Immobilien
17. Januar 2017

Der deutsche Immobilienmarkt: ein Markt zum Ausstieg

Die Stimmung am deutschen Immobilienmarkt ist gut. Vor allem Verkäufer und Projektentwickler haben gut lachen. Unsicherheit wegen geopolitischer Risiken nimmt zu.

Die Immobilieninvestoren in Deutschland sind seit Jahren gut gestimmt. Daran ändert sich auch in diesem Jahr nichts, wenngleich die geopolitischen Risiken für eine gewisse Unsicherheit sorgen. Wie das aktuelle Trendbarometer „Immobilien-Investmentmarkt 2017“ von EY Real Estate zeigt, sind immerhin 96 Prozent der rund 135 befragten Investoren, darunter institutionelle Investoren, Banken und Kapitalanlagegesellschaften, guter Dinge für den deutschen Immobilienstandort. „Das Preisniveau ist trotz kontinuierlichem Anstieg im internationalen Maßstab noch immer relativ attraktiv“, kommentierte einer der Umfrageteilnehmer. Dementsprechend werde die Nachfrage am deutschen Immobilienmarkt auch 2017 hoch bleiben. 
Nach Ansicht von Christian Schulz-Wulkow, Partner und der Leiter des Immobiliensektors bei EY für die Dach-Region, könnte das Transaktionsvolumen jedoch in diesem Jahr erneut – wenn auch moderat – sinken. Der Höhepunkt des Transaktionszyklus war mit rund 79 Milliarden Euro im Jahr 2015. Bereits 2016 hatte es im Vergleich zum Vorjahr einen spürbaren Rückgang auf 66 Milliarden Euro gegeben. Für 2017 erwartet EY Real Estate ein Transaktionsvolumen zwischen 60 und 65 Milliarden Euro. Den Grund dieser Entwicklung macht Schulz-Wulkow zu einem wesentlichen Teil auf der Angebotsseite aus: „Der Mangel an verfügbaren Investments hat weiter zugenommen. Bestandshalter bringen wenig auf den Markt.“ Diese Ansicht teilen auch die Umfrageteilnehmer. 
Die Mehrheit der befragten Immobilieninvestoren (94 Prozent) geht von einer Verknappung des Angebots aus, die die Preise weiter nach oben treiben wird – vor allem bei Wohnen insgesamt und bei Büroobjekten in 1a-Lagen. In den Big-Sieben-Standorten halten 69 Prozent sogar eine Blasenbildung für möglich. Ungeachtet dessen stellt Paul von Drygalski, Executive Director bei EY Real Estate und Co-Autor der Studie, fest: „Dass die Preise in Deutschland weiter gestiegen sind und in einigen Teilbereichen sogar eine Überhitzung droht, hat keinen spürbaren Einfluss auf die generelle Anziehungskraft.“ Deutschland gelte im internationalen Vergleich mehr denn je als wirtschaftlich und politisch stabil, zudem profitiere die Immobilie nach wie vor vom Niedrigzinsumfeld, an dem sich nach Meinung fast aller Befragten (98 Prozent) auch im Jahr 2017 nichts spürbar ändern werde.
Weniger und kleinteiliger
Im Gegensatz zu den vergangenen beiden Jahren rechnet die Mehrheit der Umfrageteilnehmer 2017 mit weniger oder zumindest kleinteiligeren Transaktionen: Kleinere Deals erwarten 59 Prozent der Befragten, ein sinkendes Gesamtvolumen 61 Prozent. Das könnte sich zum Vorteil der einheimischen Immobilienanleger erweisen, die bei kleinteiligeren Deals weniger Konkurrenz aus Asien fürchten müssen. Denn asiatische Investoren treten laut 91 Prozent der Befragten in Deutschland vor allem bei Großtransaktionen auf. Zwei Beispiele aus 2016, die dies untermauern, sind zum einen der Kauf des Commerzbank-Towers durch die Pensionskasse von Samsung (660 Millionen Euro) und zum anderen der Kauf des BGP-Wohnportfolios durch einen chinesischen Staatsfonds (1.180 Millionen Euro).   
Wie aus dem Trendbarometer weiter hervorgeht, sieht die große Mehrheit der Befragten (90 Prozent) Projektentwickler als Gewinner der derzeitigen Marktsituation. Passend dazu geben ebenfalls 90 Prozent an, dass Investoren künftig vermehrt versuchen werden, sich über Forward Deals frühzeitig Objekte zu sichern. Das war vor drei, vier Jahren noch anders, wie sich Schulz-Wulkow erinnert: Damals waren deutsche institutionelle Investoren, wie Versicherungen, nicht dazu bereit, Bau- und Projektentwicklungsrisiken einzugehen.“ Doch nun seien Käufer bereit, aufgrund der Produktknappheit höhere Risiken in Kauf zu nehmen und auch in andere Länder auszuweichen, die eine höhere Rendite bieten. Das bestätigen rund 80 Prozent der Befragten. Auch nichttraditionelle Asset-Klassen, wie Parkhäuser, Pflegeheime, Studentenwohnheime und Mikro-Apartments, stehen zunehmend auf dem Einkaufszettel der Investoren, wie 88 Prozent der Befragten angeben.

