Versicherungen
14. Februar 2018

Der Preis der Illiquidität

Immer länger, immer illiquider: Die Asset-Klassen und die Risiken im Portfolio von Versicherungen sind im Wandel. Auf zwei Veranstaltungen gaben die Alte Leipziger, die Gothaer, die SV, die Talanx, die VKB, die W&W und die Zurich Erfahrungsberichte und warfen einen Blick in die Zukunft.

Walter Botermann regt eine Änderung zum Betriebsrentenstärkungsgesetz an: „Normale Menschen brauchen in der Rentenbezugsphase Garantien, normale Menschen brauchen Sicherheit. Das Gesetz ist verbesserungswürdig.“ Dies teilte der Vorstandsvorsitzende des Alte Leipziger Hallesche Konzerns auf einer kurzweiligen Diskussionsrunde des Club of Finance mit.
Zur Erinnerung: Zum Bedauern der Assekuranz erteilte die Politik für das Betriebsrentenstärkungsgesetz ein Garantieverbot. Altersvorsorge brauche aber, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Ende Mai 2017, nicht nur eine Partizipation an den Chancen der Kapitalmärkte, sondern auch Schutz vor Risiken für ein Mindestmaß an Planbarkeit. Botermann geht auf jeden Fall davon aus, dass die Arbeitnehmervertreter nicht auf alle Garantien verzichten wollen. So oder so: Absehbar ist, dass Versicherungen Fixed-Income-Investoren bleiben werden.
Damit aber Versicherungen mit Fixed Income oder Bond Proxys heute noch auf ihre Kosten kommen, müssen Risiken in Kauf genommen werden. Anders als früher handelt es sich dabei allerdings heute weniger um Komplexitäten wie Verbriefungen, bei denen die Risiken nicht immer gleich offensichtlich waren, sondern um längere Laufzeiten. „Wir sind mehr und mehr in Illiquidität gegangen. Dafür haben wir aber heute weniger komplexe Strukturen“, erklärte Christof Kessler. Dass der Sprecher des Vorstands der Gothaer Asset Management, der das gesamte Portfolio Management der Gothaer inklusive Immobilien verantwortet, damit nicht nur das Gothaer-Portfolio, sondern auch einen Trend in der Branche beschreibt, zeigte ebenfalls im Club of Finance ein Statement von Dr. Thomas Mann.
Das Mitglied der Geschäftsführung der Talanx Asset Management erwähnte bezüglich Zins- und Kredit-Strukturen, dass Banken zwar gerne mehr solcher Produkte an Versicherungen verkaufen würden, dem jedoch mittlerweile der Neue-Produkte-Prozess (NPP) sowie ein weiter entwickeltes Risikomanagement entgegenstehen. Dies führt bei Versicherungen dazu, genauer hinschauen. „Tendenziell haben wir nun mit Infrastruktur, Private Equity und Immobilien ein anderes Risikoprofil“, so Mann. „Dabei handelt es sich nicht um einen Free Lunch, sondern um illiquide Assets, deren Preis insbesondere in der nächsten Krise auf dem Prüfstand steht und wo sich zeigen wird, wie gut die Assets dieser Belastungsprobe standhalten.“ Illiquide Assets und der Wirtschaftsprüfer Als bilanzsensitive Investoren ist für Versicherungen dabei insbesondere wichtig, wie gut die Assets zum Bilanzstichtag „halten“.
Für den vierten Versicherungsexperten auf der Club-of-Finance-Bühne, Dr. Peter-Henrik Blum-Barth, ist eine künftige „Bewertungskrise“ nicht ausgeschlossen. Bei fallenden Aktienkursen sind die bilanziellen Auswirkungen unmittelbar sichtbar, aber auch illiquide Anlagen werden dann mittelbar betroffen sein. „Welche Werte wird der Wirtschaftsprüfer bei illiquiden Assets ansetzen? Die Modellpreise in den Büchern könnten zu einem unterschätzen Risiko für Bilanz und Branche werden“, warnt der Kapitalanleger der SV Sparkassen-Versicherung. 
