Credits im Krisenvergleich: 2008 versus 2020
Renditen waren in Finanzkrise höher. Banken diesmal „nicht Krankheit, sondern Medizin“.
Satte neun Prozent betrug der Kupon einer dreijährigen Anleihe, mit der Daimler im Dezember 2008 auf dem Kapitalmarkt vorfuhr. Einen Monat später lockte BMW mit 8,875 Prozent für vier Jahre. Nun hat die nächste Krise die Märkte erreicht. Der Credit-Markt von 2020 ist aber nur bedingt mit damals zu vergleichen. Hochprozenter werden diesmal im Investment Grade nicht offeriert. Gründe nennt Holger Mertens, Credit-Experte bei Nikko Asset Management: „Zum einen ist das Zinsniveau niedriger als 2008, zum anderen haben die Spreads nicht so heftig ausgeschlagen wie in der globalen Finanzkrise. Letzteres ist auf die massiven Anleihekäufe der EZB zurückzuführen, die bisher den Markt beispiellos unterstützt.“ Die Zentralbank ist für Mertens auch ein Grund, europäische Unternehmensanleihen zu halten. „Die meisten Anleihen werden irgendwann bei der EZB landen. Dies wird sich positiv auf deren Bewertung auswirken“, so Mertens. Damit wird auch der Performance-Unterschied zwischen förderfähigen und nicht förderfähigen Papieren anhalten. Mertens Pendant bei Assenagon, Michael Hünseler, erläutert, dass die Banken vor über einer Dekade mangels Refinanzierungsmöglichkeiten die Kreditvergabe einschränken mussten. „Kapitalintensive Industrien wie die Automobilbranche mussten auf den Anleihemarkt zurückgreifen und den Kupon bezahlen, der gefordert war.“ Ein weiterer Grund dafür, dass die Renditen in dieser Krise nicht durch die Decke schießen, dürfte sein, dass Unternehmen wie Adidas KfW-Förderkredite bekommen. Sorgen um den Zugang zu Kapital besteht also nicht.
Banken werden instrumentalisiert
Einen großen Unterschied zu damals machen die Kreditinstitute. „Banken sind diesmal nicht die Krankheit, sondern die Medizin. Banken sollen ein wichtiger Helfer bei der Unterstützung für notleidende Unternehmen werden“, sagt Mertens. Assenagons Michael Hünseler sagt: „Banken werden heute instrumentalisiert und nicht stigmatisiert. Sie sollen zur Lösung des Problems beitragen.“ Dass Banken diesmal in die Helferrolle schlüpfen können, liegt für John Beck von Franklin Templeton in den aufsichtsrechtlichen Maßnahmen im vergangenen Jahrzehnt: „Die Aufsichtsbehörden verlangten mehr Kapital und verringerten die risikoreichen Geschäftsfelder.“ Leidtragende dieser Krise sind aber auch die Banken. Zwar haben sich die Spreads von Bankanleihen auf vorrangiges Kapital nicht ausgedehnt wie in 2008. „Dafür sind aber die Aktienkurse der Banken im bisherigen Jahresverlauf um 50 Prozent gefallen“, so Beck. Nicht ohne Grund: „Kreditinstitute werden von dem Stillstand der Wirtschaft in einem starken Maße betroffen sein“, warnt Hünseler. „Kreditlinien werden gezogen, Kreditausfälle zunehmen.“
Liquidität versickert
Mehr Sorgen als der Banksektor macht auf den Kreditmärkten die Liquidität. Diese befindet sich seit Jahren im Rückwärtsgang. Mertens verweist darauf, dass Banken ihre Handelsbücher deutlich reduzieren mussten, wobei jedoch der Asset-Management-Sektor stark gewachsen ist. „Somit gibt es deutlich mehr Investoren, die handeln wollen, und deutlich weniger Händler, die handeln können. Insbesondere in Krisen wird diese Diskrepanz deutlich.“ Michael Hünseler sieht dieses Strukturproblem nicht nur bei den Playern selbst: „Der Unternehmensanleihemarkt ist noch immer höchst fragmentiert, intransparent, strukturell ineffizient, archaisch. Im digitalen Zeitalter werden Anleihehandelsgeschäfte noch überwiegend in der Direktansprache abgeschlossen, Bestätigungen teils postalisch versandt. Gleichzeitig werden immer mehr Investorengelder in indexorientierten Anlageprodukten gebündelt. Das bringt den Bondmarkt in Krisensituationen an seine Grenzen.“
HY wirken stabiler
Positiver fällt dagegen der Vergleich mit 2008 bei den zu erwarteten Downgrades und Defaults aus. Zu den Lehren aus der Finanzkrise zählt für viele Regierungen und Zentralbanken, rasch zu helfen. Dabei tut sich insbesondere die Fed hervor. „Bei ähnlichen Bevölkerungsgrößen zwischen der EU und den USA ist die von der US-Notenbank angekündigte Unterstützung von Unternehmensanleihen, Kommunalanleihen und sogar Hochzinsanleihen über Index-ETFs in Höhe von bis zu 2,3 Billionen Dollar wesentlich höher als die von der EZB angekündigten 540 Milliarden Euro“, so John Beck. Auch wirkt – zumindest für DPAM – der europäische High-Yield-Markt stabiler als in 2008: CCCs kamen damals auf einen Anteil von zwölf und heute von 4,6 Prozent, Unternehmen mit BB-Rating auf 53 und nun auf 64 Prozent.
Dass in den USA die Fed auch High Yields kauft, dürfte nicht zuletzt an der sinkenden Bonität der Credit-Schwergewichte General Motors und Ford liegen. Deren Bonds kommen auf zweistellige Renditen. Dieses Mal finden sich Hochprozenter aus dem Autosektor also auf der anderen Seite des Teichs. Diskutiert werden derzeit aber nicht nur die Rating-Buchstaben von A bis D sondern auch vorausblickend, ob sich die Konjunktur als V, U oder L entwickelt. Keine leichte Frage. Franklin Templetons John Beck: „Who the `L´ knows.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Unternehmensanleihen
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