Der Schatz der Treasurer
Corporates sind als Anlegergruppe nicht zu unterschätzen. Im Dax belaufen sich die liquiden Mittel in der Summe auf 217 Milliarden und die Planvermögen sogar auf 265 Milliarden Euro. Letztere sind zu großen Teilen in Aktien und Alternatives investiert.
Von den Dusch- und Energiespar-Tipps deutscher Politiker sind bestimmt auch die Kapitalanleger in den deutschen Unternehmen nicht verschont geblieben. Diese sind aber ohnehin schon einem Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Einerseits wurden zwar die Gebete der Treasurer für höhere Zinsen endlich erhört. Damit sind einmal negative Zinsen für Bankguthaben, Kassenbestände und kurzfristige Einlagen mit Restlaufzeiten von drei Monaten oder weniger – also die typischen Aufbewahrungsorte für die flüssigen Mittel – erst einmal passé. Vor allem aber können die Pensionslasten mit einem höheren Zins diskontiert beziehungsweise geschrumpft werden. Der Rechnungszins, der bei der Berechnung der Pensionsverpflichtungen angesetzt wird, lag laut einer Modellberechnung der Unternehmensberatung WTW am Ende des zweiten Quartals bei 3,42 Prozent. Dies wiederum sind satte 222 Basispunkte mehr gegenüber dem Jahresende 2021. Laut WTW gab es in den vergangenen 20 Jahren noch nie einen Zinsanstieg von mehr als 200 Basispunkten innerhalb von sechs Monaten.
Der Anstieg der Zinsen und vor allem der Sinkflug der Aktien drücken dieses Jahr aber auf die Pensionspläne der Unternehmen. Wie eine Auswertung von portfolio institutionell ergab, fahren die Corporates meist Aktienquoten von 20 bis 30 Prozent, einige sind sogar noch sportlicher unterwegs. Weiter sind auch Rentenpapiere eine gewichtige Asset-Klasse, die jedoch im Jahresverlauf keinen Schutz bot. Eingegangen sind in die Auswertung die Geschäftsberichte der Anfang September im Dax-40 gelisteten Unternehmen ohne Banken und Versicherer.
Als liquide oder flüssige Mittel weisen die Corporates Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente aus. Manchmal deklarieren die Konzerne zur Liquidität noch Wertpapiere oder Investmentanteile hinzu. Zählt man zusammen, was die 36 Unternehmen angeben, ergeben sich liquide Mittel von etwa 217 Milliarden Euro. 2020 schwammen die Treasurer mit 218 Milliarden Euro in etwa gleich viel Geld. Damit ergibt sich im Schnitt ein Wert von sechs Milliarden Euro. Ein Durchschnittswert ist aber wenig aussagekräftig, da dieser insbesondere durch die Automobilhersteller sehr verzerrt wird. So sorgte BMW Ende 2021 mit Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten von 16.009 Millionen Euro sowie mit Wertpapieren und Investmentanteilen von 4.424 Millionen Euro vor. Mercedes-Benz hielt 23.182 Millionen Euro in der Kasse und 7.579 Millionen Euro in verzinslichen Wertpapieren und ähnlichen Geldanlagen. Der Krösus sitzt aber in Wolfsburg: Volkswagen bevorratete gleich 39.723 Millionen Euro sowie weitere 22.532 Millionen Euro in Wertpapieren. Diese dienen, so VW, der Liquiditätsvorsorge und es handele sich dabei im Wesentlichen um kurzfristig angelegte festverzinsliche Wertpapiere und Aktien. Bei allen drei Automobilherstellern war zudem ein Anstieg dieser Gelder im Vergleich zu 2020 zu verzeichnen.
Aktien sowie Genussscheine nutzt auch RWE für die Allokation der kurzfristigen Wertpapiere. Allerdings waren es nur vier Millionen von insgesamt acht Milliarden Euro. Zudem hielt der Versorger fast sechs Milliarden in den flüssigen Mitteln. Ansonsten nennt nur noch Beiersdorf konkreteres zu den liquiden Anlagen. Beiersdorf berichtet, dass man den überwiegenden Teil der Liquidität von etwas mehr als einer Milliarde Euro in „risikoarmen Titeln“ wie zum Beispiel Staats- und Industrieanleihen sowie in Pfandbriefen angelegt habe. Etwas kryptisch verweist zudem noch Infineon auf „Investmentfonds“ von etwas mehr als einer Milliarde Euro, die zusammen mit Festgeldern in etwa gleicher Höhe die „Finanzinvestments“ bilden. Angaben zu Bitcoins & Co. finden sich in den umfangreichen Berichten dagegen nicht. Anders als beim US-Software-Unternehmen Microstrategy, das nach eigenen Angaben als erstes gelistetes Unternehmen Bitcoins zum „primary treasury reserve asset“ salbte. Nachdem sich Ende Juni der Wert der Bitcoins auf etwa zwei Milliarden Dollar zum Einkaufswert halbiert hatte, verabschiedete sich im August Gründer Michael Saylor als CEO. Dann doch lieber Bankguthaben, Kassenbestände und kurzfristige Einlagen, wird man sich in den Treasury-Abteilungen in München oder Düsseldorf denken. Diese Anlagen generierten – zumindest bei Puma – im vergangenen Jahr wie in 2020 1,5 Prozent.
