Pension Management
26. November 2015

bAV: Ausfinanzierung kostet

Sollten die Unternehmen hierzulande das derzeitige Niedrigzins­umfeld nutzen, um die bilanziellen Risiken aus ihren Pensions­verpflichtungen zu reduzieren? Wie die Umsetzung bei kleineren Mittelständlern aussehen kann, zeigt Towers Watson.

Wie schwer wiegen Pensionsrisiken in der Bilanz? Bei der Beantwortung dieser Frage­ scheiden sich die Geister bei den 30 Dax-Unternehmen. Das lässt sich zumindest aus den Ausfinanzierungsgraden ablesen, die Ende 2014 zwischen 98 Prozent (Deutsche Bank) und 23 Prozent­ (Deutsche Telekom) lagen. Insgesamt haben die 30 Dax-Konzerne im vergangenen Jahr zusätzlich rund 10,6 Milliarden Euro in Pensionspläne dotiert. Absoluter Spitzenreiter: Daimler mit rund drei Milliarden Euro. Wer 2015 die meisten Gelder zusätzlich in seine Pensionspläne steckt, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Ob derzeit der richtige Zeitpunkt ist, um Pensionsverpflichtungen auszufinanzieren, hingegen schon. Bei der Beantwortung dieser Frage sind die Kosten­ der­ Ausfinanzierung entscheidend. Wie hoch diese sind, hat Mercer­ vor kurzem in seinem neuen „Global­ Pension Buyout Index“ berechnet.­ Für Deutschland gibt das Beratungs­haus darin einen Überblick über die Kosten einer ver­sicherungsförmigen Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen in Relation zu den Verpflichtungswerten,­ die in der Bilanz nach HGB und IFRS ausgewiesen werden.

Für eine vollständige Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen nach IFRS ist derzeit mit Kosten in Höhe von etwa 123 Prozent des Verpflichtungsumfangs zu rechnen. Das heißt: Für Verpflichtungswerte über 100 Millionen Euro wird eine Einmalprämie von etwa­ 123 Millionen Euro fällig.

„Mit Blick auf die Pensionsverpflichtungen im Dax, die ­vergangenes Jahr den Rekordwert von 372 Milliarden Euro erreicht haben, suchen Unternehmen nach Wegen, ihre Pensions­risiken zu minimieren. Seit Ende 2013 sind die Kosten für eine­ vollständige Ausfinanzierung von etwas über 130 auf heute circa 123 Prozent gesunken“, kommentiert Dirk Schmallenbach, Spezialist im Bereich International Benefits bei Mercer in Deutschland, den Index. Und weiter: „Einen Anstieg konnte man zum Jahreswechsel 2015 beobachten, als die Lebensversicherer ihre Tarife von 1,75 auf 1,25 Prozent Garantiezins umgestellt haben. Dennoch liegen die Kosten im Moment auf einem relativ günstigen Niveau. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten, es ist zum jetzigen Zeitpunkt aber von einer langsamen Kostensteigerung auszugehen.“ Für die Ermittlung der erforderlichen Prämie setzt Mercer den von den Lebens­versicherern garantierten Rechnungszins von 1,25 Prozent (beziehungsweise 1,75 Prozent vor dem 1. Januar 2015) an. Für die ­Ermittlung der korrespondierenden Bilanzwerte wird der jeweils maßgebende Rechnungszins unter Berücksichtigung einer zehnjährigen Duration herangezogen.

Für HGBler wird’s teuer
Deutlich teurer würde derzeit eine Ausfinanzierung von Verpflichtungen nach HGB kommen. Die Aufwendung läge laut Mercer-­Berechnungen bei etwa 146 Prozent des Verpflichtungswertes. Das Beratungshaus erwartet jedoch, dass die Kosten in Zukunft stark ­sinken könnten. „Die Politik diskutiert derzeit über eine Änderung des Zinsermittlungsverfahrens nach HGB. Statt des derzeit angewandten­ Siebenjahres-Zeitraums steht ein Zwölfjahres-Zeitraum zur Debatte,­ der die Situation deutlich entspannen und so eine Ausfinanzierung für nach HGB bilanzierende Unternehmen attraktiver machen würde“, so Schmallenbach. Er fügt hinzu: „Der ­Aufwand für Ausfinanzierungen im HGB-Abschluss würde sich bei einer Umsetzung künftig an das Niveau im IFRS-Abschluss annähern. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, zeitnah zu handeln.“

