Pensionsfonds
29. Januar 2015

Der deutsche Inselstaat und die Europatauglichkeit

Man kann damit leben. So lautet das Urteil der deutschen bAV-Branche­ über den neuen Entwurf zur Pensionsfondsricht­linie, der am Ende eines regelrechten Schlingerkurses steht. Aus dem Schneider­ sind Pensionsfonds und Pensionskassen aber längst nicht. Hinter den Kulissen schwelt noch immer das Thema Eigenkapitalvorschriften.

Die Arbeiten an der neuen Pensionsfondsrichtlinie nähern sich dem Finale. Im Dezember vergangenen Jahres hat der Europäische Rat den modifizierten vierten Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsidentschaft verabschiedet, so dass im ersten Halbjahr dieses Jahres der parlamentarische Prozess voranschreiten kann. Voraussichtlich wird die Richtlinie unter lettischem Vorsitz im Ministerrat der EU – sprich im ersten Halbjahr dieses Jahres – durch sein.

Zunächst die gute Nachricht: Es hätte schlimmer kommen können. „Die Entwicklungen seit dem Entwurf zur Pensionsfondsricht­linie vom März 2014 waren erfreulich. Nun kann man sagen: Man kann damit leben“, resümiert Georg Thurnes, Chefaktuar bei Aon Hewitt.­ Lobend hebt er unter anderem die Änderungen an der dritten­ Säule hervor: „Die undifferenzierten und pauschalisierten Berichtspflichten gegenüber den Berechtigten wurden deutlich entschlackt. Vieles wird nun an die Kompetenz der Mitgliedsstaaten verwiesen.“­ Die Auffassung, dass der vorliegende Entwurf nunmehr in die ­richtige Richtung geht, teilt auch Alfred Gohdes. Der Chefaktuar­ von Towers­ Watson begrüßt insbesondere den Verzicht auf delegierte Rechtsakte, die im ursprünglichen Entwurf sowohl in der ersten als auch der ­zweiten Säule vorgesehen waren: „Ohne delegierte Rechtsakte wird der euro­päischen Aufsichtsbehörde Eiopa die Möglichkeit genommen, willkürlich Änderungen oder Ergänzungen an der Richtlinie vorzunehmen. Sie muss nun den parlamentarischen Prozess einhalten.“ Positiv­ wertet Gohdes darüber hinaus, dass die „Fit and Proper“-Anforderungen an zentrale Funktionen nunmehr realistisch ­ausbalanciert sind. Auch die ursprünglich im Entwurf vom März 2014 angedachte Trennung­ zwischen Funktionsträgern bei dem Trägerunter­nehmen und der Pensionseinrichtung, die in der deutschen bAV-Branche für reichlich Unverständnis gesorgt hatte, hat zur Freude ­beider Aktuare eine Abmilderung erfahren. „Das Regel-Ausnahme-Verhältnis hat sich umgekehrt. Man muss nun beschreibend erklären, warum es kein Problem ist, dass die Funktionen nicht getrennt sind“, erläutert Thurnes.

Nichts fundamental Überraschendes
Auch Bernhard Wiesner, Senior VP Corporate Pensions bei Bosch und einer der größten Kritiker der Funktionstrennung, zeigt sich über die neue Regelung zufrieden: „In Ansätzen ist die Funktionstrennung zwar noch in dem jetzigen Vorschlag enthalten. Aber man kann damit leben, wie es jetzt geregelt ist.“ Auch insgesamt ist er mit dem jetzigen Stand der Richtlinie zufrieden: „In der Regelung ist nichts fundamental Überraschendes. Es ist die Weiterentwicklung der IORP-I-Richtlinie, die 2005 in nationales Recht umgesetzt wurde.“ Als Schritt in die richtige Richtung sieht er unter anderem, dass in dem Vorschlag erstmals eine Aussage zur triangulären Beziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Pensionseinrichtung enthalten ist und diese als tragendes Prinzip anerkannt wird. Ferner seien­ einige­ definitorische Fortschritte gemacht worden. So werden Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) nicht mehr explizit­ als Finanz­dienstleister bezeichnet, sondern als „pension institution­ with a special purpose that provide financial services“. Restlos zufrieden mit dieser neuen Formulierung ist der Chefaktuar von Towers Watson allerdings nicht. Gohdes stört vor allem der angehängte Nebensatz. Denn damit ist der Begriff „Finanzdienstleister“ letztlich doch noch nicht gänzlich aus dem Entwurf verschwunden. „Damit ist die Solvency-­II-Debatte noch nicht vom Tisch. Die Tür ist noch halb offen“,­ merkt auch Hans Dieter Ohlrogge, Chef der Pensionskasse­ und des Pensions­fonds der IBM in Deutschland, an. „Wir sind keine­ Finanzdienstleister, sofern es sich um Unternehmenseinrichtungen handelt. Diese Einrichtungen haben immer ein Trägerunternehmen, das mit einsteht, und sie müssen keine Gewinne erzielen. Es soll die Finanzierung sichergestellt werden, und das möglichst günstig“, fügt er hinzu. Auch Aon-Hewitt-Chefaktuar Thurnes weist darauf hin: „Hinter dieser Wortklauberei steckt viel mehr, als man zunächst vielleicht denkt. Denn wenn von Finanzdienstleistern die Rede­ ist, kommt ganz schnell das Thema Verbraucherschutz auf. Das ist für Versicherungen richtig, aber nicht für die bAV. Der Rechtsrahmen für EbAV ist das Arbeits- und Sozialrecht, was in der bAV auch dem Verbraucherschutz entsprechende Aufgaben übernimmt.“ 