Auf die Frage, welche Investorengruppen 2017 potenziell als Verkäufer von Immobilien am Markt auftreten werden, nannten die Umfrageteilnehmer mehrheitlich Opportunity- und Private-Equity-Fonds sowie sonstige internationale Fonds. Hintergrund für solche Verkäufe seien Gewinnmitnahmen und Portfoliooptimierung. „Es ist ein Markt zum Ausstieg. Die meisten Opportunity-Fonds haben aber bereits verkauft“, merkt Schulz-Wulkow an. Das Angebot wird also knapp bleiben. Das bestätigt sich auch bei der Frage nach der bevorzugten Exit-Strategie: die Hälfte nannte den Direktverkauf von Einzel-Assets. Für ein Drittel kommt 2017 hingegen kein Exit – sprich Verkauf – infrage. Das macht es für die Käuferseite, auf der auch in diesem Jahr wieder vornehmlich Versicherungen und Pensionseinrichtungen sowie offene Fonds und Family Offices auftreten werden, besonders schwer. Zu dem knappen Angebot kommen weitere Transaktionshindernisse hinzu: abweichende Kaufpreisvorstellungen und die Übertragung überzogener Risiken. Als Beispiel führt EY Real Estate die Asbest-Problematik an. Früher hätte dies zu einem sofortigen Abbruch der Gespräche geführt, heute seien manche Käufer dennoch bereit, dieses Risiko einzugehen. „Der Verkäufer ist in den Verkaufsverhandlungen in einer starken Position“, so Schulz-Wulkow. Und so würden seitens der Käufer auch „unschöne“ Verträge geschluckt.   

Allerdings gibt es je nach Nutzungsart und Lage deutliche Unterschiede. „Vor allem Büros und Wohnungen werden noch einmal teurer", sagt von Drygalski. Für 1a- und 1b-Lagen erwarten die Befragten hier jeweils Preissteigerungen. In der Peripherie differenzieren sich die Einschätzungen stärker aus, wobei hier ein Großteil Preisstabilität erwartet. Bei Logistik- und Hotelimmobilien wird nur in sehr guten Lagen mit steigenden Preisen gerechnet, abseits davon gehen die Befragten von einem gleich bleibenden Niveau aus. Im Segment Handelsimmobilien hingegen prognostizieren die Umfrageteilnehmer nicht nur abseits der Bestlagen, sondern überall eine Seitwärtsbewegung der Kaufpreise.
„Zugleich verschiebt sich der Investmentfokus vieler Anleger", so von Drygalski. Die Büroimmobilie feiert ihr Comeback als beliebteste Asset-Klasse. Hier setzen 62 Prozent der Befragten ihren Schwerpunkt, im vergangenen Jahr waren es nur 49 Prozent. Vor allem Berliner Büroimmobilien stehen auf der Wunschliste der Investoren. Einen deutlichen Rückgang in ihrer Popularität müssen Wohnimmobilien hinnehmen. Nachdem 2016 noch 65 Prozent ihren Investmentfokus auf diese Nutzungsart legten, sind es inzwischen nur noch 28 Prozent. Ein Grund dafür sei neben einem sehr knappen Angebot die politische Regulierung: Als deutlichsten Trend im Wohnsegment erwarten 94 Prozent der Befragten eine Verschärfung der Mietpreispolitik im Bestand. 
Geopolitische Risiken nicht unterschätzen
In ihrem Trendbaromter hat EY Real Estate auch die Sorge bezüglich politischer Risiken abgefragt. Diese werden von den befragten Investoren mehrheitlich ohne Einfluss auf den deutschen Immobilienmarkt (65 Prozent) gesehen. Lediglich 35 Prozent teilten die Auffassung, dass politische Instabilitäten auch am deutschen Immobilienmarkt zu einer Verunsicherung führen. Zur Einordnung dieses Ergebnisses bemerkt Schulz-Wulkow, dass die Befragung der Investoren kurz vor der US-Präsidentschaftswahl durchgeführt wurde. Ansonsten hätte das Ergebnis seiner Ansicht nach anders ausgesehen. Auswirkungen durch den Brexit erwarten hingegen etwa die Hälfte der Befragten. „Insgesamt werden wir mit einer höheren politischen Instabilität und volatilen Währungen und Rohstoffen leben müssen. Derzeit fallen etwa die beginnende US-Präsidentschaft von Donald Trump und die Neuwahlen in mehreren europäischen Staaten zusammen. In dieser Gemengelage entsteht unter Umständen erhebliches Potenzial sowohl für Verunsicherung an den Finanzmärkten als auch für direkte volkswirtschaftliche Effekte, die Immobilienanlagen in Deutschland betreffen. Ob Investments in Immobilien von der genannten Unsicherheit profitieren oder durch einen möglichen wirtschaftlichen Abschwung leiden, ist derzeit nicht absehbar", so Schulz-Wulkow. Er rät dazu, entsprechende Negativszenarien durchzuspielen und die Ergebnisse ernst zu nehmen, gerade auch wenn sie unbequem seien.
portfolio institutionell newsflash 17.01.2017/Kerstin Bendix
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