Strategien
1. Oktober 2013

Aktiv in Aktien

Real Assets stehen auf der Investorenagenda ganz oben. Mit einer Ausnahme: Aktien. Dass Aktieninvestments auch langfristig erfolgreich sein können, zeigt die Pensionskasse Degussa. Sie setzt auf aktives Management, und zwar ­sowohl beim Investmentansatz der Asset Manager als auch beim eigenen Management der mandatierten Manager.

Interview mit Dirk Brockhaus

Herr Brockhaus, der S&P 500 und der M-Dax legten im ersten Halbjahr deutlich zu, stark verloren haben dagegen Schwellenländer­aktien. Wie entwickelte sich das Aktienport­folio der Pensionskasse Degussa?
Insgesamt sind die Märkte schwierig. Aber mit unserer Übergewichtung von ­internationalen Aktien, primär US-Aktien, und unseren zugrundeliegenden Aktienfondsmanagern sind wir zufrieden. Viele ­erzielten eine deutliche Outperformance ­gegenüber der Benchmark.

Und wie zufrieden ist die Pensionskasse mit Aktien bei langfristiger Betrachtung? In den vergangenen 15 Jahren waren einige Hochs und Tiefs zu verzeichnen.
Unser Aktienanteil ist relativ gering. Wir haben zusätzlich noch ein eigenes Overlay Management, in dem wir Aktienrisiken ­beispielsweise über Put-Optionen hedgen. Unser offenes Aktien-Exposure liegt lang­fristig zwischen drei und zehn Prozent und ist abhängig von dem jeweiligen Markt­umfeld und unserem Risikobudget. Unsere strategische Asset-Allokation wird auf Basis einer ­regelmäßigen Asset-Liability-Studie ermittelt. Daraus ergibt sich eine Quote für euro­päische und internationale Aktien, die uns als strategische Orientierung dient. Mit Hilfe des Overlay­ Managements konnten wir die Schwankungen der Aktienmärkte etwas glätten. Geholfen hat uns aktives ­Management. Gute Fondsmanager konnten auch über ­einen längeren Zeitraum eine ­erhebliche Outperformance generieren.
Wir sind gegenüber Aktien also gar nicht so kritisch eingestellt. Im Gegenteil denken wir, dass Aktien insbesondere mit Blick auf die aktuelle Dividendenrendite im Vergleich zu Zinstiteln langfristig durchaus eine attraktive Asset-Klasse sind.

Dabei lehrt die Statistik, dass die meisten ­Asset Manager hinter ihrer Benchmark ­zurückbleiben. Sind die möglichen Zusatzrenditen der einzige Grund für die Wahl von aktiven Managern?
Wir haben über alle Asset-Klassen hinweg nahezu ausschließlich aktiv gemanagte ­Ansätze. Mit diesen verbinden wir natürlich vor allem das Ziel, zusätzlich Alpha zu generieren. Das hat auch wirklich sehr gut funktioniert. Unsere beiden größten europäischen Aktienmanager haben 2012 ihre Benchmark um beachtliche zehn beziehungsweise 5,5 Prozent geschlagen und lagen beide im ersten Quartil der Vergleichsgruppe. Über alle Asset-­Klassen hinweg betrachtet lagen 60 Prozent unserer Manager im ersten Quartil, bei unseren Unternehmensanleihenmanagern waren es sogar 100 Prozent. Selbst bei Staatsanleihen konnten unsere Asset Manager­ im vergangenen Jahr die Benchmark um acht Prozent schlagen.
Ein zusätzlicher Mehrwert von aktivem Management ist aber auch der aktive Austausch über Marktentwicklungen. Wir führen mit unseren Fondsmanagern regelmäßig ­Telefonkonferenzen durch, um uns über Marktentwicklungen und Markteinschätzungen auszutauschen.

Lässt sich diese deutliche Outperformance auf Performance Fees zurückführen?
Im Normalfall bekommen die klassischen Long-only-Manager von uns eine Management Fee. Nur in Einzelfällen gibt es zusätzlich noch eine Erfolgskomponente. Wir haben nichts dagegen, wenn der Asset Manager an seinem Erfolg partizipiert.

Wie kommt denn die Pensionskasse Degussa zu ihren Aktienmanagern? Welche Kriterien sind Ihnen wichtig?
Insgesamt sind wir eher konservativ ­aufgestellt. Ein wichtiger quantitativer Selektionsfaktor ist für uns, dass der Asset ­Manager in schwachen Marktphasen in der Lage ist, das Risiko zu begrenzen, indem er sich ­konservativer positioniert. Deshalb ist uns ­besonders wichtig, dass die Volatilität beziehungsweise der maximale Drawdown unter der Benchmark liegt. Asset Manager mit ­einer überdurchschnittlich hohen Volatilität und einem­ besonders hohen Drawdown in ­einer Abwärtsphase fallen schon in der ersten Selektions­runde raus.