   
Schlingerkurs um eine Definition
Um die Definition von EbAV gab es in den vergangenen Monaten ein ständiges Auf und Ab. Während im ursprünglichen Richtlinien­entwurf vom März 2014 Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung im sogenannten Erwägungsgrund Nummer 20 als Finanz­dienstleister definiert wurden, folgte ein halbes Jahr später eine erste Kehrtwende. Die italienische Ratspräsidentschaft bezeichnete­ EbAV in ihrem zweiten Kompromissvorschlag vom Oktober als Pensionseinrichtungen. Die bAV-Branche jubelte – allerdings zu früh. Kurze Zeit später folgte die Rolle rückwärts; und so war im dritten Kompromissvorschlag wieder alles beim Alten. Aber auch dies währte­ – zum Glück – nicht lang. „In den Kompromissvorschlägen ging es hin und her. Jetzt ist die Bezeichnung ‚Finanzdienstleister‘ noch halb drin. Das ist ein Kernpunkt, der in Zukunft wichtig sein wird“, meint Gohdes. Denn eines darf an dieser Stelle nicht außer Acht gelassen werden: Eiopa verfolgt weiterhin das Ziel, für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung Eigenkapitalvorschriften zu entwickeln – auch wenn diese im derzeitigen Entwurf zur Pensionsfondsrichtlinie nicht enthalten sind und es dafür keinen politischen Auftrag gibt.

Jugend forscht
Mitte Oktober hat die europäische Aufsichtsbehörde Eiopa ein Konsultationspapier zur Holistic Balance Sheet (HBS) vorgelegt, zu dem die Branche bis 13. Januar dieses Jahres Stellung nehmen konnte.­ „Es handelte sich um circa 230 Seiten und 111 Fragen, an denen unter anderem auch wir Aktuare gearbeitet haben“, so Gohdes, der die Arbeits­weise der Führungsebene der obersten Regulierungsbehörde in Europa mit „Jugend forscht“ umschreibt. Der Grund: In dem Konsultationspapier finden sich sechs Vorschläge zur HBS, die vom Status­ quo, sprich keine Eigenkapitalvorschriften, bis hin zu Solvency II reichen. „Für Einrichtungen der bAV ist Solvency II absolut unpassend. Erstaunlich ist, dass drei von den fünf neuen Modellvorschlägen grundlegende Eigenschaften von Pensionseinrichtungen völlig vernachlässigen“, merkt Gohdes an. „Von keinem der sechs Vorschläge­ würden wir sagen: Das macht Sinn. Es ist alles noch zu sehr an der Oberfläche, es fehlt die Detailschärfe“, erklärt Thurnes.­ Der Chef­aktuar von Aon Hewitt fordert mehr Klarheit und erinnert noch einmal­ an drei Aspekte in Deutschland, die eine HBS zum Ausgleich bringen: Sponsor-Support, Pensionssicherungsverein (PSV) und die Sanierungsklausel. Thurnes findet aber auch lobende Worte für das Konsultationspapier: „Viele Punkte, die bei der ersten QIS kritisiert wurden, sind nun akribisch ausgearbeitet.“ Ähnlich äußert sich sein Kollege von Towers Watson: „Auf fachlicher Ebene wurde das Konsultationspapier professionell und mit viel Sorgfalt erstellt. Das konnte­ man von den früheren Papieren nicht sagen.“ Das Problem sei aller­dings, dass die Führungsebenen bei Eiopa und bei der Kommission­ nach wie vor wohl Solvency II für das Beste halten. „Im Frühjahr kommt auf Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge die zweite QIS zu“, merkt der bAV-Fachmann der IBM an. Ohlrogge mahnt: „Solvency­ II würde das Ende der extern finanzierten Neuzu­sagen ­bedeuten. Das läuft der eigentlichen Intention, nämlich die bAV zu stärken, entgegen.“

