Ausschau halten nach dem Risk-Return-Trade-off
Den Großteil ihrer Assets hat die Zurich bereits vor Jahren ausgelagert, intern verblieben sind vornehmlich Rentenanlagen, speziell Staatsanleihen. Das Niedrigzinsumfeld lässt den Chefinvestmentstrategen Tom Rogers manchmal schwer schlucken. Trotzdem versucht er immer, das Risiko-Rendite-Verhältnis auf Total-Return-Ebene zu optimieren.
Interview mit Tom Rogers, Zurich Versicherung
Der Großteil Ihrer Kapitalanlagen – mehr als 70 Prozent – wird extern verwaltet. Was wird von Ihnen noch intern gemanagt?
Das, was inhouse verblieben ist, ähnelt in mancher Hinsicht stark den ausgelagerten Assets. Wir sind ein Versicherungsunternehmen, unsere Assets bestehen größtenteils aus Fixed Income, wo auch immer wir in der Welt sind. Der größte Teil ist also in Festverzinsliche investiert, wobei diese Assets sowohl intern gemanagt werden als auch ausgelagert sind. Intern liegt der Fokus wahrscheinlich mehr auf Staatsanleihen und etwas weniger auf Credits. Wenn es um Outsourcing geht, suchen wir verstärkt das Know-how von Drittmanagern im Credit Research und Credit Risk Management.
Wir haben 200 Milliarden Dollar Assets under Management. Früher wäre dies genug gewesen, um auch global ausreichende Betriebsgrößenvorteile zu erzielen. Aber heute sind 200 Milliarden Dollar für einen Asset Manager einfach nicht genug – schließlich gibt es Asset Manager, die Billionen verwalten. Wenn man einen fokussierten Ansatz fährt, sind 200 Milliarden Dollar ein ausreichendes Volumen. Aber wenn man bei dieser Größenordnung versucht, die Assets zu diversifizieren, wird das für die Mitarbeiter sehr herausfordernd. Als Versicherungsunternehmen sind wir ja dazu verpflichtet, die Risiko-Rendite-Trade-offs auszubalancieren.
Vermutlich war die Fixed-Income-Expertise historisch immer vorhanden und ist auch deshalb inhouse verblieben?
Wir haben nicht alles intern behalten. Uns war natürlich sehr bewusst, dass wir auch intern Asset Manager brauchen. Typischerweise sitzen diese in Ländern, in denen Third-Party-Asset-Manager traditionell keine großen Player sind. In Südamerika und in einigen asiatischen Märkten gibt es normalerweise keine externen Asset Manager, die hierfür infrage kämen. Also blieben wir hier beim Insourcing, wofür sowohl das gesunde Risiko-Rendite-Verhältnis als auch der Kosten-Nutzen-Aspekt sprechen.
Was sind Ihre Pläne bezüglich der internen Kapazitäten? Wird als Endresultat ein komplettes Outsourcing angestrebt?
Wir sind nicht auf ein Komplett-Outsourcing fixiert. Unser Ziel ist vielmehr ein effektives Management unserer Assets gegenüber den Verbindlichkeiten. Was wir anstreben, ist lokal das beste Team zu finden. Persönlich halte ich es für sehr viel nützlicher, in vielen Ländern vor Ort zu sein und nicht alles von London, Frankfurt oder New York aus zu managen. Einige Asset Manager haben die dafür nötigen Netzwerke, andere nicht. Also achten wir darauf, wie wir Zugang zu lokalem Know-how bekommen und wie wir ein Verständnis für die lokale Versicherungsaufsicht erlangen.
Es sind schwierige Zeiten, um auskömmliche Renditen mit klassischem Fixed Income zu erzielen. Was könnten Alternativen sein?
Es ist sehr schwierig, hohe Renditen zu erzielen, ohne dafür mehr Risiko in Kauf zu nehmen. Also ist unser Ansatz immer, das Risiko-Rendite-Verhältnis der Assets gegenüber den Verbindlichkeiten in der Balance zu halten. Wenn unsere Analyse in diesem Prozess ergibt, dass wir mehr Credit nehmen sollten, was uns höhere Renditen ermöglicht, würden wir das tun. Unsere Modelle sagen uns derzeit aber etwas anderes. Aktuell sind wir nicht auf der Suche nach höheren Renditen im Kreditsegment. Wir versuchen immer, das Risiko-Rendite-Verhältnis auf Total-Return-Ebene zu optimieren und dabei die ökonomischen Rahmenbedingungen zu beachten.
Nein, manchmal gefällt mir der Preis von Anleihen nicht. Aber um das Risiko-Rendite-Verhältnis in einem gesunden Gleichgewicht zu halten, ist es richtig, weiterzumachen und zu kaufen. Allerdings schlucken wir manchmal schon schwer.
Neben Renten haben wir auch andere Asset-Klassen im Portfolio, dazu gehören natürlich Aktien, Private Equity und einige Hedgefonds. Wir mischen und diversifizieren unser Portfolio, es besteht nicht alles nur aus Fixed Income.
Wie sehr stützen Sie sich auf Modelle?