Im Rahmen der quantitativen Analyse schauen wir uns verschiedene Rendite-­Risiko-Kennzahlen an. Wir wollen ein Gefühl dafür bekommen, wie sich ein Fonds in Abwärts-, Seitwärts- und Aufwärtsphasen entwickelt. Wir suchen Asset Manager, die möglichst in allen drei Phasen besser als der Index sind und über verschiedene Zeiträume kontinuierlich im ersten oder zweiten Quartil der ­Vergleichsgruppe liegen.
Nach der quantitativen Analyse betrachten wir qualitative ­Aspekte. Dazu zählen die Organisation, das Managementteam, die ­Investmentstrategie, der Investmentprozess, das Risikomanagement et cetera.
 
Was ist bei der Bewertung von Asset Managern ansonsten wichtig?
Wir untersuchen genau, warum der Fondsmanager in der Vergangenheit Alpha generiert hat. Es gibt europäische Large-Cap-Aktienfonds, deren tatsächliche Alpha-Quelle zum Beispiel Emerging-Markets-Aktien oder Small Caps sind. Solche Style Drifts wollen wir nicht. Um diese zu erkennen, lassen wir uns vom Asset Manager das komplette Portfolio zeigen und uns Performance-Attributions- und Stilanalysen geben.

Werden Sie eher bei deutschen oder ausländischen Häusern, bei Boutiquen oder bei Großanbietern fündig?
Wir beschäftigen sehr etablierte Fondsmanager. Für die Europa-Mandate sind es größtenteils britische Asset Manager. Die ­Manager für amerikanische Aktien sitzen ­natürlich in den Vereinigten Staaten. Deutsche Asset Manager sind bei uns eher wenig vertreten.

Bei ausländischen Häusern tritt oft das Problem auf, dass der deutsche Vertriebsmann den Fondsmanager in Übersee für spezielle Investorenanfragen und Sonderwünsche aus Deutschland nur schwer begeistern kann.
Dank unseres Volumens haben wir hier keine Probleme. Wenn wir es für nötig erachten, können wir mit dem Fondsmanager ­Telefonkonferenzen vereinbaren. Diese reisen für den Beauty Contest oder später bei ­bestimmten wichtigen Themen auch zu uns nach Essen. In Ausnahmefällen tauschen wir uns auch mit einem Produktspezialisten aus, wobei hier die Qualität dann doch unterschiedlich ist. Prinzipiell präferieren wir den direkten Kontakt zum Fondsmanagement.
Über alle Asset-Klassen hinweg betrachtet sind wir insgesamt, auch bei ausländischen Managern, mit der Kundenbetreuung sehr zufrieden. Wir arbeiten mit großen Fonds­gesellschaften zusammen, die nicht nur sehr erfolgreich sind, sondern auch einen erstklassigen Service und einen direkten Draht zum Fondsmanagement bieten.
Die Kunden­betreuung erfolgt nicht in ­jedem Fall in deutscher Sprache, was aber für uns auch nicht notwendig ist. Wir sprechen wie ­erwähnt ja auch ­lieber gern direkt mit den Portfoliomanagern.

Nutzt die Pensionskasse Degussa für die ­Selektion Consultants?
Das ist je nach Asset-Klasse und der Komplexität des Themas unterschiedlich. ­Einzelne Managerselektionen – beispielsweise im ­Aktiensegment – machen wir selbst. Dazu nutzen wir eine Datenbank, wie zum Beispiel Morningstar, für die quantitative ­Vorselektion. Im zweiten Schritt achten wir dann auf ­verschiedene qualitative Faktoren, erstellen auf dieser Basis eine Short List und empfangen dann eine kleinere Anzahl an Fondsmanagern in unserem Haus zum Beauty ­Contest. Häufig führen wir auch noch eine Vor-Ort-Due-Diligence bei dem Fondsmanager durch.

Welche Erkenntnisse ergeben sich denn aus einem Vor-Ort-Besuch bei einem potenziellen Asset Manager?
Diese sind natürlich abhängig von der ­Asset-Klasse und der Größe des Hauses. Bei einem großen, renommierten Haus und ­einer relativ einfachen Asset-Klasse und ­Strategie ist ein Vor-Ort-Besuch nicht unbedingt vonnöten. Anders gelagert ist der Fall, wenn mehr Komplexität im Spiel ist und der Asset Manager relativ unbekannt. Dann machen wir eine Vor-Ort-Due-Diligence, um uns ­einen Eindruck von dessen organisatorischer Aufstellung, dessen Risikomanagement und dessen Denke und so weiter zu verschaffen. Bei Absolute-Return-Strategien suchen wir fast jeden Asset Manager vor Ort auf.

