Balance zwischen Garantie und Chance in der bAV
Arbeitgeber stehen in der bAV vor der Herausforderung, zwischen Chance und Garantie zu balancieren. Für einen angemessenen Chancenanteil muss ein begrenztes Risiko eingegangen werden. Ein kollektiver Ansatz für die Kapitalanlage wäre ein Weg, mit den üblichen Modellen im Massenmarkt gibt es nur eine Lösung für die Anwartschaftsphase.
Wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern eine betriebliche Altersversorgung (bAV) verspricht, möchte er diesen als Teil der Vergütungspolitik einen Mehrwert bieten, sie langfristig ans Unternehmen binden und soziale Verantwortung für den Arbeitnehmer übernehmen. Betriebswirtschaftlich hat er ein großes Interesse daran, dass er die Aufwendungen fest kalkulieren kann und von betriebsfremden biometrischen und vor allem von Kapitalanlagerisiken befreit ist. Da in Deutschland die reine Beitragszusage nicht möglich ist, kann er versuchen, die Risiken auf einen Anbieter oder ein Verfahren zu übertragen, welches die Risiken übernimmt oder im Verfahren zu vermeiden verspricht.
In der derzeitigen Finanzmarktlage mit einem auf Dauer angelegten extrem niedrigen risikolosen Zins kommt der Arbeitgeber jedoch in ein Dilemma. Er möchte dem Arbeitnehmer bei der bAV nicht nur den eingelegten (finanzierten) Beitrag als Mehrwert vermitteln. Beim Arbeitnehmer liegen die Vorteile gegenüber der eigenen Kapitalanlage neben dem finanzierten Beitrag in der steuerlichen Förderung, eventuell noch in einem Kollektivrabatt und in der Begleitung durch die vermeintliche Finanzkompetenz des Arbeitgebers. Für eine höhere Rendite, die nur aus einem „risky asset“ stammen kann, muss entweder der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer ein Kapitalanlagerisiko tragen. In der betrieblichen Altersversorgung ist dies jedoch nur begrenzt möglich.
Der reinen Beitragszusage kommt die arbeitsrechtlich zulässige Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) am nächsten. Hier ist gemäß Paragraf 1 Absatz 2 Nummer 2 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) der Kapitalerhalt der jeweils gezahlten Beiträge zum Zeitpunkt des Rentenbeginns zu garantieren. Es besteht die Pflicht, alle Erträge der Anlage mitzugeben. Die Beitragzusage mit Mindestleistung ist nur in den versicherungsförmigen Durchführungswegen zugelassen.
Die beitragsorientierte Leistungszusage (bolz) verlangt den Kapitalerhalt sowie eine Mindestverzinsung, jedoch ohne eine Pflicht zur Mitgabe von weiteren Erträgen. In letzter Zeit ist die Mitgabe jedoch üblich geworden und entsprechend sind gespaltene Bezugsrechte zurückgedrängt worden. Gemäß Paragraf 1 Absatz 2 Nummer 1 Betriebsrentengesetz sind die gezahlten Beiträge in eine „Anwartschaft auf Versorgung“ umzuwandeln, und diese ist zu garantieren – ist also eine Zusage. Die Mindestverzinsung als höhere Garantie lässt bei dem Anbieter nur eine risikoarme Kapitalanlage zu und führt so zu keinen beeindruckenden Versorgungen. Die klassischen deutschen Lebensversicherungsprodukte enthalten gleich mehrere Garantiekomponenten, und zwar wie folgt:
– den Kapitalerhalt (bezogen auf den Nettobeitrag)
– einen Mindestzins bei Vertragsabschluss (der zum Abschlusszeitpunkt garantierte Rechnungszins wird über die gesamte Vertragslaufzeit garantiert)
– gleicher Mindestzins als Thesaurierungszins (Zinseszins)
– gleicher Mindestzins für Anlage der zugeteilten Überschüsse (die jährlich zugeteilten nicht garantierten Überschüsse – Direktgutschrift und RfB-Ausschüttung – werden zum Zeitpunkt der jährlichen Zuteilung für die Restlaufzeit inklusive eines Mindestzinses garantiert)
Die jährlich ermittelten Überschusszuteilungen oberhalb der Mindestverzinsung werden also nach der Zuteilung ebenfalls garantiert. Nur der Schlussüberschussanteil (durchschnittlich 15 Prozent der Zuteilung) und die Bewertungsreserven sind endfällig. Daraus ergibt sich, dass auch nur der freie Teil der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB), der in der Zeitachse die Überschussvolatilität nivellieren soll, neben dem Eigenkapital des Versicherers als Puffer für einen Value-at-Risk-Ansatz zur Verfügung steht. Innerhalb des Verfahrens von Solvency II bestimmt er letztendlich den Risikoappetit eines Lebensversicherers. Gleichzeitig handelt es sich aber auch um einen kollektiven Value-at-Risk-Puffer, der beginnenden Verträgen in gleicher Höhe zur Verfügung steht wie Verträgen kurz vor dem Ablauf. Dies unterscheidet ihn von den derzeitigen Ansätzen nach Absolute Return. Der Puffer über die freie RfB für den Einsatz von riskanten Assets ist nicht sonderlich hoch in Anbetracht dessen, dass die Versicherer den Garantiezins nicht mehr mit dem risikolosen Zins erwirtschaften können. Daher sind neue Formen der Garantien in der Diskussion (nicht abschließend):
– Höhe des Mindestzinses
– Abschnittsgarantien
– zweistufiger Garantiezins (erste Stufe: vertragslanger Mindestzins, zweite Stufe: Abschnittszins)
– verschiedene Garantiezinsen für Sparbeiträge, Zinseszins und Überschusswiederanlage.
