlen und Zusammenhänge sprechen für
sich – Exportweltmeister wird man damit jedenfalls nicht.
Auf einem ganz anderen Blatt steht, was unterm Strich hängen bleibt. Die PRI-Unterzeichnerin Vervoer behauptet beispielsweise etwas holzschnittartig auf ihrer Website unter dem Reiter „Responsible Investing“, dass solche aktiven Aktienverwalter, die ESG-Kriterien strategisch (aus ihrer Sicht) besser in ihre Investmentprozesse eingefügt haben, in den Jahren 2008 bis 2010 im Vergleich zu deren Messlatten auch besser abgeschnitten haben. Wie das allerdings im Jahr 2011 und 2012 aussieht, hat Vervoer nicht veröffentlicht. Fakt ist: Der Deckungsgrad – das entscheidende Maß für die finanzielle Lage der Pensionseinrichtungen – betrug bei Vervoer per Ende Juni dieses Jahres 95,6 Prozent und lag damit rund zehn Prozentpunkte unter dem von der Aufsicht De Nederlandsche Bank (DNB) geforderten.
Bei den meisten anderen Oranje-Fonds sieht es ähnlich aus: Der 30 Milliarden Euro schwere Metallfonds „PME“ berichtete gerade von einem Deckungsgrad per Ende Juni von 88 Prozent, PMT (44 Milliarden Euro) von 85 Prozent, ABP (260 Milliarden Euro) von 90 Prozent, BPFBOUW (35 Milliarden Euro) von 96,4 Prozent, und PFZW, dessen 120 Milliarden Euro zu großen Teilen vom medial gefeierten ESG-Vorzeigeinvestor PGGM verwaltet wird, klagt über einen Deckungsgrad von 92 Prozent. PFZW-Chef Peter Borgdorff ließ sich sogar vor der englischen Presse zu dem Zitat hinreißen: „We are not in a good shape, and the storm-ball has been raised.“ Die Konsequenz: Von langfristig ausgerichteter ESG-Integration redet gerade kaum noch jemand. Stattdessen werden kurzfristige Rettungspläne – die von der DNB geforderten „Recovery Plans“ – geschmiedet und auf Druck der Aufsicht Risiko aus den Anlagen herausgenommen (siehe dazu auch das Interview mit Roland van den Brink, dem ehemaligen Anlagechef von PME, auf S. 46ff). Unter allen Umständen sollen die „Dutch Cuts“, also die teilweise für kommenden Frühling befürchteten Renten- und Leistungskürzungen, doch noch vermieden werden.
_Neue Methode lässt Deckungsgrad steigen
Zumindest ein Teil der holländischen Hoffnungen ruht auf einer neuen Methode der Bewertung der Pensionsverpflichtungen. Fast alle Fondsverantwortlichen kritisieren die derzeitige Art der Marktbewertung der Verpflichtungen. Sie soll ersetzt werden durch die sogenannte UFR (Ultimate Forward Rate). Allein dadurch soll Druck aus den Bilanzen entweichen: Bei PME würde die neue Abzinsungsmethode den Deckungsgrad um 3,5 Prozentpunkte verbessern, bei PFZW um sieben Prozentpunkte – ceteris paribus, wohlgemerkt. Dazu Peter Borgdorff gegenüber der britischen Publikation „IPE“: „But, even in this case, we are not out of the woods yet. At best, the cuts can be less.“
portfolio institutionell, 17.08.2012
Autoren: Maik RodewaldSchlagworte: Hedgefonds
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