Pensionskassen
21. Februar 2023

Der Truthahn und die Krankenschwester

Die Zinsentwicklung sorgte für viel Bewegung – und Normalisierung. Interview mit der KZVK Rheinland-Westfalen zu Kapitalmarkt und Anlagestrategie.

Für KZVK-Vorstand Dr. Wolfram Gerdes sollte die Zinsentwicklung auch Anlass sein, sich über Grundsätzliches Gedanken zu machen. Beispielsweise, ob für Altersvorsorge nicht nur das ALM relevant sein sollte, sondern auch ein Truthahn und Krankenschwestern – Parameter, die die Zusatzversorgungskasse bestärken, weiter in Real Assets zu diversifizieren. Warum Real Assets wichtig bleiben, erklärt Wolfram Gerdes im Interview Patrick Eisele.

Was machte der Zinsanstieg mit der KZVK?

Ich habe nicht geglaubt, dass wir in einer neuen Welt leben, wo Zinsen dauerhaft nahe bei null liegen, und habe an einer niedrigen Duration festgehalten. Wir sind dafür mehr in Substanzwerte gegangen, was auch eine Art von Durations-Verlängerung ist. Jahrelang war es aber schwierig, gegenüber dem Aktuar und auch hier im Haus zu argumentieren, warum die Zinsen steigen sollten. Ich konnte nur darauf verweisen, dass ökonomische Gesetze weiter gültig sind und Anleger eines Tages wieder Ertrag haben wollen. Diese Diskussion wurde jedes Jahr unangenehmer. 2022 wurden dann meine Annahmen verifiziert.

Ich gehe davon aus, dass unser bilanzieller Schmerz geringer als bei anderen ist. Allgemein wurde mit den fallenden Zinsen immer länger angelegt, auch um sich die nötigen Renditen zu sichern. Wie Talebs Truthahn sind auch die Menschen Trendfolger. US-Staatsanleihen fielen von 18 Prozent in den 80er-Jahren auf null Prozent. Bei null Prozent musste man sich aber fragen, wo die Risikoprämie ist, und hätte zu einer anderen Position bezüglich Rentenanlagen kommen müssen. Nicht gedacht hätte ich aber, dass der Zinsanstieg so schnell geht.

Ich gehe davon aus, dass die jetzigen drei Prozent viel normaler sind. Zudem können die Zentralbanken die Inflation nicht aus dem Blick lassen. Trotzdem sind in den nächsten Jahren auch wieder niedrigere Zinsen möglich, weil es sehr valide ist, dass die Inflation wieder zurückgeht.

Was heißt das für „risky Assets“ wie Aktien?

Aktien bieten eine attraktive Risikoprämie über Anleihen – können aber auch manchmal ziemlich wehtun. Wenn ich aber eine Anlage zehn oder 15 Jahre durchhalten kann, dann muss mich eigentlich nur der durchschnittliche Ertrag über diesen Zeitraum und nicht die Volatilität des Einzeljahrs interessieren. Je besser ich die Cashflows der Verpflichtungsseite im Griff habe, desto mehr kann ich mir auch vergleichsweise illiquide Anlagen wie Private Equity und Immobilien erlauben. Die KZVK hat über 40 Prozent ihres Vermögens in Aktien und Beteiligungen investiert und plant, diesen Anteil weiter zu erhöhen.

Die KZVK hält auch einen Wohnungs-Direktbestand. Mit Blick auf energetische Sanierungen und Inflation müssen die Mieten hoch. Wie schwer fällt dies einem Investor mit kirchlichem Hintergrund?

In erster Linie ist meine Aufgabe, für sichere Renteneinkünfte zu sorgen. Es gibt die Argumentation von Mietern in Not, dass wir als Kirche die Miete doch um 20 Prozent senken müssten. Aber dann müsste ich die Rente der Krankenschwester, die bei uns ihre gesetzliche Rente aufbessern will, um 20 Prozent kürzen. Und es ist die Krankenschwester, die mit ihren Beiträgen hilft, Wohnungssuchenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Was da gerecht ist, entscheidet zu guten Teilen der Markt. Auch als kirchlicher Anbieter kann ich nicht substantiell vom Markt abweichen.

Sorgt die Regulierung für Fehlallokationen?

Mein Paradebeispiel ist die im Juni 2020 von Österreich mit einer Laufzeit von 100 Jahren und einem Kupon von null Prozent emittierte Staatsanleihe. Soll ich Österreich Geld geben für das Versprechen, das Geld im Jahr 2120 nominal wieder zu bekommen? Käufer sagen, dass sie ein Long-Duration-Element für ihr ALM brauchen, falls die Liabilities stark steigen. Es gibt eben eine Anlegerwelt, die in ihrem Risikomesssystem und in ihrer Regulatorik gefangen ist. Die suchen ein günstiges, handelbares Produkt, welches die Duration verlängert, um das Risiko eines Auseinanderdriftens von Aktiv- und Passivseite zu begrenzen.

Was heißt dies aber, wenn angesichts von Nullzinsen über einen so langen Zeitraum das Risiko deutlich steigender Zinsen viel höher ist als das eines kurzfristigen, weiteren Abfalls um eine kleine Spanne? Meiner Ansicht nach darf ich mich auch angesichts einer ALM-Systematik nicht um diese Frage herumdrücken: Was bedeutet es, eine Anleihe über 100 Jahre zu zeichnen und dabei keinerlei Return-Erwartung zu haben? Antwort: Dass man das Geld in großen Teilen auch gleich in den Ofen stecken kann. Diese Nullkupon-Anleihe mit Fälligkeit in 2120 notiert übrigens heute bei nur noch sechs Prozent ihres Nominals.

Das komplette Interview lesen Sie in der Februar-Ausgabe von portfolio institutionell.

 

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