Um dieser möglichen Problematik vorzubeugen, empfiehlt Blum-Barth, „Mittel und Wege zu finden, um effizient Reserven zu thesaurieren“. Für erkennbare Bilanzrisiken versucht die SV Sparkassen-Versicherung sehr frühzeitig Vorsorge zu treffen. Dies macht auch deshalb Sinn, da Reserven bei einem etwaigen Zinsanstieg schnell schwinden. Um aber weiterhin auch auf ausreichende laufende Erträge zu kommen, tätigt die in Stuttgart ansässige Versicherung – wie auch die Talanx und die Gothaer – bei attraktiven Renditen Vorkäufe, kauft also Neuemissionen mit bereits fest vereinbarten Konditionen auf Termin. Vorgekauft werden lange Laufzeiten mit guten Bonitäten. „Wenn der Zins steigt, führt dies zu einem höheren Anteil illiquider Festzinstitel aufgrund der stillen Lasten. Unsere Handlungsoptionen werden durch die lange Duration immer geringer“, sagte Thomas Mann. 
Attraktiv dank Anlagenotstand und Basel III: Private Debt 
Um illiquides Fixed Income in Reinform handelt es sich bei Private Debt. Diese Anlageklasse lebt vom Anlagenotstand und Basel III. Speziell für Versicherungen ist Private Debt wegen der Illiquiditätsprämie, der geringen Volatilität, der langen Laufzeit, den Diversifikationseigenschaften und den laufenden Ausschüttungen grundsätzlich attraktiv. Versicherungen und Banken müssen nur noch zusammenfinden. Welche Haken hat aber Private Debt? Szenenwechsel vom Frankfurter Intercontinental zum Frankfurter Hof, wo ebenfalls im September eine Private-Debt-Veranstaltung des Süddeutschen Verlags tagte: Dort tauschte sich eine andere Versicherungsrunde, moderiert von BAI-Geschäftsführer Frank Dornseifer, explizit zu den Besonderheiten dieser Asset-Klasse aus.
Die Kehrseite der Private-Debt-Medaille ist offensichtlich: „Eines Tages könnte sich einmal die Liquiditätsfrage stellen“, so Dr. Michael Leinwand, Chief Investment Officer der Zurich Gruppe Deutschland. Gerade bei einer hohen Stornoquote kann diese Frage schnell zu einem realen Stresstest ausarten. Der Grundsatz, je mehr Liquidität, desto mehr Kapazität für Illiquides, ist für Leinwand ein wichtiger Aspekt der Unternehmensteuerung – zu dem Solvency II (interessanterweise) allerdings nichts sagt –, der in den Investmentprozess eingebettet werden muss und eine enge Abstimmung zwischen Kapitalanlagemanagement und Aktuariat erfordert. 
Die vom Illiquiditätsaspekt abgeleitete Frage ist, inwiefern dieses Risiko kompensiert wird? Die Renditen sind eher überschaubar, für den gesunkenen Rechnungszins aber ausreichend. Leinwand: „Ein Return von 2,5 Prozent ist auskömmlich, wenn die Qualität der illiquiden Anlagen derart ist, dass man strategisch im großen Stil allokieren kann.“ Für die Zurich stellt Private Debt ein strategisches Investment dar. Knapp vier Prozent der 33 Milliarden Euro der deutschen Zurich-Tochter sind beispielsweise in den vergangenen anderthalb Jahren in Commercial Real Estate, Infrastructure Debt und Corporate Lending geflossen.
