Das Jahr der krachenden Hypotheken
Dekade im Rückblick: Zehn Jahre institutionelle Kapitalanlage, zehn Jahre Krisenmanagement und zehn Jahrgänge portfolio institutionell: Langweilig war es nie! Rückblick auf das Jahr 2007.
2007 dürfte institutionellen Investoren noch deutlich in Erinnerung sein. Einerseits müssen die Regeln von Basel II seit dem 1. Januar in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union von allen Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten angewendet werden. Solvency II ist andererseits noch ein gutes Stück vom Tagesgeschäft entfernt, aber nicht mehr aufzuhalten. Schließlich hat die EU-Kommission dem Europäischen Parlament am 10. Juli einen Vorschlag für eine Solvency-II-Rahmenrichtlinie vorgelegt. Die Quantitative Impact Studies (QIS) I und II waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen; von April bis Juni wurde die Assekuranz mit QIS III in Atem gehalten.
Außerdem fieberten die Versicherer auf den „endgültigen Richtlinienvorschlag“ hin. Die Umsetzung von Solvency II soll schließlich bis 2011 oder spätestens 2012 erfolgen, so die allgemeine Hoffnung. Jochen Sanio, damaliger Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), zeigte sich auf der Jahrespressekonferenz seines Hauses optimistisch, dass dieser Zeitplan eingehalten wird. Doch Solvency verzögert sich, wie wir später wissen werden. Ein anderes Novum ist derweil schon festgezurrt: Der Bund legt seit Jahresbeginn Geld auf die hohe Kante, mit dem die Versorgungsbezüge im Rentenalter bestritten werden sollen. Für alle seine neu eingestellten Beamten, Richter und Zeitsoldaten sind nun Zuweisungen an einen Versorgungsfonds zu leisten.
_Immobilien, Hypotheken und die Finanzkrise
An der Börse juckte das niemanden. Zu jener Zeit waren Immobilienaktien heiß begehrt. Und so verwundert es auch nicht, dass es im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zu einer Flut von Börsengängen aus diesem Sektor kam. Der Dax erreichte am 16. Juli bei 8.105 Punkten ein Rekordhoch, das bis dato nicht übertroffen wurde. Im Spätsommer gaben die Kurse zunächst deutlich nach, aus Sorge über negative Effekte durch die grassierende US-Hypothekenkrise. Für Schlagzeilen sorgte ein Brief von Bear Stearns an Investoren, in dem die US-Bank ihre beiden in Schieflage geratenen Hedgefonds als nahezu wertlos einstuft. Dessen ungeachtet erreichte der Dow Jones am 9. Oktober den Rekordwert von 14.164,53 Punkten, der auch 2012 das Maß der Dinge für den Index sein würde.
Unter ausländischen Pensionsfonds erfreute sich 2007 Private Equity wachsender Beliebtheit. Sie hatten ihre Investments im Jahr zuvor kräftig hochgeschraubt, in der Hoffnung, höhere Renditen einzufahren und so die Renten einer alternden Bevölkerung sicherzustellen. US-Buy-out-Fonds, unter Beteiligung großer Pensionseinrichtungen, wie Calpers, investierten schon seit einigen Jahren zum Teil auch in den deutschen Mittelstand. Hierzulande führen Private-Equity-Investitionen dagegen bis auf weiteres ein Schattendasein, betrachtet man die Allokation von weniger als einem Prozent. Institutionelle Anleger mit einem starken Hang zu Staatsanleihen konnten sich 2007 über relativ üppige Erträge freuen. Schließlich schwankte die Umlaufrendite in Deutschland zwischen vier und fünf Prozent, um in den Jahren darauf bis auf 1,5 Prozent zu sinken. Apropos Anleihen: Wer 2007 in Bonds der europäischen Peripherie investiert war, lag (zunächst) nicht verkehrt. Insbesondere griechische Staatsanleihen notierten (noch) stabil um die Marke von 100 Prozent.
