Schwarzer Schwan
23. Februar 2018

Der Weltverbesserer

Wenn institutionelle Investoren mit den Geschäftspraktiken von Unternehmen in ihrem Portfolio nicht einverstanden sind, haben sie mehrere Möglichkeiten, ihrem Unmut Luft zu verschaffen.

Der „Klassiker“ sieht so aus: Auf der Hauptversammlung dem Vorstand des betreffenden Unternehmens mal so richtig die Meinung geigen. Anschließend mit den Füßen abstimmen und der Führungsriege die Entlastung für das vergangene Geschäftsjahr versagen. Große deutsche Fondsgesellschaften sind Meister in diesem – angesichts der rhetorischen Darbietungen meist sehenswerten – Schauspiel, dessen Aufführung sich Jahr für Jahr zu wiederholen scheint. 
Wenn man seinem Ärger beim Aktionärstreffen vor versammelter Mannschaft Luft verschafft, mag das aus Psychologensicht gut für die eigene Seele sein, aber – mal ganz ehrlich – es bringt das kritisierte Unternehmen dem Pfad der Tugenden keinen Deut näher. Folglich scheint Alternative 2 schon etwas sinnvoller zu sein, wenn man mit seiner Kritik auch etwas bewirken möchte: Investoren, die sich an der Corporate Governance oder an anderen Praktiken börsennotierter Unternehmen reiben, können sich kurzerhand mit dem Vorstand zum Tête-à-tête, Meet & greet oder ganz einfach auf eine Tasse Kaffee treffen und „one to one“ ihre Positionen erörtern.
Teil eines solchen „Engagement-Prozesses“ ist es, mit dem Finger immer wieder in der Wunde zu stochern. Andernfalls steuert der für gute Ratschläge blinde Firmenlenker das Ruder weiter in die kritisierte Richtung. Falls auch der Dialog nicht fruchtet und den Vorstand zur Einsicht bringt, gewisse Geschäftspraktiken allein schon aus Gründen des Risikomanagements zu unterlassen, bleibt meist nur noch die finale Eskalationsstufe: Die betreffenden Wertpapiere (öffentlichkeitswirksam) zu verkaufen. 
Nun ist George Soros nicht unbedingt das, was wir einen „institutionellen Investor“ nennen würden. Aber das hindert den 87-jährigen Meisterspekulanten nicht, es den Kollegen auf der Insti-Seite gleichzutun und Wertpapiere aus Gewissengründen zu verkaufen: Wie die Tageszeitung „Die Welt“ berichtet, wetterte Soros noch vor wenigen Wochen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gegen Social-Media-Konzerne und bezeichnete sie gar als Feinde der Demokratie. Er habe die Unternehmen in einem Atemzug mit demokratiefeindlichen Akteuren wie Diktatoren oder Populisten genannt. Nun, so berichtet die „Welt“ weiter, habe Soros sämtliche Aktien von Facebook, Amazon und Alibaba aus seinem Hedgefonds-Portfolio verkauft.
Wir meinen: Alles richtig gemacht, George! Erst von den enormen Kurszuwächsen der Tech-Giganten profitieren, dann lautstark über die bösen Geschäftsmodelle herziehen und sich um das gesellschaftliche Wohl sorgen – und zum Schluss unter dem Deckmantel des Weltverbesserers Gewinne einstreichen. Damals, 1992, als Soros die Bank von England mit seiner Pfundwette in die Knie zwang, waren ihm buchstäblich ganze Volkswirtschaften egal, und nun sorgt er sich um Demokratien. So eine Kehrtwende muss man erst einmal hinlegen. 
Auch ein anderer Investor zeigt sich in diesen Tagen von einer eher ungewohnten Seite: Cola-light-Trinker Warren Buffett stapelt Äpfel bis unters Dach. Im vierten Quartal baute seine Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway den Anteil an dem kalifornischen Tech-Riesen Apple um 23 Prozent auf rund 165 Millionen Aktien aus, wie das Manager-Magazin berichtet. Die Beteiligung hatte zuletzt einen Wert von etwa 28 Milliarden Dollar und löste damit die US-Großbank Wells Fargo als Top-Position in Buffetts Portfolio ab. Fragt sich nur, warum Buffett bei Apple long geht. Denn der Meister des Value Investing mit einem Hang zu Versicherungsunternehmen und Ketchup-Fabrikanten hätte hochfliegende Tech-Aktien noch vor ein paar Jahren nicht einmal mit der Kneifzange angerührt. Aber was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ich heute einen medialen oder monetären Coup landen kann!
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