Die Corporates sorgen vor – mit 265 Milliarden Euro
Deutlich bunter und mit etwas mehr Volumen sind dagegen die Planvermögen bestückt. Diese summierten sich Ende des vergangenen Geschäftsjahres auf 265 Milliarden Euro nach 247 Milliarden Euro in 2020. Neben dem vortrefflichen Kapitalmarkt-Jahrgang 2021 ist der Anstieg von etwa sieben Prozent auch neuen Dotierungen zu verdanken. Beispiel Covestro: „Daneben hat Covestro im November 2021 aufgrund der vorteilhaften Liquiditätssituation 500 Millionen Euro in das Pensionsplanvermögen (Metzler Trust e.V., Frankfurt am Main) eingebracht. Dies sichert die Pensionszusagen der Mitarbeitenden in Deutschland zusätzlich ab und reduziert gleichzeitig die Volatilität der Bilanzsumme“, ist im Geschäftsbericht zu lesen. Ob eine solche Dotierung in 2022 auch möglich ist? Das Planvermögen des Chemieunternehmens kam damit zum Jahresende auf 3,758 Milliarden Euro. Der Durchschnittswert der 36 Corporates lag Ende 2021 bei 7,5 Milliarden Euro.
Wie die Liquidität sind jedoch auch die Pensionsvermögen recht ungleich verteilt. So summiert sich das Planvermögen von Siemens auf 33,5 Milliarden Euro. Auf Platz zwei folgt BMW mit 25 Milliarden Euro – und liegt damit nun vor dem Konkurrenten Mercedes-Benz, der mit der Abspaltung der Trucks auch an Planvermögen verlor. Ebenfalls auf 20 Milliarden Euro und mehr kommen Eon, BASF und Bayer. Volkswagen rangiert mit 17,3 Milliarden vor Airbus und RWE auf dem sechsten Platz. Ebenfalls noch ein zweistelliges Milliardenvermögen hat die Deutsche Post anzulegen. Dagegen haben Hellofresh, Porsche, Qiagen und Zalando kein Pensionsvermögen ausfinanziert.
Die WTW-Experten berichteten, dass die Pensionsvermögen im Dax Mitte 2021 86 Prozent der Pensionsverpflichtungen ausmachten. Ein so hoher Ausfinanzierungsgrad sei zuvor noch nie erreicht worden. Es gibt Argumente für beide Ausfinanzierungs-Philosophien. So vertritt Vonovia den Standpunkt, dass man den Innenfinanzierungseffekt der Pensionsrückstellungen nutzen will und darum nur zu einem relativ geringen Teil Pensionsverpflichtungen mit Planvermögen hinterlegt. Dagegen betrachtet Siemens „als ein Hauptrisiko die Verschlechterung des Finanzierungsstatus aufgrund der ungünstigen Entwicklung des Planvermögens und/oder der leistungsorientierten Verpflichtungen als Folge sich verändernder Parameter“.
Ungünstigen Entwicklungen des Planvermögens vorzubeugen ist Aufgabe des Risikomanagements. Hierzu wartet Mercedes-Benz mit ein paar Standardfloskeln auf: „Die Planvermögen sind ausgehend von der erwarteten Entwicklung der Pensionsverpflichtungen mithilfe einer Risiko-Rendite-Optimierung auf verschiedene Anlageklassen gestreut, beispielsweise Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, alternative Investments und Immobilien.“ Zudem bestehe aber auch eine konzernweite Richtlinie, über die die Risiken der Kapitalanlagen limitiert werden, und lokale Regelungen für das Risikomanagement der einzelnen Planvermögen. „Eigenkapitalinstrumente“ kommen bei dem Autobauer auf knapp 30 Prozent, die nicht näher definierten alternativen Investments haben sich mit einer Quote von etwa zwei Prozent zu 2020 halbiert.
Auch andere Unternehmen machen zumindest einige wenige Angaben zum Risikomanagement. Infineon informiert über ein „festgelegtes Risiko“ über das die langfristige Gesamtkapitalrendite maximiert werden soll, RWE über ein „gegebenes Risiko“ und die Deutsche Börse über einen „Wertsicherungsmechanismus“. Covestro berichtet über die Simulation von Stressszenarien sowie weitere Risikoanalysen wie beispielsweise Value at Risk. Bei Siemens ist der Value at Risk Basis einer weltweit definierten Risikoobergrenze. Diese, sowie die Vermögensentwicklung einschließlich der Investmentstrategie, werde kontinuierlich unter Beteiligung von führenden externen Experten überprüft und angepasst. Zudem nutzt Siemens zur Risikoreduzierung Derivate. Überwiegend dienen diese der Sicherung des Zins- und Inflationsrisikos.