Zu einem angemessenen Teil. Wir nutzen aber auch unser Hirn, es sind nicht nur Modelle. Dort drin befinden sich die Urteilsfähigkeit und das Wissen um die Stärken und Schwächen von unseren Modellen: Welche Signale senden sie mir, die ich vielleicht lieber mit Vorsicht genießen sollte?
Wie haben die Modelle in den vergangenen Jahren funktioniert?
Sie haben ziemlich gut funktioniert. Ich denke, einer der Gründe, weshalb die Zurich derzeit ziemlich stark positioniert ist, ist, dass uns die Modelle gute Indikationen dafür gegeben haben, wo die Risiken sind und wie man sie vermeidet. Die andere Seite ist: Man muss auch die Disziplin innerhalb der Investmentgemeinde haben, um sich zum Beispiel vor der Renditejagd zu hüten und Risiken zu meiden, die man nicht eindeutig versteht. Eine meiner Faustregeln lautet: Investiere nicht in Dinge, die du nicht verstehst.
Es lässt sich sehr einfach sagen: „Ooh, da gibt es eine hohe Rendite, einen schönen und attraktiv aussehenden Return.“ Aber wenn ich nicht verstehe, weshalb diese Rendite angeboten wird, werde ich mich nicht in diese Welt wagen.
Was sagen Ihnen die Modelle im Moment?
Es gibt da draußen im Moment nicht viel, das attraktiv ist. Das Problem ist, ausreichend Assets zu finden, die ein attraktives Rendite-Risiko-Verhältnis bieten, das wir für den Abgleich unserer Assets und Liabilities suchen. Deshalb versuchen wir gar nicht erst, einen perfekten Match hinzubekommen. Aber natürlich beginnen wir immer mit den Verbindlichkeiten, wenn wir festlegen, wie unsere Asset-Seite aussehen soll. Deshalb ist das ein Thema. Aber offensichtlich beeinflusst die Politik beide Seiten der Bilanz, die Asset- und die Liability-Seite. Da wir in der Vergangenheit einen einigermaßen guten Match hinbekommen haben, befinden wir uns immer noch in einer ziemlich starken Position. Deswegen bleiben wir auch bei unserer Disziplin und unserem Ansatz.
Wie sieht es denn mit anderen Formen von Income aus?
Wir schauen uns zum Beispiel Loans, Private Placements und viele andere Dinge an. Aber noch mal, man muss in der Analyse ziemlich sorgfältig sein. Deswegen sind wir in dieser Hinsicht vielleicht etwas langsam. Allerdings haben wir bereits ein paar Private-Placement-Aktivitäten in den USA und werden wohl auch noch ein paar mehr davon in Europa machen. Diese Dinge schauen wir uns an – nicht notwendigerweise nur wegen der Renditen aus dem puren Kreditrisiko. Die Illiquidität dieser Art von Assets bietet uns auch ein bisschen Prämie. Deshalb setzen wir viel daran, uns sowohl auf Risikoprämien zu fokussieren, die nur durch unser Exposure zu einer Asset-Klasse kommen – was wir Beta nennen –, als auch auf Rendite- und Risikoprämien, die man durch die Mandatierung eines Asset Managers bekommen kann, der besondere Fähigkeiten auf einem bestimmten Gebiet hat. Weitaus mehr Return kommt dabei von der Beta-Seite als von der Alpha-Seite.
Ein großer Teil der Arbeit bei der Managerauswahl ist, tatsächlich zu versuchen, zwischen den Managern zu unterscheiden, die dieses Alpha zuverlässig liefern, und denen, die dies nicht tun.
Wo stehen Sie in der Aktiv-Passiv-Debatte?
Ich werde zurückgehen zu dem, was ich eben bereits über die Teilung des Risikospektrums in Beta und Alpha gesagt habe. Beta ist, wenn man so will, die passive Seite. Passiv und Fixed Income sind nicht dasselbe wie passiv und Aktien, weil man nicht einfach den Markt kaufen kann. Wenn man auf den aggregierten Index von Barclays oder einen ähnlichen Index schaut, sieht man, dass es dort Tausende von Wertpapieren gibt. Das ist ein ziemlicher Unterschied zum FTSE 100. Der Trick dabei ist, sicherzustellen, dass man Manager hat, die das Beta sowohl aus Perspektive der Zinsrisiken als auch aus Perspektive der Kreditrisiken managen können und die versuchen, etwas Alpha außerhalb davon in speziell ausgewählten Bereichen zu erzielen. Zum Beispiel beim Kreditrisiko denken wir, dass ein Großteil des Alphas vom Manager durch die Wertpapierauswahl kommt.
Was ist für Sie die interessanteste illiquide Investmentmöglichkeit?
Wir schauen uns natürlich einige der Möglichkeiten an, die sich aus den Geschehnissen in der europäischen Bankenwelt ergeben. Durch das Entschulden der Banken kommen einige Assets auf den Markt, die für Versicherungen interessant sein könnten. Mir kommen hier zum Beispiel Bank Loans in den Sinn. Das ist ein Gebiet, das wir uns angeschaut haben und in das wir in der Vergangenheit einiges an Arbeit gesteckt haben.
