Der Quellensteuer-Automat
Die Rückerstattung ausländischer Quellensteuer ist insbesondere für steuerbefreite deutsche institutionelle Investoren ein Thema. Als Beispiel sind Stiftungen zu nennen. Banken können hier Partner sein. Sie profitieren von Fintechs, die Prozesse digitalisieren und damit Kosten sparen – zum Nutzen für die Banken, aber auch für Investoren.
Für institutionelle Investoren mit laufenden Verpflichtungen sind Assets mit regelmäßigem Cashflow wichtig. Insbesondere Stiftungen benötigen für ihre Förderseite fortlaufende Erträge aus ihren Kapitalanlagen. Dividendenaktien sind eine Möglichkeit, diese Erträge zu generieren.
Doch wer gut diversifizieren und einen Home Bias vermeiden will, stößt bei der Kapitalertragsteuer schnell an Grenzen. Das liegt daran, dass Stiftungen, sofern sie als gemeinnützig anerkannt sind, zwar von der Kapitalertragsteuer, der deutschen Abgeltungsteuer von 25 Prozent befreit sind, dies aber zunächst nur für deutsche Kapitalerträge gilt. „Bei gemeinnützigen Stiftungen ist der Steuerabzug nach Paragraf 44a Abs. 4 und 7 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vorzunehmen. Damit der Abzug unterbleibt, ist allerdings wichtig, dass die Stiftung der auszahlenden Stelle nachweist, dass sie gemeinnützig ist. Dafür genügt die Vorlage des Freistellungsbescheids, den die Stiftung vom Finanzamt erhalten hat“, erläutert Stefan Winheller, Fachanwalt für Steuerrecht und Gründer der Kanzlei Winheller die gängige Praxis der Freistellung über die sogenannte Nichtveranlagungsbescheinigung.
Was die Besteuerung im Ausland erzielter Kapitalerträge angeht, so existieren sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit vielen Ländern. Nach diesen können zum Beispiel Dividenden, die aus dem Ausland an deutsche Anleger gezahlt werden, mit einem günstigeren Quellensteuersatz belegt werden. „Nach dem DBA der Vereinigten Staaten mit Deutschland werden zum Beispiel maximal 15 Prozent Quellensteuer fällig. Sonderregelungen für gemeinnützige Stiftungen gibt es übrigens in aller Regel nicht“, weiß Fachanwalt Winheller.
Gibt es ein DBA, können Anleger die Differenz aus im Ausland erhobener Quellensteuer und der hiesigen Abgeltungsteuer zurückholen. Dazu ist in der Regel ein Antrag bei der zuständigen örtlichen Finanzbehörde im Ausland zu stellen. In der Regel wird die zuviel gezahlte Quellensteuer von der ausländischen Behörde rückerstattet. In manchen Fällen ist für deutsche institutionelle Investoren aber auch eine Vorabbefreiung möglich. „Anträge auf Erstattung und Vorabbefreiung, die nicht in allen Ländern möglich sind, sind immer sehr aufwändig und lohnen sich nur bei großen Summen“, so Fachanwalt Winheller.
Für Versicherungsunternehmen sind nach Informationen des GDV Dividenden aus Aktienstreubesitz steuerpflichtig. „Das gilt für in- und ausländische Dividenden gleichermaßen. Bei ausländischen Kapitalertragsteuern muss vorrangig im ausländischen Quellenstaat Erstattung oder Teil-Vorabbefreiung verlangt werden, zum Beispiel nach einem DBA“, so GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Bei der Rückerstattungspraxis von Relevanz ist aus Sicht des GDV auch folgendes Problem: Aus der EuGH-Rechtsprechung ergibt sich teilweise ein Quellensteuer-Erstattungsanspruch über die anwendbaren DBAs hinaus. „Es kommt vor, dass Quellenstaaten sich an die Rechtsprechung nicht gebunden fühlen und die Quellensteuererstattung verweigern. Die deutschen Finanzämter sehen demgegenüber den Quellenstaat in der Pflicht und verweigern wiederum die Anrechnung der Quellensteuer auf die deutsche Steuerschuld. Leidtragender ist dann letztlich der Steuerpflichtige, der entweder eine Doppelbesteuerung akzeptieren oder Rechtsstreitigkeiten oder lange Verfahrensdauern in Kauf nehmen muss“, erläutert Asmussen. Außerdem gestalte sich die allgemeine Rückerstattungspraxis oft mühsam und langwierig. Der GDV berichtet auf Nachfrage von langwierigen Verfahrensdauern in einigen südeuropäischen Ländern.
Die teilweise langen Verfahrensdauern von bis zu zehn Jahren beispielsweise in Italien kann Dieter Lehmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Volkswagen-Stiftung und zuständig für die Vermögensanlage, im Wesentlichen bestätigen. „Das Thema Quellensteuer ist in der Tat für die Volkswagen-Stiftung von Bedeutung. Grundsätzlich stellen wir sowohl für die eigenverwalteten als auch für die in unseren Spezialfonds gehaltenen Bestände Anträge auf Erstattung einbehaltener Quellensteuern, mit durchaus unterschiedlichem Erfolg. Mit einigen Länder haben wir auch eine grundsätzliche Vorabbefreiung vereinbaren können“, sagt Lehmann. Unterstützt werde man dabei von einschlägigen Beratungsgesellschaften. Die VW-Stiftung hat rund 50 Prozent ihres disponiblen Vermögens in Aktien angelegt. Europa, die USA und Kanada sind dabei Hauptzielregionen.