Die Alternative zu diesem neuen Core-Baustein wäre, höher rentierliche Mezzanine-Satelliten zu bestücken. Zufrieden zeigt sich Leinwand insbesondere mit den Bereichen Infrastruktur Debt und Commercial Real Estate Lending. Hier bestehe ein Fit zu den Kriterien „ALM“, „Risikomanagement“, „Marktanalyse“ sowie „operative Handelbarkeit“. Commercial Real Estate passt auch deshalb, weil die Versicherung seit Jahrzehnten im Hypothekengeschäft tätig ist und das Finanzierungsgeschäft im gewerblichen Bereich als gute Ergänzung sieht. Investiert wird mit Unterstützung von Asset Managern, da die einzelnen Segmente sehr unterschiedlich sind. 
Leinwand nennt als Beispiele für die Breite des Infrastrukturbereichs Social Housing und Offshore-Windparks. „Der Markt wird breiter und komplexer, es braucht professionelle Hilfe für die notwendigen Segment- und Projektanalysen. Also gehen wir über Asset Manager und haben dafür die nötigen nachgelagerten Prozesse aufgebaut.“ Auf den Weg gegeben werden dem Asset Manager bestimmte Guidelines. „Die Hausaufgaben – Prozesse, Kennzahlen, Reportings – müssen am Anfang gemacht werden. So kann man als Versicherer sicherstellen, immer ausreichend informiert zu werden“, erläuterte Zurichs Michael Leinwand.
Ob sich die Beschäftigung mit einer Asset-Klasse und der Aufbau notwendiger Strukturen lohnt, hängt neben der Rendite auch davon ab, ob langfristig genug Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dealsourcing ist bei Private Debt kritisch. Wenig überraschend wären für Leinwand geringere regulatorische Eigenkapitalanforderungen wünschenswert. Dieses Thema sei aber „eher nachgelagert“, so Leinwand, der hierzu einmal auf die hauseigenen Risikokennzahlen verweist und zweitens darauf, dass auch mit anderen Eigenkapitalquoten für die Unterlegung, das Angebot an Assets nicht größer werden würde.
„Es bräuchte mehr Dealflow, die Pipeline ist nicht besonders voll. Darum ist das Set-up der Asset Manager wichtig, um auf Investorenseite sicherzugehen, dass er sich mit seinem Team auch in wachsenden sowie sich verändernden Marktphasen erfolgreich agieren wird. Wichtig ist aber auch, sich gemeinsam mit dem Asset Manager weiterzuentwickeln, um sich Dealflow aus ganz Europa zu erschließen“, so Michael Leinwand. Ein Asset Manager hilft auch, nicht nur nach Regionen, sondern auch nach Sektoren breit diversifizieren zu können. Für Asset Manager spricht aus Leinwands Sicht aber noch ein anderer Grund: „Asset Manager arbeiten unter hohem Zeitdruck. Und wenn ich da an unsere internen Prozesse denke … .“ 
Mit einer simplen Auslagerung ist es allerdings nicht getan. Interne Expertise zu Loans bezüglich Risiken, Regulatorik, Steuerrecht, Bilanzierung ist genauso erforderlich wie eine fähige KVG und Verwahrstelle. Leinwand: „Es braucht viele Rädchen, um diese Asset-Klassen aufzusetzen. Aber wenn man alles einmal aufgesetzt hat, dann funktioniert es auch künftig.“ 
„Langfristig ist wichtig, ob die Asset Manager liefern können“, betont auch Eugenio Sangermano, Investment Manager bei W&W Asset Management. Im Jahr 2013 fiel bei der Wüstenrot & Württembergische (W&W) der Startschuss für Private Debt. Damals sprach für die Zugangsvariante via Fonds auch, möglichst zügig ein diversifiziertes Basisportfolio aufbauen zu können. Administriert werden die Fonds künftig auf einer Plattform in Irland, auf der sich derzeit zwei Subfonds befinden. Ein Subfonds dient als Fund-of-Funds für Debt-Zielfonds, der andere Subfonds als Managed Account für großvolumigere Assets. Die W&W betrat mit dieser Asset-Klasse Neuland.