Nur sechs Jahre bis zur Überprüfung  
Der Kampf gegen Eigenkapitalvorschriften ist für EbAV also längst nicht gewonnen – auch wenn im derzeitigen Entwurf der Pensionsfondsrichtlinie nichts davon zu finden ist. Dessen ist sich auch Bernhard Wiesner sehr wohl bewusst: „Die Richtlinie hat zwar klare Inhalte.­ Das Thema Eigenkapitalvorgaben ist damit aber noch nicht beseitigt.“ Er weist darauf hin, dass bereits nach sechs Jahren eine Überprüfung der Richtlinie vorgenommen werden soll. „So wie es aussieht, wird es dann um die quantitativen Vorgaben gehen“, fürchtet auch Thurnes. Für EbAV besteht also weiterhin eine gewisse ­Un­sicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen. Angesichts dessen stellt sich die Frage: Wie sieht die Zukunft der bAV aus? Wird sich der Pensionsfonds als noch recht junger Durchführungsweg in der deutschen bAV-Landschaft nachhaltig etablieren können?

Bislang kann davon kaum die Rede sein. Der Pensionsfonds, für den 2001 der rechtliche Rahmen geschaffen wurde, konnte sich bisher nicht durchsetzen. Nur rund fünf Prozent der Deckungsmittel in Deutschland – rund 30 Milliarden Euro – entfallen derzeit auf Pen­sionsfonds. Der dominante Durchführungsweg ist nach wie vor die Direkt­zusage mit einem Anteil von 52 Prozent. „Davon sind etwa zwei Drittel extern mit einem Contractual Trust Arrangement (CTA) unterlegt. Jedes Dax-Unternehmen hat ein CTA, auch wenn nicht alle komplett­ ausfinanziert sind“, erläutert Dr. Klaus Mössle, Leiter des institutionellen­ Geschäfts bei Fidelity in Deutschland. Dass dieses ­Vehikel bei größeren Unternehmen als Ausfinanzierungsinstrument für Pensionszusagen so beliebt ist, verwundert nicht. Denn durch die Einrichtung eines CTA ändert sich für die Unter­nehmen nicht allzu viel. Arbeits-, handels-, lohn- und unternehmenssteuerrechtlich bleibt es bei der Direktzusage. Eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer und eine­ Änderung des Leistungsplans sind nicht erforderlich. Einen weiteren großen Vorteil des CTA gegenüber Pensionsfonds sieht Mössle nicht zuletzt im regulatorischen Rahmen: „Das CTA fällt nicht unter die Anlageverordnung des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder die EU-Pensionsfondsrichtlinie und lässt sich frei gestalten. Es ist eine Treuhand, deren Governance qualitativ der eines Pensionsfonds nahekommt. Eine hohe Aktienquote ist beim CTA möglich, während der Pensionsfonds selbst eine relativ niedrige Aktienquote von 30 Prozent nicht halten könnte, wenn tatsächlich Eigenkapitalvorschriften wie für Versicherungen kommen. Wenn ich zu einer suboptimalen Anlage­ gezwungen werde – sei es aus regulatorischen Gründen oder Eigen­kapitalgründen –, dann kostet das Geld“, merkt Mössle an. Doch ­genau das sei ein Knackpunkt. „Je effizienter ich die bAV gestalten kann, desto günstiger wird sie für alle Beteiligten“, erklärt Mössle. Auch Fidelity­ Deutschland selbst hat die Pensionszusagen für seine Mitarbeiter über ein CTA ausfinanziert.

Flexibler als der Pensionsfonds zeigt sich das CTA auch in einem weiteren Punkt: bei der Einbringung von Mitteln. „Für einen­ Pensions­fonds brauche ich liquide Mittel. Bei einem CTA bin ich grundsätzlich flexibel hinsichtlich der Assets, die ich einbringe, solange es dafür eine­ Bewertungsmöglichkeit gibt“, erläutert Dr. Nicolas­ Rößler, der als Rechtsanwalt bei Mayer Brown Unternehmen bei der Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen in CTA und Pensionsfonds begleitet. „Das CTA kann deshalb besser auf die individuelle Situation­ eines Unternehmens passen als der Pensionsfonds“, berichtet er. Wie ­immer gibt es aber auch hier zwei Seiten einer Medaille. „Das CTA ist faktisch wie eine Bilanzrückstellung. Es kommt allerdings sehr darauf an, wie ich diese bedecke. Auch die Größe des CTA spielt eine Rolle. Wenn das CTA einen nennenswerten Teil der Bilanz umfasst und Verluste macht, fließt das direkt in die GuV ein und kann da sehr wehtun“, merkt Ohlrogge an, dessen Unternehmen IBM über sämtliche Durchführungswege – also auch ein CTA – verfügt.  

Direktzusage ist eine einsame Insel
„Die Direktzusage ist ein sagenhaft flexibles Instrument und eine­ Erfolgsstory – zweifellos. Aber wir sind in Europa damit langfristig auf einer einsamen Insel“, gibt Wiesner zu bedenken. Denn in der Tat sind Direktzusagen und CTA mit ihrer Rechtsbeziehung, in der das Unternehmen direkt und unmittelbar für die Pensions­verpflichtungen gerade steht, eine deutsche Spezialität, die sich nirgen­dwo sonst in Europa findet. „Viele europäische Mitgliedstaaten sehen die Direktzusage als deutsche Arbitrage“, so Wiesner. In einem immer­ stärker ­zusammenwachsenden Europa sieht er für dieses Unikum langfristig keine rosigen Zukunftsaussichten: „Die deutsche Regierung­ will die Harmonisierung der Unternehmens­besteuerung in Europa vorantreiben. Die Direktzusage lebt jedoch von einer Bestimmung,­ nämlich dem Paragrafen 6a Einkommensteuergesetz. Man muss rechtzeitig die Weichen stellen, damit keine Brüche entstehen.“­

Bosch hat dies frühzeitig getan und 2002 als erstes deutsches Unter­nehmen einen Pensionsfonds aufgesetzt, der inzwischen im Kern der deutschen bAV steht. „Es gab zwei Gründe, warum wir uns damals für den Pensionsfonds entschieden haben. Erstens sollte die Teilsubstitution der gesetzlichen Rente durch die kapitalgedeckte Alters­vorsorge der zweiten Säule, die mit der Riester-Gesetzgebung 2001 eingeläutet wurde, nicht unmittelbar in der Unternehmens­bilanz stattfinden. Zweitens wollten wir ein Finanzierungsinstrument, von dem wir glauben, dass es in Europa in der Perspektive des Prudent-Person-­Konzeptes die größte langfristige Nachhaltigkeit aufweist“, erklärt Wiesner. „Der Pensionsfonds erschien uns das geeignete­ Vehikel, um eine echte Ausfinanzierung einzuläuten“, fügt er hinzu. Dass der Pensionsfonds zum damaligen Zeitpunkt noch mit jeder Menge Problemen behaftet war, nahm der Technologiekonzern aus Stuttgart in Kauf. „Wir haben unseren Beitrag geleistet, damit sich die Rahmenbedingungen verbessern“, so Wiesner.

