Asset Manager
11. November 2013

Deutsche Großanleger beugen sich dem Renditedruck

Auf der achten Risikomanagementkonferenz von Union Investment hat der Asset Manager passend zur Veranstaltung in seiner neuen Studie ein Schlaglicht auf die Sorgen der Investoren geworfen.

Union Investment rief die institutionelle Anlegerschaft jüngst in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt, um die Zukunft des globalen Finanzsystems und das aus der Finanzkrise resultierende Umfeld für institutionelle Investoren zu beleuchten. Die Tagung in der prall gefüllten Rheingoldhalle wurde durch die – für viele überraschende – Entscheidung der Europäischen Zentralbank überschattet, den Leitzins auf das Rekordtief von 0,25 Prozent zu senken. 

Prof. Arnd Wiedemann (Universität Siegen) präsentierte die diesjährige Risikomanagement-Studie von Union Investment, die seine Handschrift trägt. Gemeinsam mit Co-Autor Timo Six beleuchtet er darin die szenariobasierte Asset Allocation. Dahinter verbirgt sich das Ziel, den Allokationsprozess nachvollziehbar und transparenter zu machen, wie Wiedemann in seinem Vortrag ausführte.
Eine Kernaussage der jüngsten und im Juni 2013 durchgeführten Befragung unter 104 institutionellen Anlegern, die ein fester Bestandteil der jährlichen Risikomanagement-Studie ist, lautet wenig überraschend: Deutsche Großanleger spüren mehr Renditedruck. Zwar stehe bei der Kapitalanlage nach wie vor die Vermeidung von Verlusten im Vordergrund. Jedoch sank der Anteil der Befragten, denen dies außerordentlich oder sehr wichtig ist von 92 auf 82 Prozent. Im Gegensatz dazu hat für die Anleger der Aspekt erheblich an Bedeutung gewonnen, eine bestimmte Mindestrendite nicht zu unterschreiten. Für 64 Prozent der Studienteilnehmer, darunter Versicherungen, Pensionskassen, Stiftungen und Großunternehmen, ist der Aspekt außerordentlich oder sehr wichtig (Vorjahr 55 Prozent). Diese Entwicklung zeigt nach Ansicht der Studienmacher, dass der Renditedruck erheblich gestiegen ist. 
Eine bemerkenswerte Erkenntnis, die sich daraus ableitet, ist: Anleger orientieren sich immer weniger an einem Vergleichsindex. So halten es heute nur noch 18 Prozent für wichtig, eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung gegenüber einem Index zu vermeiden. Im Vorjahr lag der Prozentsatz der Investoren, die diese Meinung vertreten haben, noch bei 32 Prozent. 
Liquidität muss weichen
Aktuellen Zahlen zufolge dominieren Anleihen mit einem Anteil am Gesamtvolumen von 61 Prozent weiterhin die Kapitalanlagen deutscher Großanleger. An zweiter Stelle folgen Geldmarktinstrumente. Allerdings befindet sich diese Portfolioposition auf dem absteigenden Ast. Ihr Anteil hat sich binnen Jahresfrist von 23 auf elf Prozent mehr als halbiert. Für die Studienmacher ist das ein Beleg dafür, dass der Renditedruck im Niedrigzinsumfeld die Investoren zum Handeln zwingt. Zurück zur Asset Allocation: Wer geglaubt hätte, dass die Kapitalsammelstellen ihre Aktienbestände in jüngster Zeit aufgestockt haben, muss enttäuscht werden. Die Aktienquote beträgt nur fünf Prozent. Auf der Suche nach höheren Renditen und Diversifikation haben die Anleger auf alternative Investments, wie Private Equity oder Hedgefonds, deren Anteil von zehn auf 18 Prozent gestiegen ist, zurückgegriffen. 
Praxisberichte 
Zum Kreis der Redner zählten neben den Ökonomen Prof. Joseph Stiglitz (Columbia University) und Prof. Hans-Werner Sinn (ifo-Institut) auch Eberhard Vetter, Leiter Finanzanlagen der RAG-Stiftung. Der studierte Theologe sprach über die Aufgaben und die Asset Allocation der Stiftung, die nach dem Ende des Steinkohlebergbaus in Deutschland (2018) die Ewigkeitslasten des Bergbaus („Grundwasser abpumpen“) finanzieren muss, die er mit 220 Millionen Euro pro Jahr bezifferte. Vetter verfolgt bei der Kapitalanlage den Grundsatz breiter Diversifikation (sowohl im Direktbestand als auch im RAG-Masterfonds), wie er in seinem Impulsvortrag erläuterte. Zur Begründung verwies er auf die „fehlende Konfidenz der Prognose“. 
Daneben standen Dr. Stefan Heinemann (Abteilungsleiter Risk Management Strategic Allocation bei Talanx Asset Management) und Nigel Cresswell (Head of Investment Consulting bei Towers Watson Deutschland) auf der Bühne. Während der Mathematiker Heinemann sich über das zunehmend enge regulatorische Korsett in der Kapitalanlage ärgerte („So lange der Entscheidungsraum größer ist als die leere Menge, ist es auszuhalten.“) und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass es noch Anlagen gibt, die eine vernünftige Rendite ermöglichen, warnte Towers-Watson-Experte Cresswell vor blindem Vertrauen in Statistiken. In seinem Impulsvortrag erläuterte er den Unterschied zwischen Diversität und Diversifikation und beleuchtete die rasante Entwicklung von Smart Beta. 
Zinswende ist geschafft 
Der Veranstalter führte im Tagesverlauf immer wieder Umfragen durch und veröffentlichte deren Ergebnisse ad hoc. Eine Frage betraf das Niedrigzinsumfeld und dessen Dauer. Knapp zwei Drittel der Besucher gehen laut tagesaktueller Abstimmung davon aus, dass das Niedrigzinsumfeld weiter andauern wird. Dieser Einschätzung schloss sich Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied bei Union Investment, in seinem Vortrag an. Er zeichnete ein insgesamt positives Bild der wirtschaftlichen Entwicklung in der Euroraum-Peripherie. Plakativ verwies Wilhelm auf die Schuldentragfähigkeit von Italien und Spanien, die sich in jüngster Zeit sukzessive verbessert habe. Mit Verweis auf die Erfolge bei der Refinanzierung seiner Staatsschulden strich er exemplarisch Spanien heraus. Von den für 2013 geplanten Bond-Emissionen (222 Milliarden Euro) seien bereits 185 Milliarden Euro emittiert; dank der hohen Nachfrage am Kapitalmarkt ist das Land damit auf dem besten Weg, seine Refinanzierungsziele in diesem Jahr zu erreichen. 
Im Hinblick auf die ultra-lockere Geldpolitik der Notenbanken in Europa und den USA erwartet Wilhelm weiter steigende Asset-Preise, was insbesondere für Aktienengagements sprechen würde. Die Notenbanken seien bereit, sich auf der „lockeren Seite der Geldpolitik zu irren“, um die Wirtschaft anzukurbeln. „Die Zinswende liegt hinter uns. Aber das Niedrigzinsumfeld bleibt“, so das Zwischenfazit Wilhelms. Vor diesem Hintergrund rief er die institutionellen Investoren dazu auf, verstärkt auf die Suche nach Risikoprämien zu gehen. Das Gesetz der Risikoprämie gelte weiter, so Wilhelm. Unter den investierbaren Risikoprämien seien Aktien auf Sicht von zwei Jahren die attraktivste Anlageklasse. 
portfolio institutionell newsflash 11.11.2013/Tobias Bürger
Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert