Der Weg zum Klimaziel führt über die systematische Bestandssanierung
Noch immer hinkt die Immobilienwirtschaft hinterher, was die Dekarbonisierungspfade der einzelnen Wirtschaftszweige betrifft. Laut Umweltbundesamt hat der Gebäudesektor in Deutschland im vergangenen Jahr bereits zum zweiten Mal die Messlatte gerissen und die Emissionsziele um etwa zwei Prozent verfehlt. Das klingt nach wenig, ist aber ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass schätzungsweise ein Drittel der CO₂-Emissionen in Deutschland aus dem Gebäudesektor stammt, ähnlich wie in anderen vergleichbaren Ländern. Was ist demnach zu tun? Die Effizienzvorgaben an den Neubau sind bereits recht ambitioniert. Was wir brauchen, ist eine regelrechte Sanierungsoffensive im Gebäudebestand.
Neubau ist nicht automatisch klimafreundlicher
Klar ist: Nicht immer kann eine Bestandsimmobilie die gleichen Effizienzstandards im Betrieb erreichen wie ein moderner Neubau. Doch die von manchen Marktteilnehmern geäußerte Schlussfolgerung, dann brauche es eben dringend mehr Neubau als Ersatz von „klimaschädlichem“ Altbau, um die Klimaziele zu erreichen, ist erstens falsch und zweitens ein bisschen weltfremd. Falsch ist sie, weil sie die „graue Energie“ beziehungsweise die „grauen Emissionen“ verkennt.
Abriss und Neubau verursachen gewaltige Emissionen: durch Abriss und Recycling des Altbestands, durch die Herstellung von Beton, Glas und Stahl, durch den Transport des Baumaterials und den Maschineneinsatz auf der Baustelle. Bezieht man diese Faktoren mit ein, ist eine umfassende Sanierung oftmals die energieeffizientere Alternative. Und ein bisschen weltfremd ist die Vorstellung vom klimafreundlichen Bestandsabriss auf breiter Front, weil das gar nicht möglich und oftmals auch gar nicht wünschenswert ist. Erstens fehlen dafür die Baukapazitäten, und zweitens würde das in letzter Konsequenz bedeuten, mit die schönsten und lebenswertesten Altstädte und Gründerzeitviertel, die den Krieg überlebt haben, nun jedoch der Abrissbirne preiszugeben.
Das bedeutet nicht, dass im Einzelfall nicht auch mal Hopfen und Malz verloren sind und an einem Abriss mit anschließendem Neubau kein Weg vorbeiführt. In der Breite jedoch kommen wir an einer flächendeckenden Bestandssanierung in Kombination mit innovativen Begleitmaßnahmen, etwa zur regenerativen Stromerzeugung, im deutschen Gebäudebestand nicht vorbei.
Die richtigen Prioritäten setzen
Freilich können nicht alle Gebäude gleichzeitig saniert und nicht alle Maßnahmen gleichzeitig umgesetzt werden. Deshalb gilt es, Prioritäten zu setzen – gerade auch im Hinblick auf die weltweiten Klimaziele. Denn Zeit ist dabei ein bestimmender Faktor. Entscheidend für die Erderwärmung ist nicht die Höhe der Emissionen in einem bestimmten Jahr und ob wir Klimaneutralität im Jahr 2050 darstellen können, sondern die Höhe der Emissionen im gesamten Zeitraum bis zu diesem Jahr – also der Dekarbonisierungspfad bis zu diesem Datum und darüber hinaus. Man kann sich das als Kurvendiagramm vorstellen: Ist die Kurve konkav, werden die Emissionen anfangs sehr stark gesenkt. Die Kurve ist dann im weiteren Zeitverlauf flacher. Die gesamte Emissionsmenge über den gesamten Zeitraum hinweg ist dann relativ gering. Ist das Gegenteil der Fall, also bei einem konvexen Kurvenverlauf, ist die gesamte Emissionsmenge um ein Vielfaches größer. Es ist deshalb im Sinne des Klimaschutzes dringend geboten, bei einer Bestandssanierung die Maßnahmen mit dem höchsten CO₂-Einsparpotenzial zuerst umzusetzen und entsprechend auch zu priorisieren.
Das Gute dabei ist, dass dies auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht in der Regel die effizientesten Sanierungsmaßnahmen sind – also diejenigen Maßnahmen, die den größten CO₂-Einsparungserfolg pro eingesetztem Kapital versprechen. Wenn also zum Beispiel eine neue Heizungsanlage und eine Fassadendämmung für ein Bürobestandsgebäude als geeignete Maßnahmen identifiziert wurden, um die CO₂-Emissionen um 30 Prozent zu senken, wozu die Heizung 20 und die Dämmung zehn Prozentpunkte beiträgt, dann empfiehlt es sich, mit der Heizung anzufangen. Dasselbe gilt auf Portfolioebene: Da man bei einem größeren Gebäudebestand selten bei allen Objekten gleichzeitig ansetzen kann, sollten auch hierbei die größten Einsparpotenziale bevorzugt gehoben werden.
