Dänen haben Infrastrukturfieber
Wer seinen Ruf aufpolieren will, muss Gutes tun. Das wissen die dänischen Pensionsfonds. Deshalb erwerben sie Windparks, bauen Krankenhäuser, Schulen und Tunnel – und rechnen nebenbei fest mit schönen Renditen.
In zweieinhalb Jahren ist es soweit. Dann werden 32 Kilometer westlich von Sylt 80 Siemens-Turbinen stehen, die mindestens ein Vierteljahrhundert lang jedes Jahr Strom für 370.000 Haushalte produzieren. Die Bremer WPD AG baut und betreibt das Projekt mit dem Namen „Offshore-Windpark Butendiek“. Das Unternehmen hat auch die 1,3 Milliarden Euro Eigen- und Fremdkapital organisiert, die das Nordsee-Projekt kostet. Die Bremer selbst sind mit zehn Prozent beteiligt. Jeweils 22,5 Prozent des Eigenkapitals kommen von Siemens Financial Services und vom Marguerite-Fonds, an dem die sechs Institute Caisse des dépôts et consignations aus Frankreich, die Cassa Depositi e Prestiti aus Italien, die Europäische Investmentbank, das Instituto de Crédito Oficial aus Spanien, die KfW und die PKO Bank Polski aus Polen (mit jeweils 100 Millionen Euro) sowie drei weitere Sponsoren, darunter die Europäische Kommission, mit 110 Millionen Euro beteiligt sind. Die restlichen 45 Prozent Eigenkapital für „Butendiek“ kommen aber nicht etwa aus Deutschland, sondern Dänemark: Jeweils 100 Millionen Euro stammen von den beiden Pensionsfonds Industriens Pension (14,5 Milliarden Euro schwer) und PKA (27 Milliarden Euro). Die Chefin von Industriens Pension, Laila Mortensen, ließ sich im Zuge der Verkündung des Deals von der englischen Fachpresse wie folgt zitieren: „Dieses Investment wird uns und unseren Versicherten über viele Jahre eine stabile Rendite sichern.“
Damgaard Jensen mischt wieder kräftig mit
Diese Einschätzung teilt Mortensen offenkundig mit den meisten großen dänischen Investoren, wie zum Beispiel dem Chef von PKA und zugleich Vorsitzenden des dänischen Versicherungs- und Pensionsverbandes (Forsikring & Pension), der als sehr aufgeschlossen gegenüber Investitionen in Private Equity und Infrastruktur bekannt ist: Peter Damgaard Jensen. Der mit Abstand größte der fünf Pensionsfonds, den PKA administriert, nämlich der „Pensionskassen for Sygeplejersker“ (Krankenschwestern), hält immerhin ein Fünftel seines Portfolios in sogenannten Real Assets. Jensen ist außerdem eine der treibenden Kräfte hinter einer Initiative von großen Pensionsfonds, die vor allem dänischen Politikern gefallen dürfte und auch soll: Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von PKA, Sampension, PensionDanmark, PFA und ATP soll nationale und internationale Erfahrungen mit Public Private Partnerships (PPP) zusammentragen und geeignete Beteiligungsprojekte recherchieren. Die Arbeitsgruppe soll ihre Ergebnisse im April vorlegen. Und dann werden ziemlich sicher auch bald die ersten Millionen in solche PPP fließen.
Im Falle von Sampension, die bisher noch keine Infrastrukturengagements haben, ist bereits klar, dass auf jeden Fall in Dänemark investiert werden wird, darunter in Schulen und Krankenhäuser. Sampensions-Chefanleger Henrik Larsen, der über 140 Milliarden Kronen oder umgerechnet knapp 19 Milliarden Euro wacht, hat sogar die Beteiligung am Bau eines Tunnels ins Spiel gebracht, der Kopenhagen vom Verkehr entlasten soll: „Das wird aber ein Investment, das wir nicht alleine finanzieren können.“ Eine mehr als deutliche Einladung für andere Fonds zu einer Zusammenarbeit.
Die Dänen sind (k)ein Einzelfall
Die Aufgeschlossenheit für Infrastrukturinvestitionen ist freilich kein rein dänisches Phänomen. Eine noch junge Umfrage des angelsächsischen Daten- und Research-Hauses Preqin unter europäischen Großanlegern kommt zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass sich diese 2013 noch stärker als im vergangenen Jahr engagieren wollen. Danach plant keiner der befragten Investoren, sich aus seinen bestehenden Infrastrukturinvestitionen verabschieden zu wollen. Über die nächsten ein bis zwei Jahre planen 58 Prozent der Befragten, den Infrastrukturanteil in ihrem Portfolio zu erhöhen; bei 38 Prozent soll er immerhin noch gleich hoch bleiben. Auf längere Sicht würden sogar 62 Prozent der Befragten ihren Anteil hochfahren.
