Contingent Convertible Bonds – das Produktdesign entscheidet
Gastbeitrag von Ralf Frank, Generalsekretär der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA)
Nachdem das Bundesfinanzministerium kürzlich die steuerbilanzielle Behandlung von Contingent Convertible Bonds geklärt hat, stehen nunmehr auch deutsche Banken in den Startlöchern, um Cocos zu emittieren. Dealogic schätzt, dass das Gesamtvolumen im europäischen Markt in diesem Jahr auf 50 Milliarden Euro ansteigt – ein enormer Zuwachs in den kommenden drei Quartalen, da bis März 2014 gerade einmal circa 7,5 Milliarden Euro emittiert wurden.
Im vergangenen Jahr betrug das Volumen der europäischen Contingent Convertible Bonds (Cocos) insgesamt circa zehn Milliarden Euro. Es wird erwartet, dass die Deutsche Bank kurzfristig einen Coco über fünf Milliarden Euro emittieren wird; andere Banken, wie die Nord-LB oder die Commerzbank, haben laut Medienberichten Interesse angekündigt. Die durchschnittliche Rendite von Cocos betrug Ende März laut Financial Times 5,8 Prozent. Einige Emittenten zahlten noch wesentlich höhere Kupons für ihre Cocos, so zum Beispiel Société Général und Crédit Agricole 8,125 Prozent oder Barclays 8,25 Prozent – in Zeiten niedriger Zinsen ist das mehr als ein starkes Kaufargument für Anleger. Gleichzeitig wird immer wieder vor dem Risiko gewarnt. So bestechend einfach das Design von Cocos auf dem Papier aussieht – zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt und auf Basis eines in den Konditionen definierten Auslösers werden Anleiheanteile in Aktien getauscht oder abgeschrieben, was sich entsprechend im Kupon bemerkbar macht – so komplex und schwierig ist die Bewertung von Cocos. Sie sind effektiver und kostengünstiger als Eigenkapitalerhöhungen, insbesondere im Krisenfall, wenn das Eigenkapital schon signifikant an Wert verloren hat. Damit incentivieren Cocos Banken zu besserem Risikomanagement. Es wird immer wieder behauptet, dass, wenn ein Markt für Cocos schon 2007 existiert hätte, viele Banken nicht im Zuge der Finanzkrise ins Schlingern geraten und staatliche Rettungsschirme nicht notwendig gewesen wären. Ob aber Cocos einen Beitrag dazu leisten können, dass sowohl Banken als auch Investoren risikobewusster agieren als in den Krisenjahren 2008 und 2009, kann nicht a priori vorausgesetzt werden.
Risiken von Contingent Convertible Bonds ergeben sich aus zwei Aspekten. Erstens: aus dem Typus des Coco, also der Beschaffenheit der beiden maßgeblichen Designelemente und deren Zusammenspiel. Neben der Wandlungsart ist insbesondere der Auslöser relevant. Zweitens: aus dem noch sehr rudimentären Marktumfeld, geprägt durch wenige Erfahrungswerte und noch weitgehend unzureichender Informationsversorgung für Anleger.
Auslöser und Wandlung
Der Auslöser (Trigger) ist das in den Konditionen festgelegte Kriterium für die Wandlung oder Abschreibung eines Coco. Technische Auslöser sind zum Beispiel der Buchwert des Eigenkapitals, der Marktwert oder der Aktienkurs. Als nicht technischer Auslöser wird in aller Regel die Feststellung einer Krise durch die Marktaufsicht herangezogen. Wird zum Beispiel der festgesetzte Schwellenwert der Eigenkapitalquote unterschritten und damit der Trigger ausgelöst, werden die Anleihescheine automatisch in Aktien konvertiert (convert-to-equity) beziehungsweise abgeschrieben (principle write-down), oder nur temporär abgeschrieben (temporary write-down). Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass von Regulatoren ein „forbearance risk“ ausgeht – diese also zu duldsam sein können und dadurch zu spät eingreifen. Damit scheiden aus Sicht der DVFA nicht-technische Auslöser aus.
Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management empfiehlt Emittenten, als technischen Auslöser grundsätzlich die Eigenkapitalquote zu wählen. Asset Managern und Investoren wird geraten, nur in diesen Typus von Cocos zu investieren. Der Aktienkurs oder ein Rating-Downgrade unterliegen einer Marktdynamik und sind damit potenziell Verzerrungen ausgesetzt. Aber auch die Eigenkapitalquote als institutsbezogene Größe ist nicht so eindeutig, wie man glauben könnte. Zurzeit berichten Banken nach unterschiedlich strengen Definitionen für die Berechnung des Eigenkapitals. Je nachdem, ob eine Bank nach Basel II 2.5, Basel III (phase in) oder Basel III (fully phased) ihre Eigenkapitalquote definiert, ergeben sich materielle Unterschiede, wie aussagefähig diese Zahl für die finanzielle Gesundheit einer Bank ist.