Software sorgt für Automatisierung
Anleger bei der Quellensteuerrückerstattung unterstützen wollen Fintechs, die die Verfahren automatisieren. So ist die Raquest GmbH aus dem Landkreis Rosenheim bei München mit einer gleichnamigen Softwarelösung seit längerem am Markt aktiv. Erster Partner auf Seiten der Banken war die LBBW, heute setzten weitere namhafte Institute wie die Commerzbank, die Berenberg Bank und die Liechtensteinische Landesbank Raquest zur Abwicklung ihres Quellensteuerprozesses ein. In den vergangenen Jahren sei die Anzahl der Länder, aus denen mittels Raquest Steuererstattungen vorgenommen werden können, stetig gestiegen, so Manfred Artmeier, Head of Growth bei der Raquest GmbH. Inzwischen decke die Software einen Großteil der internationalen Investitionsmärkte ab. „Ein Kernteam unserer Mitarbeiter beschäftigtsich ausschließlich mit der Analyse der Quellensteuerregeln der einzelnen Länder und führt zudem Gespräche mit den Finanzämtern vor Ort“, erklärt Artmeier. Wichtig sei zudem auch die Raquest-Community. „Diese besteht aus Spezialisten aus den einzelnen Banken, die sich mit ihrem Know-how einbringen und auf unserer Plattform ihre Kenntnisse und Erfahrungen teilen.“
Die Software muss zunächst in das Core-Banking-System integriert werden, von wo sie anschließend von den Angestellten der Finanzinstitute bedient werden kann. Hierfür müssen alle benötigten Daten bereits in einem wertpapierführenden System vorliegen. Mit Ländern wie der Schweiz kann der Rückerstattungsprozess bereits voll digital abgewickelt werden. Dort, wo die Finanzbehörden noch nicht digitalisiert sind, also für die Mehrheit der Investmentmärkte, erstellt die Software den physischen Antrag automatisch. Möglich ist das sowohl für die Rückerstattung als auch für die Vorabbefreiung der im Ausland gezahlten Quellensteuer. „Unsere Software kann beide Verfahren“. so Artmeier. Raquest bietet die Software Finanzinstituten an, aber auch Pensionskassen oder Versorgungswerke und größere Stiftungen kommen nach Aussage von Manfred Artmeier als Kunden in Betracht. Die Institute müssten abwägen, inwieweit sie die Quellensteuerproblematik betrifft. So kostet eine Jahreslizenz für die Software einen fünfstelligen Betrag.
Ein zweites Bezahlmodell funktioniere rein aufwandsbasiert, erhebt eine Gebühr pro Antrag und werde von Instituten mit kleinerem Volumen genutzt. Mit der Software ließen sich Personalkosten im Backoffice sparen und gleichzeitig die Kundenbindung stärken. Die LBBW bestätigt auf Nachfrage die Vorteile von Raquest für das Backoffice: „Grundsätzlich ist der Automatisierungsgrad durch den Einsatz von Raquest für das Back Office sehr hoch. Der Zeitaufwand pro Rückerstattungsantrag wird gegenüber einer manuellen Bearbeitung deutlich reduziert.“ Auch Fachanwalt Stefan Winheller hält Fintechs wie Raquest, für „in die Zeit passend“. Die Banken seien hier zwar die natürlichen Ansprechpartner für Stiftungen. „Manche haben die nötige Expertise, manche nicht. Manche sind teuer, manche günstig. Fintechs könnten ein starker Partner der Banken oder auch der Stiftungen selbst sein“, meint Winheller.
Ein weiteres Fintech, was sowohl B-to-B als auch B-to-C auf dem Markt unterwegs ist, ist Divizend. Dabei handelt es sich um ein deutsches Start-up, das sich im Corona-Jahr 2020 gegründet hat. Die Software für die automatische Quellensteuerrückerstattung muss im Fall von Divizend nicht installiert werden, sie ist cloudbasiert und könne von den betreffenden Instituten, Family Offices, aber auch Banken, Versorgungswerken oder Pensionskassen über den Webbrowser genutzt werden. „Wir haben die zugrundeliegende Wertpapier-Depot-Schnittstelle selbst gebaut“, erklärt CEO Thomas Rappold. „Entwicklungskosten und Kosten für die Implementierung der Software fallen weg.“
Bisher ist Divizend neben Deutschland stark im europäischen Ausland aktiv: Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg sind wichtige Zielländer. Divizend finanziert sich aus Gebühren auf die eingetriebenen Rückerstattungsbeträge. „Das Pricing ist natürlich abhängig vom Volumen. Wir verfolgen einen erfolgsorientierten Ansatz, aber die Gebühren können auch nach Transaktion oder als All-in-Fee mit dem institutionellen Investor gestaltet werden.“ Für Kleinanleger werden 17,5 Prozent vom Erstattungsbetrag erhoben. Voraussetzungen für die Nutzung der cloudbasierten Software ist eine Transaktionshistorie in den einzelnen Werten über die vergangenen vier bis fünf Jahre. Mögliche Formate seien Excel- und CSV-Dateien oder auch Pdfs. Das cloudbasierte Programm erzeugt die Antragsformulare automatisiert in der jeweiligen Landessprache. Mit Schweizer Pensionskassen arbeite man bereits zusammen, so Rappold.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien
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