Und dennoch: Die besonders ausgeprägte und zur Schau gestellte Zuneigung der Dänen ist bei näherer Betrachtung freilich nicht mehr so bemerkenswert. Nachdem bei unseren nördlichen Nachbarn im vergangenen Jahr das Ausmaß von versteckten Gebühren bei der Pensionsverwaltung bekanntgeworden war, bemüht sich die Pensionsfondsszene, die öffentliche Meinung und die Politik wieder für sich zu gewinnen, und zwar durch eine Transparenzoffensive und die Finanzierung von heimischen, originär staatlichen Projekten – sei es der Bau von Brücken, Tunneln oder Immobilien. Hinzu kommt noch, dass die Dänen aus den traditionellen und für die Pensionsfondsbranche vergleichsweise riskanten Garantieprodukten herausberaten werden sollen. Das beste Argument dafür sind höhere Renditen, und die sollen unter anderem durch Infrastrukturinvestments sichergestellt werden. Laila Mortensens Worte von der „stabilen Rendite“ sind also auch in diesem Lichte zu betrachten – genauso wie die Vorreiterrolle von Peter Damgaard Jensen, der vor dem dänischen Parlament signalisiert hatte, „seinen“ Verband Forsikring & Pension wieder auf die richtige Transparenzspur zu bringen.
ATP: rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln
Wir bleiben im überschaubaren Dänemark, dessen Pensionssystem nach der eingängigen Notenskala des Mercer Global Pension Index als einziges immer noch mit „A“ benotet wird, vor Australien und Holland. „A first class and robust retirement income system that delivers good benefits, is sustainable and has a high level of integrity“, schreibt Mercer. (Wir berichteten darüber im portfolio Weltspiegel in der November-Ausgabe 2012 von portfolio institutionell.)
Die dänische Vorzeigeinstitution schlechthin, ATP, die mit 90 Milliarden verwalteten Euro Dänemarks größter Fonds ist, wird ab dem 1. Mai 2013 von Carsten Stendevad geführt. Lars Rohde, sein Vorgänger, wurde gerade als neuer dänischer Notenbankchef vereidigt und muss dort das Experiment mit negativen dänischen Einlagezinsen fortführen. Für drei Monate übernimmt Chefanleger Henrik Gade Jepsen das Zepter bei ATP. Offensichtlich nutzt Jepsen die Zeit als Interimschef, um ein anderes dänisches Experiment schnell zu beenden, das unter dem damaligen Chefanleger Bjarne Graven Larsen begonnen wurde, für das Jepsen aber in leitenden Funktionen ebenfalls mitverantwortlich zeichnete: die Trennung des sogenannten Investmentportfolios (1,3 Milliarden Euro) in ein Alpha- und ein Beta-Portfolio, das neben dem Hedging-Portfolio (89 Milliarden Euro) lief, um Zusatzrenditen zu erwirtschaften. Gemessen daran, wie ernst es ATP mit der Trennung war, die sich auch dadurch äußerte, dass die Alpha- und die Beta-Teams räumlich strikt getrennt wurden, überrascht die geplante Wiederzusammenlegung. Zusammenfassen lassen sich Jepsens Argumente für diesen Schritt wie folgt: Erstens war die Trennung zu teuer. Zweitens litt die Gesamtübersicht und die Portfoliokoordination. Und drittens drohte dem Fonds die Überdiversifikation. Jepsen wird vom angelsächsischen Dienst „top1000funds.com“ wie folgt zitiert: „In the main, we conclude, that alpha and beta are a question of exposure to systematic risk factors. We therefore see alpha and beta together in the same portfolio“ und „It’s more like smart-beta risk factors.“ Und auch, wenn in sechs Jahren wieder alles ganz anders sein sollte und aus „Smart Beta“ wieder „Alpha“ und „Beta“ wird, sicher ist derweil eines: Die fünf Risikofaktoren des neuen, fusionierten Investmentportfolios bleiben die alten: das Zinsrisiko, das Kreditrisiko, das Aktienrisiko, das Inflationsrisiko und das Rohstoffrisiko. Sicher ist auch: Die Hälfte der 36 Beschäftigten im Alpha-Team verliert ihren Job.
portfolio institutionell, Ausgabe 2/2013
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