Schwarzer Schwan
24. April 2015

Aktienkultur auf Abwegen

Um die Aktienkultur war es in Deutschland noch nie gut gestellt. Heute wollen die Anleger sogar noch ihre Stimmrechte wahrnehmen, um ihre Eigentümerrechte durchzusetzen. Dies läuft nicht immer konstruktiv ab.

„Aktionäre sind dumm und frech: Dumm, weil sie Aktien kaufen, und frech, weil sie dann auch noch Dividende haben wollen.“ Diese Weisheit gaben bereits vor Jahrzehnten die Bankiers Carl Fürstenberg und Hermann Josef Abs zu Protokoll. Heute gehen die Anleger noch einen Schritt weiter und nehmen sogar noch ihre Stimmrechte wahr, um auf diese Weise ihre Eigentümerrechte durchzusetzen. 
Wer erinnert sich nicht gern an Professor Ekkehard Wenger, seines Zeichens streitbarer Anwalt der Kleinaktionäre und Hauptversammlungsschreck? Sein Lieblingsziel war der damalige Vorstandsvorsitzende der Daimler-Chrysler AG, den er als Hauptversammlungsredner rhetorisch brachial attackierte. In den 90er Jahren hielt der BWL-Professor dem Wirtschaftsführer unter anderem vor, dass er nicht einmal das kaufmännische 1×1 beherrsche. Und dann das: Während Wengers Rede drehte der auf der Vorstandsbühne sitzende Schrempp der versammelten Hauptversammlung unvermittelt den Rücken zu, woraufhin die Aktionäre von Schrempp minutenlang nur noch einen knallroten Hinterkopf und intensiven Zigarettenkonsum ausmachen konnten. Irgendwann hatte dann der Hauptversammlungsleiter Hilmar Kopper genug von den Schmähungen und ließ Wenger von vier Ordnern an Händen und Füßen gepackt aus der Hanns-Martin-Schleyer-Halle schleifen. Aktionärskultur wurde auf dieser Hauptversammlung in Stuttgart zwar nicht mit den Füßen getreten, aber an den Füßen getragen. 
Auch Kreditgeber haben es mitunter schwer, ihre Forderungen durchzusetzen. So ist die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner ihren von ihr als Geierfonds titulierten Gläubigern meistens einen Schritt voraus. Als Gerichtsvollzieher anlässlich ihres Besuchs der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2010 kurzerhand Exponate pfänden wollten, konnten die findigen Südamerikaner Urkunden vorgelegen, dass die Objekte nicht der Republik Argentinien gehören. Als Kirchner Wind davon bekam, dass Gläubiger auf ihren Auslandsbesuchen schließlich sogar ihre Regierungsmaschine „Tango 01“ pfänden wollten, sagte sie die Visiten entweder ab oder mietete sich indes eine Maschine. Und als es dem Hedgefonds Elliott Associates von Paul Singer gelang, in Ghana das argentinische Segelschulschiff „Libertad“ zu beschlagnahmen, konnte Argentinien wiederum die Freigabe durchsetzen. Schließlich handele es sich bei dem Segelschiff um ein Kriegsschiff (!) – und Kriegsschiffe genießen Immunität. 
Eine weitere Eskalationsstufe
Apropos Hedgefonds. The Children’s Investment Fund (TCI) galt in Europa einst als Pionier in Sachen Aktionärsaktivismus. Im Jahr 2005 führte TCI zusammen mit dem amerikanischen Hedgefonds Atticus einen Feldzug an, der die Kaufofferte der Deutschen Börse für die London Stock Exchange erfolgreich vereitelte. Trotzdem hinterlässt TCI nach Einschätzung eines Handelsblatt-Kolumnisten ein zwiespältiges Erbe. Zwar könne man dem TCI-Gründer Chris Hohn zugutehalten, dass er der Arroganz eines Managements, das sich auf den Bau eines Imperiums verlegt hatte, einen Stich versetzt hat. Hohns Beispiel wirkte aber nicht inspirierend – wohl auch weil es den Hedgefonds zu offensichtlich weniger um die Strategie der Deutschen Börse als um eine Sonderausschüttung ging. 
Europäische Aktionäre bleiben eben zu einem großen Teil zahme Wiederkäuer, heißt es in dem 2009 veröffentlichten Handelsblatt-Artikel. Seit damals hat sich jedoch einiges getan. Zum Beispiel geben F&C, Union Investment oder die Shareholder Value Management AG bei der Ausübung ihrer Stimmrechte ein in der Öffentlichkeit überzeugenderes Bild. Sie setzen sich bestimmt, aber sachlich mit den Unternehmen erfolgreich auseinander. Nur im Notfall wird auch mal der Rechtsweg beschritten, wie ein aktuelles Beispiel zeigt: Frank Fischer von der Shareholder Value Management erklärte anlässlich der geplanten Fusion zwischen der französischen Firma Stallergenes und des Großaktionärs Ares Life Science: „Wenn unsere Rechte als Minderheitsaktionäre weiterhin missachtet werden, behalten wir uns weitere Schritte vor. Und wenn es sein muss, ziehen wir auch vor Gericht.“ Da sage noch einer, europäische Aktionäre seien zahme Wiederkäuer. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 

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