Erste Erfolge dieser Bemühungen wurden 2006 in der siebten Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz sichtbar. Seither können Unternehmen ihre Verpflichtungen mit einem realistischen Zinssatz ausfinanzieren und müssen nicht mehr bindend den versicherungsförmigen Garantiezins heranziehen. Diese rechtliche Änderung war unter anderem ausschlaggebend dafür, dass Siemens 2006 einen eigenen­ Pensionsfonds gründete – zusätzlich zu seinem bereits bestehenden CTA. Für Unternehmen war die Anwendung des niedrigen Zinssatzes in den vorher vorgeschriebenen versicherungsförmigen Pensionsplänen unattraktiv, weil diese mit zu hohen finanziellen Belastungen verbunden waren. „Die Möglichkeit, einen marktgerechten Zins zu verwenden, bedeutet allerdings ein höheres Risiko. Diese Tarife­ sind für den Arbeitgeber nachschusspflichtig“, erläutert Rößler. Unternehmen, die eine­ Ausfinanzierung planen, müssen seines Erachtens genau abwägen, wie hoch sie diesen ansetzen: „Je höher man den marktgerechten Zins ansetzt, desto günstiger wird es im ersten Schritt. Das bringt aber nichts, wenn er zu hoch gewählt wurde und nicht erreicht wird.“ Denn dann besteht Nachschusspflicht. Erschwerend hinzu kommt das derzeitige Zinsumfeld. „Das Niedrigzinsumfeld macht den Pensionsfonds teurer, weil der marktgerechte Zins immer niedriger wird“, so Rößler. Das lässt sich auch nicht mit dem im Vergleich zum CTA deutlich geringeren Beitrag für den Pensionssicherungsverein (PSV) kompensieren. Arbeitgeber, die ein CTA nutzen, müssen den vollen Beitrag zahlen, wer bAV über einen­ Pensions­fonds durchführt nur 20 Prozent. „Der PSV-Beitrag ist in der Regel kein echter wirtschaftlicher Faktor – außer in einem Jahr wie 2009“, so Rößler. Zur Erinnerung: 2009 meldete Arcandor­ Insolvenz an.

Auch im vergangenen Jahr konnte die bAV-Branche einen weitere­n Teilerfolg für den Pensionsfonds verzeichnen. Mit der VAG-Novelle von 2014 haben sich die Bestimmungen zur Auszahlungsphase verbessert.­ Nach dem geänderten Paragrafen 112 VAG kann die Renten­zusage beim Pensionsfonds nun mit einem vollständigen Kapitalwahlrecht verbunden werden. In der Vergangenheit schrieb der Pensions­fonds eine­ Verrentung vor.

CTA von heute sind Pensionsfonds von morgen
Dass die Entscheidung zugunsten eines Pensionsfonds richtig war, daran hegt Bernhard Wiesner keinerlei Zweifel. „Unser ehemaliger Finanzvorstand hat einmal gesagt: ‚Die CTA von heute sind die Pensionsfonds von morgen.‘ Diese Aussage würde ich uneingeschränkt unterschreiben“, so der bAV-Experte von Bosch. Gesetzlich ist die Übertragung von Direktzusagen auf Pensionsfonds im Betriebs­rentenrecht vorgesehen, in der Praxis allerdings ein nicht zu ­unterschätzender Kraftakt. Aus eigener Erfahrung weiß Wiesner zu berichten: „Aktive Mitglieder zu übertragen, ist keine Banalität. Man muss an den Versorgungsplänen arbeiten und mit den Betriebsräten sprechen. Es müssen gemeinsame Konzepte entwickelt werden.“ Deutlich einfacher lässt sich ein Rentnerbestand übertragen, da hierfür niemand gefragt werden muss. Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Großteil der Gelder in Pensionsfonds derzeit für Rentner ist. „Das CTA wird für aktive Mitglieder und der Pensionsfonds für den Renten­bestand genutzt. Diese Vorgehensweise macht Schule“, berichtet der Fidelity-Geschäftsführer Mössle. Namenhafte Beispiel sind RWE, MAN und Siemens. Umfasst der Pensionsfonds jedoch ausschließlich den Rentnerbestand, muss dieser jederzeit voll gefunded sein, auch wenn gegenüber Pensionskassen kleinere Abweichungen erlaubt sind. „Wenn man immer zu 100 Prozent ausfinanziert sein muss, wie das bei Pensionskassen der Fall ist, lassen sich Volatilitäten nur schwer aushalten. Man wird in niedrig rentierliche Anlagen ­gedrängt. Angesichts des Niedrigzinsniveaus müssten Pensions­kassen jedoch eigentlich stärker Risiken aushalten können, um ­ertragreicher zu sein“, berichtet Ohlrogge. Der Pensionsfonds von IBM hat, ähnlich wie einige andere, allerdings nicht nur den Rentnerbestand über­tragen, sondern auch aktive Mitarbeiter. „Bei aktiven ­Mitarbeitern muss nicht voll ausfinanziert werden“, erläutert Ohl­rogge, auch wenn dies in seinem Haus der Fall ist.   
        