Systematische Analyse des Bestandsportfolios
Doch damit fangen die Herausforderungen erst an. Schließlich muss jede Einzelimmobilie im Portfolio genauestens auf den Ist-Stand ihrer Klimabilanz und auf die Einsparpotenziale durch alle theoretisch umsetzbaren Maßnahmen hin analysiert werden. Dies ist heutzutage durch intelligente ESG-Analyseplattformen möglich. Bei Wealthcap zum Beispiel kooperieren wir mit der Plattform Quantrefy. Quantrefy erfasst sämtliche Verbrauchs- und Emissionsdaten sowie weitere Eigenschaften wie etwa ESG-Zertifizierungen aller Objekte im Portfolio.
Mit der so entstandenen Datenbank schafft die Plattform nicht nur größtmögliche Transparenz für das Asset Management, einschließlich der Echtzeitberechnung einschlägiger ESG-Scorings. Sie führt darüber hinaus auch eine strategische Auswertung der Daten durch und kann automatisch Optimierungsvorschläge mit entsprechenden Einsparpotenzialen kalkulieren. Zu guter Letzt stellt die Plattform auch Reporting-Schnittstellen für Fondsanbieter und Investoren zur Verfügung.
Es liegt dann am Portfolio- und Asset Management, aus diesen Daten und Optimierungsvorschlägen die richtigen Schlüsse zu ziehen und in die Umsetzung der als geeignet identifizierten Maßnahmen zu gehen. Weist das Objekt beispielsweise eine große Dachfläche auf und ist auch baulich dafür geeignet, kann die Installation einer Photovoltaikanlage eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Klimabilanz darstellen.
Photovoltaik mit steuerrechtlichen Tücken
Mit welchem Modell diese Maßnahme dann umgesetzt und in diesem Fallbeispiel der erzeugte Strom später genutzt beziehungsweise vermarktet werden kann und soll, ist eine Frage mit hoher steuerrechtlicher Relevanz. So kann der mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugte Strom oftmals nicht direkt ins Netz eingespeist oder an den Mieter zu marktüblichen Konditionen verkauft werden. Diese steuerrechtliche Hürde wird aus der Immobilienwirtschaft kritisiert, weil sie ein Hindernis auf dem Weg zur Energiewende darstellt.
Doch mit einem Partnermodell kann diese Hürde übersprungen werden, indem das Dach an einen Anlagenbetreiber verpachtet und der Strom in der Immobilie selbst als Allgemeinstrom genutzt wird. Genau nach diesem Muster ist Wealthcap mit dem Solaranlagenbetreiber Voltaro als Partner beim Shopping-Center „Galerie Roter Turm“ in Chemnitz verfahren. Mehr als 500.000 kWh Strom soll die Anlage pro Jahr produzieren – genug für etwa 200 durchschnittliche Zwei-Personen-Haushalte – und circa 180 Tonnen CO₂ einsparen im Vergleich zum herkömmlichen Strommix.
Klimastrategie für jedes Objekt identifizieren
Bei einem Shopping-Center mit großer Dachfläche und hohem Anteil Allgemeinstrom kann die Installation einer Photovoltaikanlage also eine ideale Maßnahme sein, um die Klimabilanz des Gebäudes zu verbessern. Wichtig ist zu wissen, wie man diese Maßnahme auch umsetzen kann: mit entsprechender Expertise im Portfolio- und Asset Management und den richtigen Partnern.
Bei einem Bürohochhaus hingegen dürften ganz andere Maßnahmen den größten Impact bedeuten. Da spielen vielleicht Fenster- und Fassadendämmung eine wichtigere Rolle. Bei einer Wohnimmobilie vielleicht die Heizungsanlage. Wealthcap hat bereits das gesamte Portfolio dahingehend überprüft und erste Maßnahmen ergriffen – mit dem Ziel, den gesamten Bestand unterhalb des Dekarbonisierungspfads zu positionieren. Das muss nicht auf harte bauliche Maßnahmen zur Reduzierung der CO₂-Emissionen beschränkt bleiben, sondern kann auch die Einführung sogenannter grüner Mietverträge („Green Leases“) beinhalten, um die Mieter mit in die Verantwortung zu nehmen – etwa durch das Beziehen von Strom aus Erneuerbaren Energien.
Die Krux liegt in jedem Fall darin, für jedes einzelne Bestandsgebäude im Portfolio, welcher Nutzungsart auch immer, die ideale und effizienteste Klimastrategie zu identifizieren und die erforderlichen Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge umzusetzen. Dazu bedarf es eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens, am besten mithilfe eines speziellen Analyse-Tools. In den meisten Fällen dürfte sich dies als die effizientere und intelligentere Strategie erweisen, um auf dem Dekarbonisierungspfad zu bleiben oder ihn gar zu unterschreiten – und nicht wahlloser Abriss und Neubau.
Autoren: Julia Hauber In Verbindung stehende Artikel:
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