Bestandsmanagement wird Bestand haben
Run-off-Plattform Viridium kann Verzinsungen erhöhen. Konzentration auf Kapitalanlage und IT.
Das Geschäftsmodell eines externen Bestandsmanagern von Lebensversicherungen, oft auch als Run-off-Plattform tituliert, bleibt erklärungsbedürftig. Dieser Meinung ist auch Dr. Tilo Dresig, seit August 2021 Vorstandsvorsitzender der Viridium Gruppe. Viridium hat seit 2014 die Bestände der Lebensversicherer Heidelberger, Skandia, Mannheimer und Generali übernommen, deren Gesamtvolumen sich nun auf etwa 65 Milliarden Euro beläuft. In Kürze dürften weitere 20 Milliarden Euro der Zurich hinzukommen. Der Wettbewerber Athora verwaltet Ende 2021 in Deutschland rund 4,9 Milliarden Euro, die Frankfurter Leben beziffert ihre Kapitalanlagen mit 10,7 Milliarden Euro.
Für das Viridium-Geschäftsmodell konnte Dresig auf einer Pressekonferenz Anfang Mai mit guten Argumenten werben. So haben sich die Solvenzquoten der vier Versicherer auf im Schnitt 247 Prozent verbessert. Die Mannheimer, die einst von der Auffangeinrichtung Protektor übernommen werden musste und heute unter Entis firmiert, kommt sogar auf 330 Prozent. Zudem erhöhen sich die Verzinsungen. Tilo Dresig: „Nachdem wir in den vergangenen Jahren die Lebensversicherer in unserem Portfolio umfassend neu aufgestellt haben, freuen wir uns sehr, die laufende Mindestverzinsung für viele unserer Kunden signifikant erhöhen zu können.“ Bei der Generali steigt die laufende Mindestverzinsung um 1,1 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent. Damit erhalten die Kunden der heutigen Proxalto eine durchschnittliche laufende Verzinsung von 3,02 Prozent. Bei der Entis erhöht sich die laufende Mindestverzinsung auf 3,25 Prozent. Die durchschnittliche laufende Verzinsung der Entis liegt damit bei 3,75 Prozent. Das freut nicht nur die Lebensversicherungskunden, sondern auch die Eigentümer. „Nur wenn die Kunden mehr bekommen, bekommen auch die Aktionäre mehr“, so Dresig. Mehrheitlich gehört Viridium der Beteiligungsgesellschaft Cinven, Minderheitsaktionäre sind die Hannover Rück und die Generali.
100 Prozent Fixed Income
Dresig führt diese Verbesserungen auf drei Faktoren zurück: den Fokus auf reines Bestandsmanagement, womit Vertriebskosten wegfallen, auf Skaleneffekte und auf wachsende Expertise. Als hilfreich erweisen sich diese drei Faktoren in der Kapitalanlage und in der IT. In der Veranlagung bewirtschaften über 30 Asset Manager ein reines Fixed-Income-Portfolio, in dem sich auch alternative Finanzierungen finden. Die Verbindlichkeiten weisen eine durchschnittliche Vertragslaufzeit von 24 Jahren auf, die Viridium mit der entsprechenden Duration auf der Asset-Seite abdeckt.
Konsequentes ALM
Mit einem weniger strikten Asset-Liability-Management stünden die Solvenzquoten nach dem Zinsanstieg aber heute noch höher. Dresig sieht es allerdings nicht als Aufgabe der Viridium, sich in Zinsprognosen zu versuchen. „Wir wollen möglichst stabil und rentabel sein. In 2020 erwies es sich als sehr positiv, ein ALM zu haben.“ Beglückwünschen darf sich die Viridium aus heutiger Sicht auch dazu, die von der Generali übernommenen Immobilienbestände im Jahr 2019 komplett veräußert zu haben.
In der IT ist das Ziel, die Bestände auf eine Plattform zu bekommen. Die IT-Modernisierung der Proxalto beschreibt Viridium als „eine der größten und anspruchsvollsten in der Geschichte der deutschen Lebensversicherungen“. Insgesamt seien 2,2 Millionen Verträge und 900 (!) unterschiedliche Tarife auf eine neue effiziente IT-Plattform transferiert worden. Die dafür notwendigen Investitionen in Höhe von 250 Millionen Euro seien vollständig von Viridium getragen worden. Das IT-Kernsystem stammt von MSG. Für die Kapitalanlage nutzt der Bestandsspezialist UBS Delta und Blackrocks Aladdin.
Erklärungsbedürftig für Investoren könnte möglicherweise das Wachstum des Geschäftsmodells sein. Die Bestände sind nämlich mangels Neugeschäft grundsätzlich schrumpfend – außer es kommen neue Bestände von weiteren Lebensversicherungen hinzu. Ob dem so ist, kann heute aufgrund des Zinsanstiegs in Frage gestellt werden. Schließlich erhält ein Bestandsmanager ohne Neugeschäft keine frischen Gelder, um die nun höheren Renditen einzukaufen. Zweitens haben sich die mittelfristigen Anlageperspektiven von potenziellen Verkäufern verbessert, womit diese ihre Garantien leichter erwirtschaften können. Dresig entgegnet: „Viele Lebensversicherungen haben nun eine bessere Solvenz. Fraglich aber, ob diese auch ökonomisch besser dastehen. Dies wiederum hängt von der Liquidität ab, welche es braucht, um nun neu zu höheren Zinsen anlegen zu können.“ Außerdem sei nicht allein das Zinsumfeld für oder gegen eine Auslagerung ausschlaggebend. Weitere Motive sieht der 51-jährige unter anderem in der IT oder in der Volatilität der Solvenzquoten. Und: „Es gibt 80 Lebensversicherungen in Deutschland – und wir können es besser machen.“
Autoren: Patrick EiseleSchlagworte: Asset Liability Management (ALM) | Lebensversicherung | Outsourcing | Run-Off
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