Nicht nur aufwandsseitig, sondern auch steuerlich lässt sich der Rentnerbestand leichter auf einen Pensionsfonds übertragen. „Für alles,­ was in der Vergangenheit stattfindet, ist der Pensionsfonds ein attraktives Vehikel. Die past services sind steuerlich bevorteilt“, erläutert Rößler. Anders sieht es für Versorgungszusagen aktiver Versorgungsberechtigter aus. Der steuerfreie Beitrag ist auf vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt. „Damit stößt man schnell an Grenzen, insbesondere wenn man auch die Geschäftsführung mit einbeziehen will“, erklärt der Rechtsanwalt von Mayer Brown. „Mit der Vier-Prozent-Beitragsbemessungsgrenze bekommen Sie keine durchgehende Versorgung für eine komplette Belegschaft hin. Wenn Sie eine­ Pensionskasse oder einen Pensionsfonds nutzen wollen, brauchen Sie immer noch etwas dazu: eine Unterstützungskasse oder Direkt­zusage“, stößt Aon-Hewitt-Chefaktuar Thurnes in dasselbe­ Horn. An dem entsprechenden Paragrafen im Einkommensteuer­gesetz versucht die bAV-Branche schon seit langem, etwas zu ändern – bislang jedoch ohne Erfolg. „Es wäre dringend angesagt, die Grenzen­ für steuerlich absetzbare Beiträge zu erhöhen. Vier Prozent der Beitrags­bemessungsgrenze sind völlig unzureichend“, fordert auch Ohlrogge. Er verweist abermals auf das Niedrigzinsumfeld, das das Leben zusätzlich erschwert: „Unter dem gegenwärtigen Zinsniveau wird das Alters­kapital beziehungsweise die Altersrente gegenüber früher massiv reduziert. Man kann aber nicht mehr einzahlen, um dem gegen­zusteuern.“

CTA ist dem Mittelstand suspekt
„Pensionsfonds oder Pensionskassen wären insbesondere für ­Mittelständler, denen das CTA eher suspekt ist, der bessere Weg. Den muss man aber ganz gehen können und darf nicht durch die vier ­Prozent gehemmt werden“, ist Thurnes überzeugt. Auch Rößler ­plädiert für einen steuerlich besseren Rahmen für künftige Verpflichtungen: „Dann könnte der Pensionsfonds eine Erfolgsgeschichte ­werden. Der Pensionsfonds ist eine gute Idee, wurde aber nicht ­konsequent genug mit Freiheiten ausgestattet.“ Allzu rosig sehen die Erfolgsaussichten für eine höhere Beitragsgrenze gegenwärtig allerdings nicht aus. „Das Finanzministerium argumentiert, dass eine ­Erhöhung der Grenze einen direkten Steuerausfall mit sich bringt“, berichtet Ohlrogge aus seiner Erfahrung in Bezug auf diese Debatte. Er hält diese Befürchtung allerdings für ungerechtfertigt: „Unternehmen werden immer darauf achten, dass ihr Aufwand für die bAV auch steuerlich vollständig berücksichtigt wird. Das gegenwärtige Regime zwingt sie, verschiedene­ Durchführungswege anzuwenden, um ­dieses Ziel zu erreichen.­ Das ist alles andere als effizient. Wenn die Beitragshöchstgrenze erreicht ist, geht es dann in die rückgedeckte Unterstützungskasse oder die Direktzusage.“

Obwohl sich Ohlrogges Optimismus in Grenzen hält, was das ­Anliegen für einen besseren steuer­lichen Rahmen anbelangt, so stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt. Vielleicht findet man bei der Regierung doch noch Gehör. Immerhin hat sich diese für dieses Jahr auf die Fahnen geschrieben, die bAV – insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen – voranbringen zu wollen. „Die betriebliche Alters­versorgung muss insgesamt gangbarer gemacht werden“, ­fordert auch Bernhard Wiesner. Aus seiner Sicht wäre es durchaus sinnvoll, Pensionskassen und Pensionsfonds auf Dauer als EbAV ­unter der Pensionsfondsrichtlinie zusammenzuführen: „Im Grundsatz ist nicht einzusehen, warum sich Deutschland fünf Durchführ­ungswege leisten muss."

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 1/2015

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