Strategien
14. Oktober 2016

Asset Allocation in anämischen Zeiten

Die Durationsparty war in vollem Gange, sie scheint nun aber vorerst vorbei zu sein. Wo die Musik noch spielt, darum ging es auf dem Colloquium von Pioneer.

Wachsende Mitgliederzahlen sind für eine Altersvorsorgeeinrichtung grundsätzlich ein Segen, mit Blick auf das Nullzinsumfeld zugleich aber auch ein Fluch. „Im derzeitigen Umfeld Gelder anzulegen, macht keinen Spaß“, gestand Axel Rahn, Abteilungsleiter im Bereich Asset Management bei den kirchlichen Versorgungskassen KZVK/VKPB in Dortmund, auf dem Executive Colloquium von Pioneer Investments am vergangenen Donnerstag. „Momentan ist alles teuer“, fügte er hinzu. Trotzdem kommt er nicht umhin, jedes Jahr ein Anlagevolumen von rund einer Milliarde Euro anzulegen.
Die strategische Asset Allocation für 2017 steht bereits, sie muss nur noch vom Vorstand abgesegnet werden. Geplant ist, den Anteil des Rentenportfolios von derzeit rund 66 auf 62 Prozent weiter zu reduzieren.  Im Gegenzug soll zum einen die Alternatives-Quote von derzeit einem auf drei Prozent und zum anderen der Immobilienanteil von sieben auf neun Prozent aufgestockt werden. Wenn Rahn von Alternatives spricht, dann ist damit ausschließlich Private Equity gemeint. „Hier bekommen wir 200 bis 300 Basispunkte mehr im Vergleich zu Liquid Equity. Das ist attraktiv“, so Rahn. Umgesetzt wird dies nicht über Dachfonds, sondern eine eigene Struktur in Luxemburg, die seit ungefähr zwei Jahren steht. Auf die Frage, warum die Dortmunder nicht auch in andere Alternatives investieren, hat Axel Rahn eine einfache Antwort: „Wir sind sieben Leute im Asset Management. Wir können nicht alles machen. Wenn wir in etwas investieren, dann wollen wir es voll verstehen.“
In seinem Vortrag auf dem Pioneer-Colloquium räumte er jedoch ein, dass es schwer ist ein ALM-Portfolio zu schlagen. „Ich bin demütig geworden hinsichtlich der Fähigkeiten des aktiven Managements“, so Rahn. Diese Demut kommt nicht von ungefähr, sondern entstammt nicht zuletzt den Performance- und Attributionsmessungen, denen sich die kirchlichen Versorgungskassen KZVK/VKPB selbst unterziehen. „Dies dient der Kontrolle unserer Planung und Umsetzung. Das ALM-Portfolio hat das Ist-Portfolio über die vergangenen fünf Jahre outperformt“, resümierte Rahn.
Rückblickend kommt Rahn allerdings noch zu einer anderen wichtigen Erkenntnis: „Die alles dominierende Frage ist die nach der Duration. Wo bin ich positioniert? Wie viel Aktien und Renten ich habe, ist völlig irrelevant. Entscheidend für die erzielte Rendite in den vergangenen Jahren war die Duration.“ Diese klare Botschaft ergab sich unter anderem bei einem Vergleich der Wertentwicklung von zwei Direktbestandsportfolien der Versorgungskassen. Das Ergebnis: Zwei Jahre mehr Duration erzielen eine Outperformance von 1,4 Prozent pro Jahr. Wie es nach vorne weitergeht, darüber ist man intern bei den kirchlichen Versorgungskassen KZVK/VKPB derzeit in der Diskussion. Rahn plädiert für eine Reduzierung der Duration. Seines Erachtens ist die Durationsparty vorbei. „Wir haben die Prämie für zehn Jahr Duration berechnet. Im historischen Durchschnitt lag sie bei 150 Basispunkten, heute stehen wir bei 50 Basispunkten. Die Zinsstrukturkurve hat sich seit 2009 deutlich verflacht“, merkte Rahn an.     
Kein Grund zum Jubeln
„Wir leben in einer Welt ohne Zins und müssen alles neu denken. Alle Modelle basieren auf einer Komponente des risikolosen Zinses. Doch es ist zu hinterfragen, ob es den risikolosen Zins überhaupt noch gibt. Man muss neu definieren und in der Konsequenz neu allokieren“, eröffnete Evi Vogl, Sprecherin der Geschäftsführung bei Pioneer Investments Deutschland, ihre Präsentation auf dem Colloquium. Aus den traditionellen Asset-Klassen erwartet sie sich in naher Zukunft wenig Grund zur Freude. Im Gegenteil. Die jüngsten Berechnungen ihres Hauses – mithilfe eines Mean-Reversion-Modells – zeichnen „kein erfreuliches Bild“ für die zu erwartenden Realrenditen in traditionellen Anlageklassen. „Die liquiden Rentenmärkte sind in unseren Erwartungen eher negative Kontributoren für unsere Portfolios. Erst die relativ volatilen Aktienmärkte werden in der langen Frist positive Beiträge liefern“, so Vogl. „Übersetzt man das in rollierende Fünfjahresrenditen, sieht man, dass die durchschnittlichen Erträge in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zurückgekommen sind“, führte sie weiter aus. Zur Veranschaulichung zog die Pioneer-Geschäftsführerin ein simuliertes Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Bonds heran, wohl wissend, dass dieses Beispiel eher unrealistisch ist, weil sich kein institutioneller Investor eine solche Aktienquote leisten kann. Doch das ist an dieser Stelle nachrangig. Entscheidender ist der starke Rückgang der rollierenden Fünfjahresrendite pro Jahr. Diese ging von 14,4 Prozent (1985 bis 1995) zunächst auf 10,3 Prozent (1995 bis 2005) und 6,5 Prozent (2005 bis 2015) zurück. Nach vorne prognostiziert Pioneer 4,4 Prozent (2015 bis 2025). „Dieser reale Return bringt mich nicht zum Jubeln“, so Vogl.
Doch nicht nur auf der Ertragsseite herrscht Druck, sondern auch auf der Kostenseite. „Der Regulator hat uns mit einer Flut an Regularien beglückt“, bemerkte Vogl ein wenig sarkastisch. Und das werde er auch weiter tun. Erschwerend komme hinzu, dass die Anzahl der Extremereignisse deutlich zugenommen hat. Der Anteil habe in den vergangenen 15 Jahren bei fünf Prozent gelegen, während die Wahrscheinlichkeit nach der Normalverteilung nur 0,13 Prozent beträgt. Angesichts dieser Umstände kommt die Pioneer-Geschäftsführerin nicht umhin festzustellen: „Die Zeiten, in denen man mit institutionellen Investoren über Kapitalmarkt-Benchmarks und Tracking Errors und Abweichung in Basispunkten sprach, sind vorbei. Der Dialog muss sich vielmehr um Fragestellungen drehen wie: Was sind die Risikobudgets? Wie sind die Rahmenbedingungen und Erwartungen?“ Dann könne man entsprechend lösungsgerecht an die Ausgestaltung der Portfolien gehen.  
Deutschlands Zwiespalt
Wie eine Anlagestrategie im derzeitigen Umfeld aussehen könnte, dazu konnte und wollte Professor Dr. Dr. Udo Di Fabio, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D., nichts ausführen. Stattdessen sprach er in seinem Vortrag von den Chancen und Herausforderungen Europas. „Wir sind in Europa an einem Wendepunkt“, zeigte er sich überzeugt. Und er warnte davor, das Brexit-Votum als singuläres Ereignis zu betrachten. Es stehe für die Krise in Europa. Deutschland sieht er in einem besonderen Zwiespalt. Einerseits bestehe das wirtschaftliche Interesse daran, dass Großbritannien den Zugang zum Binnenmarkt behält. Anderseits müsse man auf das Scheitern der britischen Wirtschaft hoffen. Denn wenn die britische Wirtschaft erblüht, hätte dies eine negative Signalwirkung.
Seiner Ansicht nach wäre 2010 der Zeitpunkt gewesen, um ehrlich zu sein und Griechenland insolvent gehen zu lassen. Doch dazu war man nicht bereit – auch aus dem Grund, weil Europa nicht allein mit diesem Problem stand. „Der US-Präsident hat gefordert, dass man Griechenland nicht insolvent gehen lässt“, merkte Di Fabio an. Dann fiel sein Blick auf Italien und dessen Schuldenstand. Eine Leitzinserhöhung würde das südeuropäische Land nicht überstehen, davon ist Di Fabio überzeugt. „Die Politik wird weiter auf die Bypässe von Mario Draghi hoffen. Eine Zinserhöhung werden wir vielleicht bei der Fed sehen, aber nicht bei der EZB“, fügte er hinzu. Für die Zukunft Europas sieht er zwei Szenarien: Fortsetzung der Krise oder Rekonstruktion. Sein Rat: „Europa sollte nicht der Verführung der gelenkten Marktwirtschaft erliegen, sondern rekonstruieren.“ Doch vermutlich werde der Weg irgendwo dazwischen liegen.     
portfolio institutionell newsflash 14.10.2016/Kerstin Bendix

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