Schwarzer Schwan
5. Juli 2013

Alte Meister – neue Sorgen

Kunst als Asset-Klasse hat sich in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen in der institutionellen Kapitalanlage etabliert. Und das aus gutem Grund.

Unvergessen ist die Kunstbeflissenheit des Pensionsfonds der Britischen Eisenbahn, der ab den 70er Jahren zehn Prozent seiner Gelder in diesem – für institutionelle Verhältnisse – unkonventionellen Segment als Inflationsschutz angelegt hat. Über viele Jahre hinweg hat die Altersversorgungseinrichtung „Railpen“ auf dem Kunstmarkt zugegriffen, was das Zeug hielt, und die so zusammengestückelte Sammlung später mit hohem Gewinn verkauft. Danach wurde die „Kunstquote“, wenn man es denn so ausdrücken mag, nicht neu bestückt. Ob daran das Aufsichtsregime Solvency II schuld ist, das bei exotischen Assets, wie Ölschinken und Skulpturen, eine Eigenkapitalunterlegungspflicht jenseits von Gut und Böse vorsehen dürfte, ist nur eine vage Vermutung. Vielleicht wurde auch in den Anlageausschusssitzungen zu viel diskutiert oder der Consultant wusste nicht, wie er Kunst in seine ALM-Studie integrieren soll?
Im Geldgewerbe findet man Kunst heute zwar nicht im Portfolio, dafür aber zuhauf auf den Fluren und in Besprechungsräumen. Angeblich, um den Mitarbeitern ein attraktives und anregendes Umfeld zu bieten, hat die Geschäftsleistung von Sal. Oppenheim vor Jahren mal eine große Kunstsammlung an die Wände gehängt. Mag sein, dass man sich – mit der aufkommenden Finanzkrise und den finanziellen Engpässen – aber einfach die überfälligen Malerarbeiten sparen wollte und stattdessen die Alten Meister aus dem Keller geholt hat. 
Was Sal. Oppenheim gut findet, das kommt auch in den Zwillingstürmen der heutigen Muttergesellschaft Deutsche Bank gut an – jedenfalls solange es nichts mit Vermögensverwaltung zu tun hat, wie die jüngste Entlassungswelle bei Sal. Oppenheim zeigt. So hat die wegen ihrer Kunstsammlung angesehene und als Strukturierungskünstler bekannte Deutsche Bank an über 900 ihrer Standorte Kunst ausgestellt. Auf der Homepage heißt es triumphierend: „Hier im Hauptsitz schlägt das Herz des globalen Kunstengagements.“ 
Nun, wir vermuten, dass sich hinter so viel Gehabe nicht nur ein Faible für Kunst und ansehnliche Sachwerte verbirgt. Vielmehr sollen auch die Gläubiger adressiert werden, nach dem Motto: „Seht her, wenn im Investmentbanking am Ende alles verjubelt wurde, haben wir noch eine unermesslich große Kunstsammlung – quasi als Collateral zu bieten.“ Bei Lehman Brothers erwies sich der Erlös der Kunst-Zwangsversteigerung allerdings nur als der Tropfen auf den heißen Stein. Bei der Deutschen Bank würde man wohl Peanuts sagen.
Dass mit Kunst im Zweifelsfall kein Staat zu machen ist, zeigt das Beispiel „Spanien“. Im Land von Sangria, Seat und Sonnenschein liegt der Kunstmarkt am Boden. Käufer sind Mangelware. Grund dafür sind vor allem Sparmaßnahmen der Regierung von Mariano Rajoy. Nicht zuträglich für das Gewerbe war die Mehrwertsteuererhöhung auf Kunst von acht auf 21 Prozent, die seit dem vergangenen Jahr gilt. Experten erwarten nun einen Rückgang der künstlerischen Aktivität und die Schließung von 20 Prozent der Galerien. Laut der Süddeutschen Zeitung fährt der spanische Staat die Kunstförderung massiv zurück. Das wiederum treibt die Künstler in die Arme von Banken als Sponsoren. Und hier schließt sich der Kreis.  
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio institutionell ein schönes Wochenende.
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