Ob der neue – teils politische Kompromiss – auch vom Garantiebegriff eines im Betriebsrentengesetz formulierten Zusagebegriffes erfasst wird, wird das Bundesarbeitsgericht vermutlich erst Jahre später rechtssicher feststellen.
Der Arbeitgeber kann sich für seine Zusage einer bAV beim Versicherer auch einer fondsgebundenen Lebensversicherung bedienen, soweit entweder er selber (formal immer er) oder der Anbieter mindestens eine Beitragserhaltungsgarantie ausspricht (BZML). Um diese Garantie prognosefrei durch ein rein technisches Umschichtungsverfahren zu erreichen, wird oft eine Constant Proportion Portfolio Insurance Strategie (CPPI) eingesetzt. Der Arbeitgeber kann die Finanzierung seiner bAV jedoch auch in einer relativ freien Kapitalanlage außerhalb von der klassischen oder fondsgebundenen Lebensversicherung gestalten. Dies ist in Pensionsfonds, Contractual Trust Arrangement (CTA) oder anderem insolvenzgesicherten zugeordneten Vermögen möglich, soweit es in der Handelsbilanz zu einer Saldierung mit der Verpflichtung führen soll.
CPPI führt zu Pfadabhängigkeit
Damit kommt man zur freien Kapitalanlage des Arbeitgebers. Möchte der Arbeitgeber das Kapitalanlagerisiko nicht tragen, so muss er sich der Verfahren „Absolute Return“ (definiert als Kapitalerhalt und nicht als Return in jeder Börsenphase) oder „CPPI“ bedienen, wobei das CPPI ein prognosefreier, rein technisch ablaufender Prozess der Kapitalerhaltung ist.
Der Nachteil des CPPI ist seine Pfadabhängigkeit. Dies bedeutet, dass das Renditeziel und damit die Partizipation nicht der Aktienkurs am Ende des Absicherungshorizontes ist, sondern das Instrumentarium dem Kursverlauf davor folgt und daran positiv wie negativ partizipiert. Bei ausgeprägter Trendbewegung des Marktes wird das CPPI jede fixe Allokation outperformen. Bei volatilen Seitwärtsmärkten verringern Transaktionskosten das Cushion. Zudem besteht die Gefahr, nicht am Rebound zu partizipieren – Stichwort „Cash Lock“ – und im Trend zu leicht erhöhten Preisen wieder einzusteigen. Das durchschnittliche Exposure in riskanten Assets ist stark von der Laufzeit abhängig. Der Kapitalerhalt als Garantiefaktor wird durch die Zeitachse relativiert, da eine Wertung durch den diskontierten risikolosen Zins erfolgen muss (Barwertbetrachtung).
Bei Lebensversicherungsprodukten ist der risikolose Zins durch den Mindestzins berücksichtigt, erhöht also die Garantie. Bei Absolute Return relativiert sich der Kapitalerhalt der eingebrachten nominellen Investition über die Zeitachse bei endfälligen Produkten. Die Garantie wird über den „Verbrauch“ des risikolosen Zinses generiert. Je länger der Zeitraum, umso niedriger die Reserve für den Floor. Das Exposure ist zu Beginn relativ hoch und nimmt mit der Zeitachse ab, soweit Erträge, die nicht ebenfalls auch nur anteilig garantiert werden sollen, die Reserve mit dem risikolosen Zins nicht überkompensieren. Beides ist bei den klassischen Lebensversicherungen mit Garantien versehen. Insofern ist der reine Kapitalerhalt der Investition (Sparbeitrag) über eine lange Laufzeit nicht mit den Garantien in der Lebensversicherung vergleichbar. Ein Vertrag mit einem jungen Arbeitnehmer führt zu einem hohen Exposure, der Vertrag eines älteren Arbeitnehmers zu einem niedrigen Exposure (Stichwort: Risikotragfähigkeit). Bei Verträgen mit laufenden Beiträgen liegt das Exposure im Durchschnitt wie bei einem älteren Arbeitnehmer, und der Schwerpunkt des Vermögens liegt in der zweiten zeitlichen Hälfte. Das Verhältnis zwischen Garantie und Chance im „risky asset“ ist für beide Personen gleichermaßen unbefriedigend:
– junge Mitarbeiter: Garantie im Verhältnis zum Zinseszinseffekt
der Laufzeit
– alte Mitarbeiter: hohe Garantie zum Preis des niedrigen Exposure
Begrenzte Risikotragung als Wertsteigerung
Der langfristig niedrige risikolose Zins führt zu einer in der Höhe moderaten Garantieerzeugung, die zugleich nur noch wenig Risiko zulässt. Wenn der Arbeitgeber einen echten Mehrwert oberhalb des eingesetzten Beitrags sowie der gesetzlich geforderten Garantie leisten möchte, dann ist er herausgefordert, ein Anlagerisiko zu übernehmen. Bei dem derzeit niedrigen risikolosen Zins und dessen niedrigem Faktor auf ein Exposure, würde bereits eine Risikotragung von 20 Prozent der Kapitalanlage Erhebliches bewirken können (bei einem Wertsicherungsniveau von 80 Prozent).