In welchen Aktiensegmenten ist die Pensionskasse investiert?
Regional betrachtet ist ein großer Anteil in europäischen Aktien investiert. Daneben haben wir US-Mandate, global investierende Fonds und einen Manager für Schwellen­länderaktien. Gerade haben wir für globale Aktien zwei neue Manager selektiert, die ­primär im Large-Cap-Bereich anlegen.
Es ist uns wichtig, dass sich nicht das ­gesamte Aktienportfolio auf eine Stilrichtung konzentriert, damit Klumpenrisiken vermieden werden. Wir wollen ja, dass die Gesamtheit unserer Asset Manager in der jeweiligen Asset-Klasse in verschiedenen Marktphasen Outperformance generiert. Darum achten wir auf eine vernünftige Diversifikation der ­einzelnen Ansätze.
Ein Fonds ist beispielsweise eher Benchmark-nah, einer konzentriert sich mehr auf die Sektorallokation. Neben klassischen ­Bottom-up-Ansätzen haben wir Minimum-Varianz-Ansätze, die unserem gewünschten Rendite-Risiko-Profil sehr entgegenkommen, und eine dividendenorientierte Aktienstrategie. Ein Ansatz, für den ich mich dagegen ­weniger begeistern kann, sind in einem ­Index verpackte, starre Handelsstrategien. Diese sind häufig rückwärtsoptimiert und können sich verändernden Marktbedingungen nicht anpassen. Grundsätzlich sollte man bei Backtests vorsichtig sein. Mir wurde auf jeden Fall von einem Vertriebsmitarbeiter noch nie ein schlechter Backtest gezeigt. 
Prinzipiell sprechen wir bei Aktienfonds von Long-only-Ansätzen. Diese sind tendenziell Benchmark-orientiert. Long-Short-Ansätze­ finden sich in unserem Absolute-Return-­Segment wieder. Aktienrisiken haben wir ­derzeit nur in den liquiden Segmenten. Illiquiditäts­prämien wollen wir dagegen in den ­Bereichen ­Immobilien und Infrastruktur vereinnahmen.

Können Sie sich auch für Quality-Ansätze ­begeistern? Also die Suche nach Unternehmen, die nach qualitativen Gesichtspunkten betrachtet bei Finanzkraft, Geschäftsmodell, Marktposition und Management führend sein sollen?
Wir haben Manager, denen langfristige, stabile Cashflows von Unternehmen mit ­guter Marktposition und stabilem Wachstum wichtig sind, also Quality-Growth-Werte wie typischerweise Nestlé. Allerdings sind wir bei diesem Thema wegen möglicher Klumpenbildungen ein bisschen vorsichtig. Fonds, die in den Performance-Hitlisten vorne stehen, spielen meist ein bestimmtes Thema. Dieses kann die Performance auch noch länger ­tragen, aber man muss vorsichtig sein.
Ein Beispiel sind Fonds mit Schwerpunkten im Technologie- und Telekommunikations­sektor, die Ende der 90er Jahre bis Anfang 2000 gut liefen. 2003 bis 2007 feierten ­Value-Werte ein großes Comeback. Seit der Finanzkrise setzen viele Fonds auf diese ­Quality-Growth-Werte. Man muss sich dieser Zyklen bewusst sein und darauf achten, wo das Alpha eigentlich herkommt. Kam die Outperformance nur zustande, weil Ende der 90er Technologie übergewichtet war? Oder war der Fondsmanager wirklich in der Lage, über verschiedene Marktphasen hinweg und bei verschiedenen Stiltrends eine Outperformance zu generieren?
Wir haben viele Fondsmanager, die darauf setzen, dass Quality Growth weiter läuft. Das mag auch sein. Wir müssen uns aber der Gefahr für die Zukunft bewusst sein, wenn dieser Trend mal vorübergehend nicht läuft. Darum achten wir darauf, dass diese Asset Manager auch eine gewisse Bewertungs­disziplin aufweisen.