Das Feld der Private Placements ist eine alternative Funding-Quelle für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht direkt an den Kapitalmarkt gehen können. Das ist ebenfalls ein Gebiet, das wir uns aktiv anschauen. Wir glauben, dass sich durch den Rückzug der europäischen Banken aus der Kreditfinanzierung in all ihren Einheiten ein paar Möglichkeiten ergeben dürften. Wir müssen aber sehr vorsichtig sein, wenn wir in dieses Gebiet als Investor einsteigen. Denn ich bin sicher, dass die Banken nicht freiwillig den Gedanken hegen: „Lasst mich meine besten Loans abwerfen.“
Was ist mit Infrastruktur? Ist diese Asset-Klasse interessant für Sie?
Wir schauen uns Infrastruktur an, aber wir sind nicht in großem Stil in diesem Feld unterwegs. Natürlich sind ein paar unserer Assets mit Infrastruktur verwandt, tatsächlich sind sie jedoch Debt. Und wir machen jede Menge Debt.
Ich kann überzeugend darlegen, dass Bonds von Energieversorgern Infrastruktur-Debt sind, aber es gibt sicher viel mehr in diesem Markt als das. In diesen Fällen schauen wir genau hin und fragen uns, ob die Struktur dieser Art von Infrastruktur-Debt auf einen anderen Asset-Typ zurückgeht und ob sie adäquat für die angebotenen Returns abgesichert ist.
Würden Sie auch Manager in Betracht ziehen, die zu einem anderen Versicherungskonzern gehören, wie M&G oder Aviva Investors, weil sie zum Beispiel über eine Expertise auf einem bestimmten Gebiet verfügen, in das Sie gern einsteigen wollen?
Wir würden sie sicher in Betracht ziehen. Aber wir wären vorsichtig, wenn wir den Asset Manager eines Wettbewerbers mandatieren. Sie managen schließlich die Assets für eine Drittpartei. Es gibt nur einige wenige Fälle, in denen wir dies tun.
Können Sie mir ein Beispiel geben?
Private Placements wären ein Fall, wo Versicherer typischerweise zu finden sind. Hier haben wir entschieden, keine eigene Einheit zu bilden und mit einem Third-Party-Asset-Manager zu arbeiten. Das passiert mit einem Versicherungsunternehmen, weil auch sie an den Loans partizipieren werden. Es ist in dem Fall sehr gut für die Interessensgleichheit, einen Asset Manager auf diesem Gebiet zu haben, der in den Ausarbeitungen sehr aktiv ist.
Welche Rolle spielen Regularien bei Ihrer Entscheidungsfindung? Wird Solvency II ein Problem?
Für uns steht immer die Ökonomie im Fokus. Wir fahren seit Jahren unser eigenes internes ökonomisches Modell für ein gesundes Risiko-Rendite-Verhältnis. Als Schweizer Unternehmen sind wir bereits seit 2011 zu Swiss-Solvency-Tests verpflichtet, die in vielen Bereichen Solvency II ähneln. In dieser Hinsicht sind wir also voraus. In der Tat denke ich, dass das Swiss-Solvency-Modell für Solvency II so etwas wie ein Vorbild geliefert hat.
Dasselbe Modell, das wir für die Swiss-Solvency-Tests nutzen, liefert auch den Hintergrund und das Rückgrat für die Arbeit, die unter Solvency II gemacht werden muss. Aber darauf schauen wir nur am Rande. Das sind regulatorische Einschränkungen im Rahmen dessen, worauf wir uns fokussieren, nämlich die zugrundeliegende Ökonomie unseres Modells, ein gesundes Risiko-Rendite-Verhältnis der Assets und Liabilities für unsere gewünschten Ziele und die effiziente ökonomische Nutzung des Kapitals. Wir haben nicht festgestellt, dass uns Solvency II oder der Swiss-Solvency-Test enorm von dem wegbewegt, was wir aus ökonomischer Sicht machen wollen. Es gibt einzelne Asset-Klassen, die der Regulator nicht mag und die er mehr nach unten drücken würde, als uns aus unseren ökonomischen Einschätzungen heraus richtig erscheint. Hedgefonds sind ein Beispiel dafür. Ohne den Swiss-Solvency-Test und Solvency II würden wir in dieser Kategorie sicher mehr machen als sonst.
Wie ist Ihre persönliche Sicht auf Solvency II?
Persönlich denke ich, es ist eine positive Entwicklung für die Versicherungsbranche, näher an die Wirtschaft und Kapitalanforderungen heranzurücken, die hier von Versicherungen eingefordert werden. Insgesamt gibt es wenige Bereiche, wo sich Solvency II von der Ökonomie entfernt. Einige sehen wir, diese müssen wir einfach mit einer gewissen Vorsicht nehmen.
Es ist aber auf gewisse Weise bedauerlich, dass die Regulatoren die wirtschaftliche Situation ausblenden. Ich denke, langfristig ist es nicht im besten Interesse der Branche und der Konsumenten dieses Sektors.
portfolio institutionell, Ausgabe 2/2013
Autoren: Chris Panteli In Verbindung stehende Artikel:
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