Dagegen setzt man bei Fresenius und FMC auf den Faktor Zeit. In Bad Homburg wird „berücksichtigt, dass es einen zeitlichen Horizont für investierte Mittel von mehr als fünf Jahren“ gibt. Wenn man jährlich bilanzieren muss, ist es in der Regel schwierig darauf zu setzen, dass die Zeit alle Wunden heilt – vor allem wenn die Investitionspolitik eine Aktienquote von rund 26 Prozent anstrebt. Allerdings sind die Planvermögen mit 583 Millionen bei Fresenius und mit 335 Millionen bei der Tochter FMC vergleichsweise klein. Dafür ist jedoch bei Fresenius das Planvermögen im Vergleich zu 2020 um gleich zwölf Prozent gewachsen.
Risikomanagement ist trotz der Auslagerung in Trusts wichtig. Schließlich sind jährlich Angaben für eine Kapitalanlage zu machen, bei der Aktien oft auf eine hohe Quote kommen. Auf etwa ein Viertel kommen neben Fresenius und FMC auch BASF, Bayer, Eon und Merck. Bei Eon ist die Aktienquote unter anderem mit einem von Lupus Alpha gemanagten Mandat für Small/Mid Caps bestückt. Volkswagen hat neben den „Eigenkapitalinstrumenten“ 32 Prozent in Aktienfonds investiert. Infineon kommt auf eine Aktienquote von 36 und Airbus sogar auf 40 Prozent.
Bemerkenswert ist, dass Airbus als einziger Dax-Corporate die Aktien in den Angaben auf „Europa“, „Rest of World“, „Emerging Markets“ und „Global“ weiter aufteilt. Die größte Aktienquote fährt jedoch die Deutsche Telekom: Bei der Telekom belaufen sich die Eigenkapitalpapiere mit einem Preis an einem aktiven Markt auf 5,3 Milliarden Euro beziehungsweise auf 67 Prozent. Lässt man die in diesem Posten enthaltenen Positionen an British Telecommunication außen vor, wären es immer noch 37 Prozent. Trotzdem zielt die Kapitalanlage-Strategie „grundsätzlich auf ein breit diversifiziertes Anlage-Portfolio ab“. Dieses soll über entsprechende Risikofaktoren und Diversifikation ein zur Gesamtzielsetzung passendes Risikoprofil generieren.
Zur Umsetzung der Aktienanlagen sind die Angaben der untersuchten Corporates spärlich. Aus den Angaben von Beiersdorf ist herauszulesen, dass in Aktien direkt und indirekt, aktiv und passiv investiert wird. Fresenius und FMC berichten von Indexfonds. Für Henkel sind Aktien, neben Private Equity und Immobilien, Teil eines Return-enhancing-Portfolios. Dieses hat den Zweck, als Beimischung die Risiken aus Gehaltstrends und Langlebigkeit abzudecken sowie die Deckungslücke zwischen Pensionsvermögen und -verpflichtungen langfristig zu schließen.
Interessant ist auch ein Blick auf die Alternatives. BMW fährt die Altersvorsorge auch über Absolute-Return-Fonds, genauso wie BASF. Linde verweist auf Liquid Alternatives, und damit auf ein Segment, das auf immerhin elf Prozent kommt. Airbus und Siemens haben keine Scheu, Absolute-Return-Fonds unter ihrem ursprünglichen Namen aufzulisten: Hedgefonds. Hedgefonds führt Siemens wie Private Equity und Immobilien unter den Alternatives. Zusätzlich gibt es auch eine Anlage in Multi-Strategie-Fonds, also Absolute-Return- und Diversified-Growth-Fonds. Ebenfalls nicht unüblich: Private Equity.
Weniger üblich ist dagegen, wie BMW Positionen in Impact-Fonds aufzubauen. Dazu berichtet BMW: „Die bisher vorgenommenen Investitionen in diesem Bereich beziehen sich neben dem Klimaschutz auch auf weitere von der UN festgelegte Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Im Berichtsjahr lag der Schwerpunkt der Investments auf der Transformation zu nachhaltigeren Städten und der Bewältigung der Folgen des Klimawandels.“ Impacts sind auch auf der obersten Führungsebene ein Thema. „Als globale Impact Company werden wir auch künftig den Unterschied machen“, lässt sich der Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse im Geschäftsbericht zitieren.
Eine Wirkung haben die Corporates wegen ihrer Volumina auf die Kapitalmärkte. Zudem wachsen die Planvermögen weiter. Der jüngsten Quarterly-Publikation von Kommalpha ist zu entnehmen, dass die Nettomittelaufkommen der Corporates im ersten Halbjahr 2022 bei vier Milliarden Euro lag. In 2021 waren es in den ersten sechs Monaten sogar fünf Milliarden. Für Asset Manager ist weiter interessant, dass Unternehmen in ihren Trusts relativ frei und die Quoten für die verschiedenen Asset-Klassen sehr konstant sind.
Autoren: Patrick Eisele In Verbindung stehende Artikel:
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