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3. April 2012

Bedeutung von Ratings für Anlagerichtlinien soll sinken

Die Herabstufung einiger Länder durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s zwingt regulierte Kapitalanleger zum Handeln: Weil ihre Anlagerichtlinien zum Teil allerbeste Bonitätsnoten vorschreiben, bleibt ihnen derzeit nur noch die Investition in Anleihen weniger Emittenten.

Viele regulierte Kapitalanleger übernehmen gegenüber ihren Kunden­ oder Mitgliedern Verpflichtungen, die nur erfüllt werden können,­ wenn die zur Verfügung stehenden Mittel am Kapitalmarkt angelegt werden. Dabei unterliegen sie mehr oder weniger strengen Regeln (Anlagerichtlinien), welche Vermögenswerte sie erwerben und halten dürfen. Zentrales Anliegen aller Anlagerichtlinien ist immer der Grundsatz der Sicherheit, flankiert von höchstmöglicher Renta­bilität und Liquidität. Man spricht hier auch vom magischen Dreieck der Kapitalanlage.

Den groben Rahmen für die Kapitalanlage regulierter Anleger gibt meist ein Parlamentsgesetz vor. Dieser Rahmen kann durch Rechtsverordnungen – etwa die Anlageverordnung für Versicherungsunternehmen – konkretisiert werden. Wenn nötig, werden Einzelheiten durch die Aufsichtsbehörden festgelegt. Schließlich geben sich die regulier­ten Anleger eigene, interne Richtlinien, wie sie von den Anlage­möglichkeiten Gebrauch machen wollen. Während Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften in der Regel als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden können, sind die internen Anlagerichtlinien zunächst Sache der Anleger. Verstöße gegen interne Richtlinien können aber ein Einschreiten der Aufsicht begründen, wenn sie als Beleg für mangelhafte Innenorganisation, insbesondere ein ungenügendes Risiko­management gewertet werden.

_Bund in der Rating-Falle

Auch der Bund muss bei der Vermögensanlage bestimmte Regeln einhalten. Er liefert mit seinem Sondervermögen „Versorgungsrücklage­ des Bundes“ ein plakatives Beispiel für die Schwierigkeiten, in die regulier­te Anleger geraten können, wenn ihre Anlagerichtlinien zu wenig flexibel sind für sich rasch ändernde Kapitalmarktbedingungen. Die Versorgungsrücklage ist ein milliardenschweres Sondervermögen des Bundes, das zur Deckung künftiger Versorgungs­aufwendungen eingesetzt werden soll. Die Mittel können „bei ­Wahrung der Anlagegrundsätze Sicherheit, Liquidität und Rendite in Euro denominierten, handelbaren Schuldverschreibungen angelegt werden“, so bestimmt Paragraf 5 Absatz 2 Satz 1 des Versorgungs­rücklagengesetzes. Nach Satz 2 der Norm erlässt das Bundesinnen­ministerium die Anlage­richtlinien dafür. Das „Handelsblatt online“ zitierte am 17. Januar 2012 aus den Anlagerichtlinien, dass nur in Schuldverschreibungen­ investiert werden dürfe, die „von den drei ­jeweils führenden, unabhängigen und an den internationalen ­Kapitalmärkten eingeführten Rating-Agenturen übereinstimmend mit ­einem Rating von AAA bewertet­ sind“.

_Es bleiben nur noch FI, LU, NL und DE

Auf Euro lautende Anleihen mit den Bestnoten von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch definierten schon in der Vergangenheit ein sehr beschränktes Anlageuniversum. Nachdem die Rating-Agenturen wiederholt die Bonitätsnoten von Eurostaaten herabgesetzt haben, bleiben für die Anlage der Versorgungsrücklage nur noch Anleihen Finnlands, Luxemburgs, der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland übrig. Das führt zu einem Zielkonflikt hinsichtlich der Einhaltung des Grundsatzes der Anlagesicherheit. Einerseits sollen die Bestnoten der drei großen Agenturen maximale­ Ausfallsicherheit begründen. Andererseits ist ausreichende Risikostreuung der Kern eines­ jeden Portfolios.

Dieser Zielkonflikt kann nur gelöst werden, indem das Bundesinnen­ministerium die Anlagerichtlinien dahingehend ändert, dass weniger strenge Bonitätsanforderungen gelten. Wenn längerfristig­ ein größeres Anlageuniversum erhalten bleiben soll, ist letztlich nur eine deutliche Senkung des Mindest-Ratings sinnvoll, um Spielraum bei weiteren Downgradings zu haben. Zwingend ist das jedoch nicht. Das Bundesinnenministerium könnte das dreifache AAA-Rating ­bestehen lassen. Das Anlagespektrum – von einem Universum mag man gar nicht mehr reden – fiele dann faktisch auf den Stand vor 2006 zurück. Bis dahin durfte die Versorgungsrücklage ausschließlich in handelbaren Schuldverschreibungen des Bundes angelegt ­werden. Opportun wäre diese Lösung aber wohl nicht. Wahrscheinlich wird das Bundesinnenministerium die Anforderungen an die Mindest­ratings in den Anlagerichtlinien reduzieren.