In einem Gastbeitrag ging Jörg W. Kloy, Geschäftsführer bei Atlantic Capital Partners, unter anderem auf sogenannte Volatility Cluster, Diversification Meltdown und insbesondere auf Fat Tails ein und schrieb: „Die Normalverteilung ist in der Finanzwelt das am häufigsten verwendete statistische Konzept. Was aber, wenn die Gesetze der Normalverteilung nicht gelten?“ Risiken könnten dann falsch eingeschätzt werden, so Kloy. Mit seiner Warnung „die Verflechtung der Märkte kann in Krisensituationen zu einer Synchronisierung von Kursbewegungen führen, die sehr schnell die Randbereiche der Renditeverteilung erreichen“ gab er einen bemerkenswerten und überaus deutlichen Warnschuss ab, der in der aufziehenden Krise voll ins Schwarze traf.
Auch wenn es die Kapitalmarktakteure zunächst nicht wahrhaben wollten, zogen im Frühjahr 2007 Wolken auf. Der Beginn der Finanzkrise als Folge eines spekulativ aufgeblähten Wirtschaftswachstums und einer Immobilienblase in den USA brachte zunächst klamme Häuslebauer, später auch deren Banken in Not. Zahlungsausfälle und Zahlungsstörungen im US-amerikanischen Hypothekenmarkt, insbesondere im Subprime-Segment, sorgten weltweit für Aufsehen. Hunderte Regionalbanken in den USA sind in den Folgemonaten in die Insolvenz gegangen. Auch in Europa brachten Immobilienkrisen den Bankensektor, den Arbeitsmarkt und nicht zuletzt die Staatsfinanzen in Bedrängnis. Die Pleite von Lehman Brothers, die im Herbst 2008 zu massiven Verwerfungen geführt hat, ist zu jener Zeit aber noch ein Stück weit entfernt.
_Die Turbulenzen häufen sich
Die Stimmung institutioneller Anleger wurde insbesondere durch Turbulenzen um Fonds getrübt, die in Asset-Backed Securities (ABS)investiert waren. Europaweit wurden 2007 eine Reihe strauchelnder Investmentfonds aufgrund der Finanzkrise liquidiert. Ein gutes Dutzend weiterer Produkte musste damals aufgrund von Liquiditätsproblemen vorübergehend geschlossen worden. Auch so mancher Geldmarktfonds kam wegen der ABS-Turbulenzen in Bedrängnis. Die Fondsindustrie erarbeitete daraufhin Wohlverhaltensregeln und Definitionen für unterschiedliche Kategorien von Geldmarktfonds. Verluste und die Illiquidität von forderungsbesicherten Wertpapieren führten zu einer Ausweitung der Risikoaversion von Investoren gegenüber kreditrisikobehafteten Anlageinstrumenten, die noch einige Jahre lang anhielt.
Bayerischen Spitzenpolitikern dürfte 2007 in schlechter Erinnerung bleiben. Denn die BayernLB ließ sich im Mai zum Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria verleiten, die sich im Nachhinein als Fass ohne Boden entpuppt hat. Dass das Investment ein Schlag ins Wasser war, zeigte sich im Dezember 2009, als die Landesbank ihre Anteile zum symbolischen Preis von einem Euro an die Republik Österreich weiterreichte, nachdem (erneuter) Finanzbedarf in Höhe von über 1,5 Milliarden Euro bekannt wurde.
Für die SachsenLB kam es 2007 knüppeldick. Die Landesbank hatte sich mit Verbriefungsgeschäften auf Hypothekenmarktkredite schwer verhoben. Im Zuge der Hypothekenkrise in den Vereinigten Staaten waren die dafür erforderlichen Refinanzierungsstrukturen nicht mehr in der Lage, kurzfristige Anleihen auf dem Kapitalmarkt zu platzieren, um die erworbenen langfristigen Kredite zu refinanzieren. Das klamme Institut, aufgrund mangelnder Liquidität in seiner Existenz gefährdet, wurde noch im August an die Landesbank Baden-Württemberg verkauft. Auch die IKB Deutsche Industriebank geriet 2007 in Finanznöte, weil sie ihre gekauften Forderungen, ebenso wie die SachsenLB, nicht mehr vollständig refinanzieren konnte.
portfolio institutionell, 16.04.2012
Autoren: Tobias Bürger In Verbindung stehende Artikel:
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