Auch auf der bAV-Konferenz von Towers Watson mit dem Titel „Tragödie oder Komödie? bAV mit Happy End!“ wurde Ende Oktober über die Minimierung der bilanziellen Risiken durch die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen diskutiert. Während der Podiums­diskussion berichtete Dr. Claus Buhleier, Partner im Bereich Wirtschaftsprüfung bei Deloitte Deutschland: „Es wird darüber nachgedacht, aber zugleich auch hinterfragt. Was ist der faire Preis dafür? Wir haben einige Unternehmen gesehen, denen der Preis zu hoch war und die dies doch lieber selbst machen.“ Eine weitere Ausfinanzierung der Pensionsverpflichtungen steht auch bei Eon nicht auf dem Plan. Das Energieunternehmen hatte 2014 rund 1,3 Milliarden Euro zusätzlich dotiert. Damit sind bereits rund zwei Drittel der rund 18 Milliarden Euro Pensionsverpflichtungen gefunded. „Würden wir heute den Zinssatz von 2009 anwenden, dann wären wir voll gefunded“, merkte Henryk Wuppermann, Head of Corporate Finance bei Eon, auf der bAV-Tagung an. Er macht mit diesem Beispiel auf ein ­Risiko aufmerksam, das sein Unternehmen nicht eingehen will: Overfunding. „Wenn wir jetzt auf ein volles Funding gehen und der Zins steigt, kommen wir ins Overfunding. Deshalb macht es keinen Sinn für uns, jetzt voll auszufinanzieren“, so Wuppermann. 

Towers Watson als mittelständisches Vorbild
Ein Beispiel für ein Unternehmen, das sich zu einer stärkeren Ausfinanzierung seiner Pensionsverpflichtungen entschieden hat, ist Towers Watson. Als Unternehmen mit 800 Mitarbeitern in Deutschland gehört das Beratungshaus hierzulande zum Mittelstand. Für seine­ eigenen Pensionsverpflichtungen, die nicht bereits durch eine rückgedeckte Unterstützungskasse gefunded sind, hat Towers Watson  deshalb eine Lösung gesucht, die für einen Mittelständler angemessen ist. „Die Deckung von Pensionsverpflichtungen war bei uns in Deutschland ein Thema, aber das Cashmanagement des Konzerns wird nicht in Deutschland gemacht. Vor etwa drei Jahren konnten wir unsere Organisation­ überzeugen, die nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen ebenfalls mit Kapital zu unterlegen“, erinnerte sich Dr. Thomas Jasper, Leiter Retirement Solution bei Towers Watson, in ­einem Workshops auf der bAV-Konferenz. Für die Ausfinanzierung werden zwei Vehikel der Finanzierungsplattform von Towers Watson genutzt: der Gruppen-CTA für den aktiven Bestand und der Pensionsfonds für die Rentner. Diese Aufteilung ist in erster Linie steuerlich getrieben, da sich der aktive Bestand nicht ohne weiteres auf einen Pensionsfonds übertragen lässt. Derzeit liegt das Funding-Level für die Pensionsverpflichtungen, die nicht bereits über eine Unterstützungskasse rückgedeckt sind, bei 18 Prozent. Das Level soll jedoch in den nächsten Jahren sukzessive steigen. Dies soll zum einen dadurch gelingen, dass die Rentenzahlungen aus dem operativen Geschäft bedient werden und nicht aus den Assets. Zum anderen seien zusätzliche Dotierungen denkbar, was allerdings eine Entscheidung der Corporate-Finance-Abteilung des Gesamtkonzerns ist und nicht von Towers Watson in Deutschland. „Wir würden gern mehr Funding machen“, so Jasper.

Eine zweite Frage, die sich Towers Watson bei der Ausfinanzierung seiner Pensionsverpflichtungen stellte, war laut Jasper: „Wie organisiere­ ich das Asset Management?“ Die Antwort: Im April dieses Jahres wurden zwei Spezialfonds mit unterschiedlichen Risiko­profilen – „Dynamic“ und „Robust“ – aufgelegt, für die Towers Watson­ mit seinem Investmentteam zwar die Strategie festlegt und die Asset Manager­ selektiert, aber die Kapitalanlage nicht selbst managt. Das Anlageuniversum der beiden Fonds umfasst derzeit drei Asset-Klassen:­ globale Aktien, europäische Staatsanleihen und europäische Unternehmensanleihen. Perspektivisch sollen noch weitere Asset-Klassen hinzukommen. „Eine breit diversifizierte Anlage ist optimal“, erläuterte Sabine Mahnert von Towers Watson. Aber diese sei derzeit mit 20 Millionen Euro an Assets nicht machbar. Als weitere wichtige Nebenbedingung beim Aufsetzen der beiden Spezialfonds nannte sie attraktive Gebühren. Obwohl das Volumen relativ klein ist, wollte man ähnliche Fees, wie sie Towers Watson global für die rund zwei Billionen Euro under Advice bekommt: 40 bis 50 Basispunkte.