_Mehr Freiraum für deutsche Erstversicherer

Meist sind für Versicherungen die Anforderungen an die Bonitätsstufe und die Anzahl der Ratings weniger anspruchsvoll, als dies für die Versorgungsrücklage des Bundes der Fall ist. Beispielsweise dürfen­ die deutschen Erstversicherer prinzipiell alle Anleihen für ihr ­gebundenes Vermögen erwerben, die über ein Investmentgrade-­Rating ­verfügen. Bei unterschiedlichen Ratings durch mehrere ­Agenturen (Split Rating) ist von den beiden besten Noten die ­schlechtere maßgeblich. Verliert eine Anleihe ihre Qualifikation, ist sie grundsätzlich zu ­verkaufen oder in das freie, nicht regulierte ­Vermögen umzubuchen. Unter­ bestimmten Umständen kann eine heruntergestufte Anleihe auch im gebundenen Vermögen bleiben. Als High-Yield-Anleihe ­unterliegt sie einer fünfprozentigen ­Höchstquote und gilt aufsichtsrechtlich als Risikokapital. Anleihen mit D­efault Rating sind in jedem Fall ungeeignet.

Obwohl diese Vorgaben im Vergleich zur Versorgungsrücklage des Bundes moderat sind, ist es im Zuge der Finanzmarkt- und Schulden­krise zu einer bemerkenswerten Entwicklung gekommen. Griechische Staatsanleihen sind schon 2010 auf Speculative Grade herunter­gestuft worden. Die Fünfprozentquote für High-Yield-An­leihen, so wurde befürchtet, wäre von einzelnen Versicherungen überschritten worden. Die Bafin als Versicherungsaufsichtsbehörde ­verlautbarte damals, sie werde dennoch keine Notverkäufe von High-Yield-Anleihen fordern, um prozyklische Effekte zu vermeiden, die Finanz­marktstabilität zu unterstützen und Verluste bei den betroffenen Versicherern zu begrenzen. Es wäre auch kaum zu rechtfertigen gewesen, dass die Versicherungen durch erzwungene Veräußerungen der Griechenland-Bonds Verluste realisierten, während für dieselben Bonds unter Solvency II keine Eigenmittel vorgehalten werden müssten.­ Griechenland ist später von den drei großen Agenturen auf ein Default Rating heruntergestuft worden, so dass die Versicherungen­ griechisches Staatsanleihen eigentlich nicht länger im gebundenen Vermögen halten durften. Allerdings ist die Duldung von der Bafin schon im Juni 2011 auf mit „Default“ bewerteten Staatsanleihen ­erweitert worden, solange die Garantie des europäischen Stabilitäts­mechanismus besteht (bis 2013).

_Anleger sollen Bonität selbst bewerten

Die Staatschuldenkrise und die Herabstufung einiger Euroländer haben gezeigt, dass das Abstellen auf externe Ratings allein bei der Kapital­anlage nicht immer zielführend ist. Zwar sind nach aktuellen Anlagerichtlinien die externen Ratings bei den verzinslichen Anlagen immer noch das Maß aller Dinge. Die Politik will jetzt aber einen Paradig­menwechsel herbeiführen.

Nach Vorstellungen der EU-­Kommission soll neben die Beurteilung durch die Agenturen künftig die eigene Beurteilung der Bonität des Schuldners durch die Investoren treten. Dazu soll die EU-Verordnung über Rating-Agenturen in Zukunft vorschreiben, dass institutionelle Anleger eigene Kreditrisikobewertungen vornehmen und sich bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens oder eines­ Finanzinstruments nicht ausschließlich oder automatisch auf Ratings stützen dürfen. Die Ogaw-Richtlinie und die Richtlinie zur Regulierung alternativer Investmentfondsmanager (AIFM) definieren ein angemessenes Risikomanagementsystem künftig auch darüber, dass sich das Fondsmanagement bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der Assets nicht ausschließlich oder automatisch auf externe Ratings­ stützt.

_In die richtige Richtung

Auch wenn es dazu erst nach den Herabstufungen von Anleihen einiger Eurostaaten kam, so gehen die Maßnahmen der EU-Kommission zur Stärkung der eigenen Bonitätsbeurteilung durch die Anleger grundsätzlich in die richtige Richtung. Die Versorgungsrücklage des Bundes ist davon allerdings nicht betroffen. Der Bund kann seine Anlage­richtlinien auch künftig nach eigenem Ermessen gestalten.

portfolio institutionell 16.03.2012

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