Generell ist ein möglichst früher Zeitpunkt der Wandlung des Cocos sinnvoll, das heißt ein sogenannter hoher Trigger, der sich an einer (noch) hohen Eigenkapitalquote orientiert. Eine späte Wandlung von Cocos, wenn die Unternehmensfortführung (going concern) nicht mehr gewährleistet ist und eine kontrollierte Zerschlagung (gone concern) diskutiert wird, würde dem gerade von Regulatoren gewünschten Ergebnis einer effektiveren und umsichtigeren Risikosteuerung von Banken widersprechen.
Die DVFA empfiehlt, die Quote für die Wandlung an festen nominalen und monetären Werten festzumachen und nicht an einer Anzahl von Aktien je Anleiheanteil. Denn bereits bei den ersten Anzeichen einer Krise dürfte der Aktienkurs des Emittenten nach unten tendieren, so dass dieser Preisverfall bei Wandlung nach fixer Anzahl von Aktien zulasten der Coco-Investoren ginge. Indes ist diese Frage für das Gros der heute emittierten Cocos irrelevant, da sie zumeist dem Typus principle write-down entsprechen, es also gar nicht zu einer Wandlung in Aktien kommt. Dies ist durchaus auch im Interesse von institutionellen Anlegern, deren Anlagevorschriften zum Beispiel Investments in Aktien nicht zulassen.
Ein juveniler Markt mit wenigen Standards und Usancen
Der Coco-Sekundärmarkt steckt noch in den Kinderschuhen, und für die Einpreisung haben sich noch keine Marktstandards herausgebildet. Nur wenige Cocos besitzen ein Rating. Sowohl Moody’s, Standard & Poor’s als auch Fitch haben Cocos in den vergangenen Jahren eher als prekäre Instrumente eingeschätzt. Gründe hierfür sind: Auslösende Situationen und Ereignisse seien schwer abzuschätzen und Verluste von Coco-Besitzern sowie auch das Potenzial von Cocos, Eigenkapitalverluste von Banken aufzufangen, seien nur annähernd zu berechnen. Moody’s wird laut eigener Aussage keine Cocos bewerten, bei denen die Wandlung diskretionär, also nicht-technisch, in den Händen des Emittenten läge oder Auslöser definiert würden, die keine Aussage über die finanzielle Verfassung des Emittenten zulassen.
In den vergangenen Jahren haben überwiegend Privatanleger und kleinere Privatbanken in Europa und Asien Contingent Convertible Bonds gekauft. Laut Dealogic nahmen im vergangenen Jahr von dem circa zehn Milliarden Euro großen Markt der europäischen Cocos Privatbanken und Privatanleger circa 52 Prozent auf die Bücher, während Asset-Management-Firmen 27 Prozent des Volumens ausmachten. Dieses Bild hat sich 2014 geändert: Bei den vergangenen sieben Coco-Emissionen in diesem Jahr waren Asset Manager laut Financial Times mit 60 Prozent die größte Gruppe der Investoren.
Empfehlungen für Asset Manager
Die Empfehlungen der DVFA setzen beim Produktdesign an. Unter anderem sollten Contingent Convertible Bonds die Eigenkapitalquote als Auslöser besitzen, und der Schwellenwert sollte hoch sein, so dass beim Emittenten noch ausreichend Manövriermasse für die Gestaltung des „going concerns“ vorhanden ist. Zudem fordert die DVFA eine ausreichend transparente Dokumentation im Vorfeld der Emission. Nicht nur sollte die Berechnungsgrundlage der Eigenkapitalquote ausgewiesen werden, sie sollte auch beibehalten werden. Wie transparent ein Emittent berichtet und dokumentiert, lässt sich als Zeichen von guter Governance deuten. Je mehr Anreize beim Emittenten und seinem Aktionärskreis bestehen, die Wandlung oder Abschreibung herbeizuführen, desto höher das Risiko für den Coco-Käufer. Dies sollte entsprechend ausgewiesen werden.
Wenn Emissionen von Contingent Convertible Bonds allerdings so ablaufen wie schon die „normaler“ Anleihen – kurze Zeit, nachdem das Orderbuch auf ist, ist es schon mehrfach überzeichnet – dann dürfte sich die Motivation des Emittenten, in einem Verkäufermarkt und ohne Not freiwillig mehr Transparenz und Dokumentation als gesetzlich vorgeschrieben zu zeigen, in Grenzen halten.
Dass es kaum Ratings von Contingent Convertible Bonds gibt, ist weniger ein Problem für größere Asset Manager, die schon vor Jahren damit begonnen haben, interne Rating-Systeme und -Methoden auszubauen. Diese sind zum Teil methodisch strenger und inhaltlich konservativer als die der arrivierten Rating-Agenturen. Dennoch: Auch für gut aufgestellte Rentenfondsmanager ergibt sich die Herausforderung, Coco-Risiken zu modellieren und in ihrer Systematik abzubilden. Das heißt, Prospekte gründlich zu lesen, Schutzklauseln rigoros zu analysieren, und sowohl das Underlying als auch das Instrument in der Tiefe zu bewerten. Contingent Convertible Bonds sind analyseintensiv und erfordern methodische Sophistizierung vom Anleger. Ist dies gegeben, dann können Contingent Convertible Bonds eine gute Anreicherung von Renten-Portfeuilles oder Wandelanleihen-Spezialfonds darstellen.
portfolio institutionell, Ausgabe 5/2014
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