Der psychologische Verkaufseffekt gegenüber seinen Arbeitnehmern wäre enorm, wenn die Verhältnisse von Investition, Garantie und Exposure der Renditemöglichkeit gegenübergestellt würden. Der Arbeitgeber steigert den Anerkennungswert seiner Investition überproportional. Die Haftung (das Tragen des Kapitalanlagerisikos) des Arbeitgebers muss im Verhältnis zu seiner ohnehin vorhandenen Investition gesehen werden. Im Worst Case erhöht sich seine geplante Investition um 20 Prozent bei einem Konfidenzniveau von vielleicht zwei Prozent, macht sie aber im Regelfall mit einem Erwartungswert von mehr als 50 Prozent um einige Basispunkte werthaltiger/ertragreicher. Bis hierhin handelt es sich jedoch weiterhin um einen individuellen Ansatz, der keine Chancengleichheit zwischen Alt und Jung herstellt (sollte dies ein unternehmenspolitisches Ziel sein).
Eine kollektive Kapitalanlage mit einem kollektiven Risiko-Exposure findet sich über die RfB bei einem Versicherer. Ein Absolute-Return-Ansatz leidet unter dem Ungleichgewicht im Verhältnis zur Garantiehöhe (und zum Chancenpotenzial) in Anbetracht der Zeitachse. Nun könnte der Arbeitgeber über ein kollektives Risiko-Exposure für seine Arbeitnehmer nachdenken, um die gleichen „zuzurechnenden“ Kapitalanlagechancen für alle Planteilnehmer zu erzeugen. Es könnte also Sinn machen, die Garantiehöhe für jeden Arbeitnehmer nicht nur an den absolut aufgewendeten Beiträgen (80 Prozent, 100 Prozent dieser et cetera), sondern auch an der Zeitachse mittels des Einbezugs zum Beispiel eines risikolosen Zinses zu orientieren. Als abhängige Variable würde – unter sonst gleichen Bedingungen – jeder das gleiche Risiko-Rendite-Exposure erhalten. Da jedoch der gesetzlich bedingte 100-prozentige Kapitalerhalt als Unterbedingung einzuhalten wäre, würde dies bedeuten, dass aufgrund der zu berücksichtigenden Kurzläufer (ältere Arbeitnehmer) die verhältnismäßig gleichrangige Garantie oberhalb des eingesetzten Kapitals liegen müsste. Diese versuchte Gleichstellung in den Chancen würde zu einem zu hohen absoluten Garantieblock führen, wenn man den 100-prozentigen Kapitalerhalt eines Kurzläufers ebenso berücksichtigen möchte wie einen angemessen Zins für Langläufer, um für die jungen Mitarbeiter eine ebenso adäquate Garantie zu erzeugen. Dann wäre kein Puffer für ein Risky Asset Exposure mehr da.
Dies gilt zumindest, wenn man nicht zu einer reinen Leistungszusage im Sinne von Paragraf 1 Absatz 1 Betriebsrentengesetz möchte, die eine Leistung unabhängig von der Betriebszugehörigkeitsdauer versprechen kann (kein Beitrag als auslösender Faktor benannt). Mit den üblichen Modellen hat man übrigens nur ein Modell für die Anwartschaftsphase geschaffen, die Rentenphase mit den monatlichen, biometrisch unsicheren Garantiezeitpunkten steht hier noch außen vor.
Es ist sicherlich schwierig, den richtigen ausgewogenen Weg zwischen Garantie und Chance für eine ganze Belegschaft zu finden. Doch ein Arbeitgeber wird langfristig an seinem System und dessen Ergebnissen in Jahrzehnten gemessen und kann nicht an einer verpuffenden Werbedarstellung interessiert sein.
portfolio institutionell, Ausgabe 3/2013
Autoren: Markus Klinger In Verbindung stehende Artikel:
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