Schwarzer Schwan
11. September 2015

Das Comeback der Garantiezinsen

Die EU-Kommission will die private Altersvorsorge in Europa verbessern. In diesem Zusammenhang könnte auch ein alter Bekannter ein Revival allererster Güte erleben.

Was war das bloß für eine verrückte Woche. Erst knutscht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, vor versammelter Mannschaft auf die Stirn – und lässt sich dabei auch noch fotografieren. Gleichzeitig wird bekannt, dass Junckers EU-Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Versicherungsaufsicht (Eiopa) die private Altersvorsorge in ganz Europa verbessern will. Was sagt man dazu? Ist der alte Kontinent doch nicht so kaltherzig, wie manche europäische Politiker das mit Blick auf den Flüchtlingsstrom zuletzt signalisiert haben? 
Bevor wir nun aber vom Thema abdriften, schauen wir uns doch die begrüßenswerten EU-Pläne einfach mal etwas genauer an. Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) tüftelt die EU-Kommission an einer sogenannten Pan-European Personal Pension, kurz PEPP. Hinter diesem Akronym könnte in Zukunft ein privates Altersvorsorgeprodukt für ganz Europa stecken. Es soll aber auch bestehende nationale Rentenlösungen ausdrücklich nicht ersetzen. Dafür könnte es einen Mangel beseitigen: Laut GDV gibt es heute im Baltikum, in Rumänien oder Kroatien praktisch keine private Vorsorge. Eine „Europa-Rente“ soll es idealerweise auch einfacher machen, bei einem Umzug innerhalb der EU eine geförderte Vorsorge fortzuführen, so die Vorstellung der Eiopa und der EU-Kommission. 
Rente mit Pep 
Nach den Ideen der Eiopa soll die Europa-Rente nur wenige verschiedene, dafür aber langfristig risikoarme Anlagemöglichkeiten für die Kunden bieten. Wenigstens eine der Anlagemöglichkeiten soll daher, so erläutert der GDV, nach Abschluss des Vertrages von den Kunden keine weiteren Investitionsentscheidungen verlangen. Geeignet findet Eiopa – und jetzt kommt‘s – insbesondere auch Anlagemöglichkeiten mit Garantien. Moment mal, Altersvorsorgeprodukte mit Garantien? Ist das nicht ein Auslaufmodell? Nicht für die EU-Kommission und die Vertreter der Versicherungsaufsicht. Dort heißt es, für solche Produkte könnte es eine Nachfrage in Staaten geben, in denen derartige Angebote bisher nicht gemacht wurden. 
Fragt sich nur: Wer soll die Garantien aussprechen? Und: Wie hoch wäre der Garantiezins? Nach einem tiefen Fall, verursacht durch die EU-Politik und die EZB, verharrt der „Garantiezins“ hierzulande bei homöopathischen 1,25 Prozent; der sagt zwar nichts über die Rendite aus, weil am Ende noch die Überschussbeteiligung oben drauf kommt. Doch in der Tendenz steht die Ablaufleistung unter keinem guten Stern. Die Versicherer strampeln sich derweil ab, um die vermaledeite Zinszusatzreserve für Altverträge mit noch höheren Garantien zu stemmen. 
Kein gutes Omen: Hierzulande verabschieden sich die Lebensversicherer reihenweise aus Garantieprodukten. Zuletzt hatten die Ergo und Allianz angekündigt, die klassischen Produkte zum Jahresende für das Neugeschäft weitgehend zu schließen oder zumindest nicht mehr aktiv zu bewerben. Diese Form der Versicherung sei unprofitabel, heißt es dort. Auch andere Versicherer, darunter die Talanx und die Zurich, wollen von Garantieprodukten in ihrer althergebrachten Form nichts mehr wissen.
Passend dazu sollen Ergo-Vertreter künftig nur noch Lebensversicherungen verkaufen, die sich stärker an der Entwicklung der Kapitalmärkte orientieren. Insofern geht der Trend in die Richtung, die Versicherungsnehmer stärker mit ins Boot zu holen, wenn es darum geht, Entscheidungen zur Kapitalanlage zu treffen. Kurzum: In die Gegenrichtung zur geplanten „Europa-Rente“. Nicht ganz unwichtig erscheint im Kontext der garantiefreien Produkte auch die gar nicht mal so triviale Frage, ob sich aus ihnen eine lebenslange und stabile Rentenleistung ableiten lässt, wie sie für das Alter aber nun einmal erforderlich ist? 
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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