Schwarzer Schwan
21. Juni 2013
Befohlener Corporatismus oder alle für einen
Die Mitarbeiter von Credit Suisse dürfen sich in diesem Sommer eine besonders lange Auszeit gönnen, wenn es nach dem Willen der Chefetage geht. Schöner Nebeneffekt: Sie helfen damit ihrem Arbeitgeber beim Sparen.
Urlaub – die schönste Zeit des Jahres! Wer fiebert nicht den zwei bis drei Wochen im Sommer entgegen, in denen es heißt: Raus aus dem Büro und rein in die Ferien. Über eine besonders lange Auszeit dürfen sich in diesem Jahr die Mitarbeiter des Bankhauses Credit Suisse freuen. Wie das Nachrichtenportal „Inside Paradeplatz“ berichtet, haben die Chefs des Finanzinstituts ihre Untergebenen aufgerufen, „diesen Sommer bis zu vier Wochen länger Ferien zu machen“.
Das klingt großartig, oder? Die ganze Sache hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Die Credit Suisse will keineswegs ihr Arbeitgeber-Image aufpolieren oder altruistisch neue Work-Life-Balance-Konzepte einführen. Die längeren Ferien sind nämlich unbezahlt. „Man soll einen eigenen Sparbeitrag leisten, lautet die Begründung der Chefs“, schreibt Inside Paradeplatz. Immerhin müsse die Bank mehrere Milliarden einsparen. Das klingt irgendwie nach befohlenem Patriotismus – oder besser: Corporatismus! Die Mitarbeiter müssen sich auch keine Sorgen um ihr Geld machen. Das ist nämlich nicht weg, sondern hat nur ein anderer: Konzernchef Brady Dougan! Er strich für das Jahr 2012 immerhin 7,77 Millionen Schweizer Franken als Boni ein – ein Drittel mehr als im Jahr zuvor. 2010 schnappte sich Dougan zudem einen Aktienbonus von 71 Millionen Franken. Der Corporatismus hat also seine Grenzen, und zwar an der obersten Führungsetage. In der Schweiz können Aktionäre zwar über die Vergütung und Boni abstimmen, im Falle von Credit Suisse winkten sie jedoch auf der Generalversammlung im April dieses Jahres den Vergütungsbericht und sogar eine Kapitalerhöhung zur Zahlung von Boni durch.
Die Möglichkeit zu einem unbezahlten Urlaub ist nicht neu, sondern gebe es schon länger, heißt es aus der Konzernzentrale gegenüber Inside Paradeplatz. Die aktive Ermutigung dazu riecht allerdings ein wenig nach Zwangsurlaub. Wie genau die Chefetage von Credit Suisse reagiert, wenn ein Mitarbeiter nicht die „freiwillige“ Auszeit nimmt, berichtet die Zürcher Finanznachrichtenplattform nicht. Allerdings soll es intern bei Credit Suisse Stimmen geben, die einen Zwang zu Gratisarbeit erkennen. So würde von manchen Gruppenleitern und aufstrebenden Managern erwartet, dass sie ihren Ferienbeitrag lediglich symbolisch interpretieren. „An wichtigen Sitzungen sollte der ‚Glückliche‘ dann weiterhin teilnehmen, und auch die drängendsten Probleme könnten nicht wochenlang liegenbleiben“, weiß Inside Paradeplatz zu berichten.
Während die Eidgenossen in diesem Jahr also längere Sommerferien genießen können, dann aber an ihre Arbeitsplätze zurückkehren dürfen, haben 5.200 Kollegen bei der Commerzbank bald so richtig viel Freizeit. Commerzbank-Chef Blessing und seine Mannen haben mit ihrer, nun ja, wenig erfolgreichen Arbeit in den vergangenen Jahren alles dafür getan, um möglichst vielen Mitarbeitern diese Auszeit zu ermöglichen.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio institutionell einen unbeschwerten Sommerurlaub.
Autoren:
portfolio institutionell
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