„Neu war für uns, bei Corporate Debt mit Mittelständlern Schuldner ohne Kapitalmarktzugang im Bestand zu haben. Blind Pools waren für uns im Credit-Bereich ebenfalls neu. Somit haben wir diesbezüglich Asset Manager und nicht Schuldner zu beurteilen. Lending ist somit eher mit Private Equity vergleichbar“, beschreibt Sangermano die Lernkurve der W&W. Bevor Sangermano bei der W&W Asset Management in die Abteilung für alternative Investments wechselte, verantwortete er für den Asset Manager der W&W-Gruppe unter anderem einen internationalen Rentenfonds. 
Versicherungskammer sourct Deals bei Sparkassen
Für einen anderen Zugangsweg als die Zurich und die W&W entschied sich die Versicherungskammer Bayern. „Wir haben einen eigenen Infrastrukturfonds, bei dem wir auch selbst über die einzugehenden Assets entscheiden“, erklärte Georg Distler. Das Commitment der Münchner Versicherung zu Debt lässt sich aber nicht nur in der Wahl dieser arbeitsintensiven Zugangsvariante ablesen, sondern auch daran, dass Distler zuvor als Hauptabteilungsleiter Zinsanlagen amtierte und sich seit Anfang 2016 zusammen mit drei weiteren Mitarbeitern hauptberuflich um Infrastructure Debt kümmert.
Mittlerweile hat die Versicherungskammer, die insgesamt etwa 50 Milliarden Euro an Assets verwaltet, circa 700 Millionen Euro in Infrastructure Debt inklusive Erneuerbare Energien investiert. Ein solches Volumen ist auch deswegen nötig, da ein Einzel-Asset einen Wert von mindestens 20 Millionen Euro aufweisen soll. Distler: „Je komplexer, desto größer muss das Volumen sein, damit sich für uns der Aufwand lohnt.“
Involviert werden in die Anlageentscheidungen auch zum Beispiel im Falle eines Immobilieninvestments die Immobilienfachleute der Versicherungskammer und der Vorstand, der über Vetorechte verfügt. Das Dealsourcing kann die Versicherungskammer unter anderem im Verbund bei den Sparkassen betreiben. „Wir sind das Ventil für deren langlaufende Finanzierungen, die Banken und Sparkassen derzeit aufgrund von Basel-III-Regelungen schwierig umsetzen können, während wir als Versicherung genau diese Laufzeiten suchen. Diese Nachfrage nimmt immer stärker zu“, so der Head of Infrastructure Debt. Perspektivisch vorstellbar ist für Georg Distler, künftig stärker auf der Eigenkapitalschiene zu fahren, da viele Investments durch Solvency II begünstigt sind. Einige kleine Eigenkapitalpositionen befinden sich im Rahmen von Private Equity Investments bereits im Portfolio der Versicherungskammer. 
Zurück ins Intercontinental Hotel in den Club of Finance: Auch dort wurde über Infrastruktur diskutiert und auch dort wurde betont, dass der Zugang ein Engpass ist. Thomas Mann von der Talanx, die auch selbst Assets selektiert: „Der Markt ist heiß umkämpft, es braucht ein Netzwerk. Auch dadurch wird diese Asset-Klasse nicht für die ganze Branche reichen“, so Mann. „Infrastruktur ist eine Ergänzung der Kapitalanlage, aber kein Problemlöser oder gar die Rettung.“ 
In der von Paul Wessling vom Berater Faros moderierten Gesprächsrunde zwischen Talanx, Alte Leipziger, Gothaer und SV Sparkassen-Versicherung wurde außerdem deutlich, dass es auch immer mehr auf einen engen und guten Dialog ankommt. Insbesondere mit der Bafin, Aktuaren und bezüglich des Betriebsrentenstärkungsgesetzes mit den Sozialpartnern. Eine für Walter Botermann wesentliche Komponente für die nahe Zukunft ist aber außerhalb des Einflusses aller Gesprächspartner: „Wichtig ist, dass wir in einem Jahr noch Fußball-Weltmeister sind. Das schafft nämlich Optimismus.“ 
portfolio institutionell, Ausgabe 10/2017
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