Traditionelle Anlagen
8. Juli 2015
Das steigende Inflationsrisiko will vergütet werden
Der scharfe Renditeanstieg bei Staatsanleihen hat viele Akteure überrascht. In der Neuanlage winken schon bald noch höhere Renditen.
Der Juni 2015 wird vielen Investoren wohl noch lange in Erinnerung bleiben: Die Renditen von Staatsanleihen aus dem Euroraum schossen binnen weniger Tage in die Höhe. Zehnjährige Bundesanleihen rentierten zeitweise bei 1,05 Prozent – 100 Basispunkte über den kurz zuvor markierten Tiefstständen. Das war innerhalb weniger Wochen der schärfste Renditeanstieg seit Oktober 1998, wie der Anleihemanager Bantleon berichtet. In der Euro-Peripherie fiel der Anstieg durch die neu entfachte Furcht vor einem „Grexit“ sogar noch stärker aus. So schnellten die Renditen italienischer Staatsanleihen 130 Basispunkte nach oben – von 1,10 auf 2,40 Prozent. Damit weiteten sich die Aufschläge gegenüber Bundesanleihen auf die höchsten Niveaus seit Herbst 2014 aus.
Der Renditeanstieg mag übertrieben sein, heißt es bei Bantleon, er sei aber noch nicht zu Ende. Die Experten erwarten einen Anstieg zehnjähriger Bundesanleihen bis auf 1,25 Prozent, im Risikoszenario seien sogar 1,50 Prozent möglich. „Deshalb gewichten wir die Euro-Anleihenmärkte in der Asset Allocation unter, vor allem zulasten von Staatsanleihen der Kernländer.“, sagt Dr. Harald Preißler, Chefvolkswirt und Leiter Anlagemanagement bei Bantleon. Das anziehende Wirtschaftswachstum dürfte seiner Einschätzung nach die Realzinsen weiter nach oben ziehen, gleichzeitig verlangten die im zweiten Halbjahr steigenden Teuerungsraten eine höhere Kompensation des Inflationsrisikos. „Vor allem lange und ultralange Laufzeiten, die nach wie vor massiv unter ihren fairen Bewertungsniveaus rentieren, dürften daher unter Druck bleiben.“ Allerdings habe sich im März und April auch gezeigt, dass die Anleihenkäufe der Europäische Zentralbank (EZB) durchaus zu einer namhaften Verknappung des Angebots an hochliquiden Staatsanleihen führen können, was den Renditeanstieg dämpfe. In dieselbe Richtung wirke die Verwendung von Bundesanleihen als Absicherungsinstrument für Risiko-Assets, erläutert Preißler.
Parallelen zu Japan
Ähnlich argumentiert Tim Haywood, Head Fixed Income bei der Schweizer Fondsgesellschaft Gam. Der Renditeanstieg der Staatsanleihen von Kernländern der Eurozone werde sich in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen. „Es gibt sowohl in technischer als auch fundamentaler Hinsicht unübersehbare Parallelen zu der scharfen Korrektur japanischer Staatsanleihen Mitte 2003“, so Haywood. Damals hatte ein unerwartet schlechtes Auktionsergebnis bei langfristigen japanischen Staatspapieren den Markt erschüttert. „Doch das war nur ein vordergründiges Ereignis. Tatsächlich war zu jener Zeit die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) der fundamentale Treiber dieser Entwicklung, indem sie die Zügel in ihrer Geldpolitik angezogen hat“, erläutert der Zinsexperte. Ähnlich wie damals signalisiere die Fed auch heute ein Ende ihrer bislang lockeren Geldpolitik, nachdem sich der Arbeitsmarkt in den USA erholt hat und die Löhne dynamisch steigen. Haywood erwartet, dass sie die Leitzinsen bald anheben dürfte, aber anschließend nur sehr langsam weitere Zinsschritte vornehmen werde. „Und auch die Bank of England lässt einen Wechsel in ihrer Geldpolitik erkennen, nachdem sich die makroökonomischen Rahmendaten in der Eurozone zunehmend verbessern und die Inflation dort stabil auf moderatem Niveau bewegt.“
EZB schaltet einen Gang zurück
Unterdessen wurde bekannt, dass es die EZB mit ihrem Mega-Programm zum Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Länder nun etwas langsamer angehen lässt. Seit dem Beginn der Käufe am 9. März wurden öffentliche Schuldtitel für insgesamt 204,7 Milliarden Euro gekauft, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Die Währungshüter nahmen laut dem Bericht in der Woche bis zum 3. Juli für etwa 10,8 Milliarden Euro zusätzliche Papiere auf die Bilanz. In der Vorwoche waren es noch 11,7 Milliarden Euro. Die EZB will bis September 2016 Wertpapiere im Volumen von 1,14 Billionen Euro aufkaufen. Im Schnitt sollen pro Monat Anleihen im Umfang von etwa 60 Milliarden Euro eingesammelt werden. Neben Staatsanleihen zählen dazu auch Pfandbriefe und Hypothekenpapiere. EZB-Chef Mario Draghi wollte die Käufe vor der Haupturlaubszeit beschleunigen – im Juli und August sollen entsprechend weniger Titel gekauft werden.
portfolio institutionell newsflash 08.07.2015/Tobias Bürger
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