Für den Dynamic-Fonds, der etwas risikofreudiger ist und 60 Prozent in globale Aktien investiert, liegt die Renditeerwartung auf Zehnjahressicht bei 4,8 Prozent pro Jahr. Für den Robust-Spezialfonds, der nur 20 Prozent in globale Aktien investiert und eine­ etwas längere Duration hat, beträgt sie 3,1 Prozent. Die beiden Vehikel,­ Pensionsfonds und CTA, sind Anleger der beiden Spezialfonds. Eine Analyse aus ALM-Perspektive hat ein Mischungsverhältnis der beiden Fonds „Dynamic“ und „Robust“ von 34 und 66 Prozent er­geben, so dass die drei Asset-Klassen im Endportfolio je ein Drittel ausmachen.

Schluss mit dem Konservatismus
Deutlich bescheidener als bei den Pensionsplänen von Towers Watson fallen die Rendite­erwartungen bei den meisten anderen Pensions­einrichtungen in Deutschland aus. Auf Zehnjahressicht rechnen die Verantwortlichen für Pensionspläne in deutschen ­Unternehmen nur noch mit durchschnittlich 2,8 Prozent pro Jahr. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Rückgang um 1,1 Prozentpunkte, wie der neuen Studie „Pension Risk Management und Anlage von Pensions­vermögen“ von Towers Watson­ zu entnehmen ist, an der Entscheider in zahlreichen Unternehmen mit einem Planvermögen­ von insgesamt 120 Milliarden Euro teil­nahmen.

Obwohl die Renditeziele damit voraussichtlich verfehlt würden, schrecken die deutschen Pensionseinrichtungen vor einer Anpassung ihrer Asset Allocation, die eine höhere Rendite bringen könnte, ­zurück. Der Anteil an konservativen Papieren hat im Vergleich zum Vorjahr sogar zugenommen. Die befragten Unternehmen investieren ihre­ Pensionsvermögen zu 63 Prozent in Renten (2014: 59 Prozent). Ebenfalls zugelegt hat der Aktienanteil, und zwar von 27 auf 29 ­Prozent. Allerdings ist dieser Anstieg um zwei Prozentpunkte nur marginal, um eine entsprechende Wirkung im Portfolio zu haben. ­Towers Watson wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ­Aktien durchschnittlich kaum mehr als ein Viertel der Portfolios ­ausmachen, aber für 60 Prozent des Wertbeitrags der Gesamtrendite verantwortlich sind. Darüber hinaus ließe sich durch größere Anteile an alternativen Assets,­ die meist nur gering mit Aktien und Renten korrelieren, das Portfolio breiter aufstellen. „So kann die Gesamtrendite von 2,8 auf 3,2 Prozent gesteigert werden, ohne das Risikobudget weiter zu belasten“, erklärte Herbert Graf, Senior Investment Analyst bei Towers Watson. Um eine noch höhere Rendite erzielen zu ­können, müssen deutsche Investoren ihren Konservatismus hinsichtlich ihres Portfolios ablegen.

Doch davon ist derzeit nichts zu spüren. Im Gegenteil: Der Anteil an Alternatives und Immobilien im Portfolio ist leicht rückläufig. Laut Towers Watson machen diese jeweils vier Prozent aus, 2014 waren es zusammen zehn Prozent. „Auch ein breit gefächertes Rentenportfolio kann fehlende Renditetreiber im Gesamtportfolio nicht ausgleichen. Weil Anleger vor größeren Investments in Aktien oder alternative ­Anlageklassen zurückscheuen, bleiben viele hinter ihren Renditezielen zurück“, bemerkte Nigel Cresswell, Head of Investment Consulting bei Towers Watson Deutschland. „Um Renditeziele zu erreichen und langfristig stabil zu wirtschaften, sollte sich der Portfoliokon­struktionsprozess aber nicht an unterschiedlichen Asset-Klassen orientieren, sondern am gewünschten Mix der Renditetreiber und Risikoprämien“­, so Cresswell weiter. Der Großteil der Befragten ist sich dessen bewusst. Immerhin 60 Prozent geben an, die Diversität ihrer Anlagen spiele für sie eine sehr wichtige Rolle beim strategischen Asset Management.­ Taten folgen lassen jedoch die wenigsten, wie die durchschnittliche Zusammensetzung der Portfolios zeigt.

Auf die Frage nach den größten Risikopotenzialen nannten die befragten­ Unternehmen zu allererst den weiter schrumpfenden Rechnungszins (94 Prozent). Nur knapp dahinter folgen das Anhalten der Niedrigzinsphase (91 Prozent) und eine Veränderung der Zinskurve (82 Prozent). Als weiteres Beispiel, das die Unsicherheit unter den Anlegern gut zum Ausdruck bringt, führte Towers Watson die ­Einschätzung zur Inflation an: Das Risikopotenzial von Deflation und Inflation wird etwa gleich groß eingeschätzt (50 beziehungsweise 57 Prozent).

Von Kerstin Bendix

portfolio institutionell, Ausgabe 11/2015

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