AT1-Investoren der Credit Suisse prüfen offenbar Klage
Im Zuge der Übernahme durch die UBS wurden Additional-Tier-1-Anleihen der Credit Suisse auf null abgeschrieben. Anleger prüfen nun rechtliche Schritte gegen diese Entscheidung der Finma.
Investoren von Nachrang-Bonds der Credit Suisse (CS) prüfen offenbar rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der schweizerischen Finanzaufsicht Finma, die Additional-Tier-1-Anleihen im Zuge der Übernahme der CS durch die UBS auf null abzuschreiben. Das berichtete die Börsen-Zeitung am Dienstag. Bei den abgeschriebenen AT1-Papieren geht es um ein Volumen von insgesamt 16 Milliarden Schweizer Franken.
Bondanleger, die sich gegen die Totalabschreibung wehren wollten, sollen dem Bericht zufolge einen bedeutenden Prozentsatz des gesamten Nominalwerts der Instrumente repräsentieren. Wie die Börsen-Zeitung weiter berichtet, gehörten die Allianz-Tochter Pimco und der US-Vermögensverwalter Invesco zu den Investoren mit den größten Positionen in Nachranganleihen der Credit Suisse.
Anleger fragen sich nun auch, welche Auswirkungen die jüngste Entscheidung der Finma bezüglich der Nachrang-Bonds der Credit Suisse auf den Markt für Cocos (Contigent Convertible Bonds) hat. Die Entscheidung der eidgenössischen Finanzaufsicht führte zu Unsicherheit in Bezug auf Nachrangbonds von Banken und zu negativen Marktreaktionen. Das zeigen Kommentare von Marktteilnehmern. Als einen politischen Fehler bezeichnet zum Beispiel Silvia Merler, Head of ESG & Policy Research beim Asset Manager Algebris Investments, die Finma-Entscheidung. Denn bei der Genehmigung der Übernahme der Credit Suisse durch die Schweizer Großbank UBS habe die Finma die AT1-Papiere der Credit Suisse zwar vollständig abgeschrieben, den Aktionären hingegen sei ein Teil des Erlöses geblieben.
AT1-Papiere sind Merler zufolge eine Form festverzinslicher Wertpapiere, die nach der globalen Finanzkrise eingeführt wurden und die das Eigenkapital der Banken im Bedarfsfall ohne den Rückgriff auf Steuergelder stärken sollen. Die Idee dahinter sei gewesen, einen „Sicherheitspuffer“‘ zwischen Aktionären – die im Falle einer Bankenabwicklung oder Bankenrestrukturierung zuerst Verluste tragen – und Inhabern nicht versicherter Einlagen einzuführen. Letztere würden die Behörden so weit wie möglich schützen wollen, um das Risiko einer Vertrauenskrise und eines Bankruns zu vermeiden.
Unsicherheit in puncto Abwicklungs-Hierarchie
Für AT1-Papiere identifiziert Merler zwei Situationen, in denen diese Anleihen abgeschrieben werden können. „Der erste Fall: Wenn die harte Eigenkapitalquote (Common Equity Tier 1, CET1) einer Bank unter das aufsichtsrechtliche Minimum von je nach Land sieben Prozent oder 5,125 Prozent ihrer risikogewichteten Vermögenswerte (RWA) sinkt, werden die wandelbaren Instrumente abgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt. Der zweite Fall: AT1 können abgeschrieben oder umgewandelt werden, wenn die Bank im Rahmen einer Umstrukturierung oder Abwicklung öffentliche Unterstützung erhält“, so Merler. Es werde in diesem Fall jedoch erwartet, dass das Bail-in – also die Beteiligung der Gläubiger an den Verlusten – nach wie vor entsprechend der Hierarchie der Forderungen geschieht. „Das heißt: Zuerst kommen die Aktionäre, dann die Anleihegläubiger und schließlich die nicht versicherten Einlagen an die Reihe“, so Merler. Im Fall der Credit Suisse sei dies nicht geschehen: Obwohl die AT1-Anleihen technisch gesehen vorrangig vor dem Eigenkapital sind, seien sie vollständig abgeschrieben worden, während den Aktionären ein Rückforderungswert von drei Milliarden Schweizer Franken zugestanden wurde.
Erheblicher politischer Fehler
Merler von Algebris Investments zieht ein deutliches Fazit: „Unseres Erachtens war es ein erheblicher politischer Fehler der Finma, von diesem Ermessungsspielraum Gebrauch zu machen. Er führt zu einer Verzerrung der Forderungshierarchie im Schweizer Finanzsystem und wirft die Frage auf, wie vorrangig die Schuldner der Schweizer Banken tatsächlich sind. Es ist zu erwarten, dass die Aktienumwandlung von nun an ein wichtigeres Merkmal der von Schweizer Banken emittierten AT1-Papiere sein wird – denn diese müssen den Anlegern versichern, dass ihre Papiere nicht vor den Aktien abgeschrieben werden.“
Allerdings stehe dieser Fehler gleichzeitig in Verbindung mit einer Besonderheit des schweizerischen Rahmens für Bankenabwicklungen und wäre im Rahmen der EU-Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken (BRRD) oder des britischen Rahmens für Bankenabwicklungen kaum reproduzierbar, so Merler.
Diskussion um Bankenunion könnte wieder aufleben
Merler glaubt zudem, dass der aktuelle Fall eine Vollendung der Bankenunion in Europa neu befeuern könnte: „Der Schutz vorrangiger Gläubiger entsprechend der Forderungshierarchie ist der Schlüssel zur Wahrung der Finanzstabilität für den Fall, dass eine Bank umstrukturiert oder abgewickelt werden muss. Dieser Ansatz wurde in den USA und in Europa in früheren Fällen konsequent angewandt. Wir sehen keinen Grund für Zweifel, dass das auch weiterhin der Fall sein wird. In Europa könnte dieses Ereignis unserer Meinung nach sogar dazu führen, dass die seit Langem ruhende Diskussion über die Vollendung der Bankenunion wieder aufgenommen wird.“
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Anleihen | Banken | Nachrang | Unternehmensanleihen
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