Erkennen Sie auch Klumpenrisiken auf Einzeltitelebene?
Wir schauen uns das komplette Portfolio an. Schließlich wollen wir auch sehen, ob das Portfolio dem vorgestellten Investmentansatz und -prozess entspricht. Dabei erkennen wir auch Klumpenrisiken, wenn beispielsweise die größte Position in einem kleineren, ­extrem gut gelaufenen Wert besteht, wo der Manager der größte Anteilseigner ist. Als ­kritisch erwies es sich auch 2008, dass viele Dividendenfonds vor allem Finanzwerte allokierten.
Wir diskutieren also auch über Einzel­werte. Und zwar auch diesbezüglich, ob ein Einzeltitel den vorgestellten Ansatz widerspiegelt. Nicht akzeptabel war für uns zum Beispiel ein griechischer Lotterieanbieter in einem konservativ gemanagten europäischen Dividendenfonds. Einen Vorteil gegenüber Indexinvestments sehe ich auch darin, dass der aktive Asset Manager die Möglichkeit hat, Klumpenrisiken zu vermeiden und Über­bewertungen zu antizipieren.  

Geben Sie dem Manager einen Tracking Error vor oder achten Sie auch auf den Active Share?
Wir achten auf den Tracking Error. Der Tracking Error sollte dem Asset Manager ­genügend Freiraum geben, sich aber in ­einem überschaubaren Rahmen bewegen. Der in der Vergangenheit umgesetzte Tracking Error ist für uns auch ein Kriterium bei der Asset-Manager-Selektion.

Was halten Sie von der Dividendenstrategie, sich gezielt Einzeltitel auszusuchen, die stetig ihre Ausschüttungen erhöhen, so dass in zehn Jahren gemessen am Einkaufswert eine ­zweistellige Dividendenrendite vereinnahmt werden kann?
Wir haben keine Einzelaktien in unserem Direktbestand. Einzeltitel werden über ­unsere Fondsmanager abgebildet, die in unserer Master-KAG gebündelt werden und nach ­aktuellen Marktpreisen bewertet werden. Wichtig ist für uns somit die Gesamtperformance. Neben den Dividenden zählen also auch die Kurssteigerungen. Darum ist für uns nicht die Dividendenrendite auf den ­historischen Einstandskurs relevant, sondern die aktuelle Dividendenrendite und der aktuelle Kurswert.

Prinzipiell gewinnen aber Income-Strategien aufgrund der Suche der Investoren nach Rendite und steigender ­Ausschüttungsquoten der Unternehmen an Bedeutung. Ich scheue aber davor zurück, einen Dividendenwert als Anleiheersatz zu sehen. Diese beiden Asset-Klassen sind völlig unterschiedlich. Es ist auch nicht auszuschließen, dass Dividendentitel in bestimmten Marktphasen stärker als der Gesamtmarkt fallen.

Apropos Marktkorrektur. Fühlen Sie sich durch Ihr Overlay ausreichend geschützt?
Unser Portfolio besteht grob aus drei Bausteinen. Wir haben die üblichen Buy-and-Hold-Rentenanlagen im Direktbestand, in dem es uns um einen attraktiven Kupon geht. Daneben haben wir die externen Asset Manager in unserer Master-KAG. Der dritte Baustein ist unser eigenes Overlay Management zum Absichern von Aktien- und Zinsrisiken.
Die Aktienrisiken hedgen wir zum Beispiel über Put-Optionen auf Aktienindizes. Eine wichtige Steuerungsgröße ist für uns der auf Szenarioanalysen basierende Maximum Drawdown bezogen auf unser ­gesamtes Aktienengagement. Außerdem hängt das ­Absicherungsniveau vom Marktumfeld und unserem Risikobudget ab. Das Overlay managen wir aktiv, um die Hedge-Kosten möglichst gering zu halten. Diese liegen in der ­Regel bei etwa zwei bis drei Prozent pro Jahr. Ungünstiger wäre es aber, wenn wir nach ­einer scharfen Marktkorrektur unsere Hedges zum falschen Zeitpunkt erhöhen müssten. Ein solches zyklisches Agieren versuchen wir zu vermeiden. Wir passen die Basispreise ­lieber nach oben an, wenn der Markt gut ­gelaufen ist oder nehmen nach Marktkorrekturen Gewinne bei den Puts mit.
Zusätzlich haben wir vor etwa einem Jahr noch als Beimischung zur Glättung der Wertentwicklung einen externen Manager für Fat Tail Hedges mandatiert. Hierbei handelt es sich um einen systematischen Ansatz, der auf Volatilitäts-Futures basiert.

Wie reagierten Ihre Manager 2008 darauf, dass der Kurs der Volkswagenaktie auf über 1.000 Euro kletterte?
Das war mit normalen Bewertungsmaßstäben nicht mehr zu greifen. Davon haben sich die Asset Manager dann auch nicht ­beeinflussen lassen. Sie waren dann temporär untergewichtet.
Das war für uns okay, weil es für uns wie erwähnt letztendlich sehr wichtig ist, dass der Asset Manager die ­Bewertungen im Auge ­behält und seinem ­Investmentansatz treu bleibt.

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2013

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