Aktien und Stiftungen: Ein Blick in die Zukunft
Viele Stiftungen unternehmen noch zu wenige Anstrengungen, um sich aus der Niedrigzinsfalle befreien. Sachwerte, Immobilien und vor allem Aktien sollten als Anlageklasse nicht mehr nur Kür sein, fanden die Teilnehmer vieler interessanter Panels zum Thema Kapitalanlage auf dem Deutschen Stiftungstag in Mannheim.
Übertriebene Vorsicht
Sigrun Kraim von der Stiftungsaufsicht Lüneburg sieht aber die Stiftungsaufsichten manchmal moderner aufgestellt als die Stifter. „Früher gab es noch die Vorstellung von der mündelsicheren Anlage. Heute sind die Stiftungsvorstände vor andere Herausforderungen gestellt.“ Von den 500 Stiftungen, die Kraim betreue, bewegten sich 90 Prozent unter einer Million und zwischen 500.000 und einer Million lägen etwa 25 Prozent. „Wenn mich eine Stiftung mit 200.000 Euro Stiftungsvermögen fragt, wie sie Diversifikation betreiben soll, sind der Streuung des Vermögens natürlich Grenzen gesetzt. Aber auch da muss man schauen. Da tun sich Stiftungsvorstände häufig schwer.“ Übertriebene Vorsicht präge immer noch viele Stiftungsgremien, meint auch Kurt von Storch. „In diesen Gremien gibt es viele Personen, die Know-how in der Mittelverwendung haben, die aber in der Kapitalanlage nicht über Vorbildung verfügen. Bei vielen Stiftungen mangelt es hier einfach an Ressourcen.“ Und Kraim merkt an, befürchtete Haftungsfragen seien größtenteils unbegründet: „Ich bin seit 20 Jahren im Stiftungsgeschäft und habe nicht einen einzigen Fall einer Haftung gehabt in dem Fall, dass ein Stiftungsvorstand einen Verlust des Stiftungsvermögens eingefahren hat.“
Werner Hedrich weitete die Diskussion um einen weiteren Faktor im Risikomanagement aus: Die CO₂-Emissionen. „Klassische Dividendentitel für britische Pensionskassen und für US-Pensionskassen sind Ölwerte, die großen Oil Majors. Die machen im Weltaktienindex ungefähr sieben Prozent Gewicht aus. Das heisst, die konventionellen Anlagemanager oder passive Anlagestrategien haben meist ungefähr sieben Prozent ihrer Anlagen im Ölbereich.“ Vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens mit seinem Zwei- beziehungsweise 1,5-Grad-Ziel sei das Risiko, dass diese Anlagen in Zukunft stark an Wert verlieren, vorprogrammiert. „Wenn Sie heute hingehen und die Bilanzen der börsennotierten Ölgesellschaften durchrechnen, dann führen alle diese Ölreserven zu einer Verbrennung von CO₂, die zu jenseits vier Grad Erderwärmung führt. Das bedeutet für mich als Vermögensverwalter: Was kaufe ich nicht? Öl.“ Er sei nicht grundsätzlich gegen fossile Brennstoffe, meint Hedrich: „Ich bin auch Realist, aber das wirtschaftliche Risiko, in diese Titel zu investieren ist für uns heute nicht mehr gegeben, weil wir Angst haben, dass es eines Tages Abschreibungen geben wird.“
Und am Beispiel Kohle zeigt Werner Hedrich, was er mit der Lenkungswirkung von Kapital meint: „Wenn Sie heute eine neue Kohlemine in den Vereinigten Staaten explorieren wollen, gehen Sie zu ihrer Bank und sagen: Ich brauche 300 Millionen, um diese Kohlemine zu explorieren. Da sagt der Banker: Das mache ich aber nicht, weil mein Risikovorstand mir sagt, ich möchte kein Kohlerisiko mehr in meiner Bilanz als Kreditlinie haben. Da geht der gleiche Kohleunternehmer zum Bondhändler, zum Investmentbanker, und sagt: Ich würde gerne Anleihen verkaufen. Der Anleihehändler antwortet: Die kauft uns aber keiner mehr ab, weil die großen Kapitalsammelstellen kein Kohlerisiko mehr im Portfolio haben wollen. Da geht er als Letztes zum Aktienhändler und fragt: Wollen wir nicht Aktien verkaufen, ein IPO machen oder eine Kapitalerhöhung? Der Aktienhändler sagt: Also wenn dir der Bondhändler das nicht platzieren kann, dann kann ich schon gar nicht platzieren. Und so hat unser Kapital dann letztendlich doch eine Lenkungswirkung.“
Von Storch dagegen warnte vor den Folgen einer solchen Anlagepolitik: „Meine Erfahrung aus dreißig Jahren ist, dass wenn man immer den Säuen folgt, die durchs Dorf getrieben werden, man früher oder später ein Problem hat. Wir können dann auch nicht investieren in Reedereien, die Kreuzfahrtschiffe haben. Der CO₂-Ausstoß dieser Schiffe ist größer als alle deutschen Autos zusammen! Sie können dann auch nicht mehr in Banken investieren, die Kredite vergeben an solche Unternehmen. Und wenn man das dann bis zum Ende durchdenkt, dann können wir gleich den Löffel abgeben. Dann können wir gar nichts mehr machen. Wenn man solchen Dogmen folgt und sagt, dann mache ich es nur noch so – das ist auch keine Diversifikation.“
Hedrich wehrt sich: „Ich sitze hier nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und sage, ihr dürft kein Auto fahren. Ich sage nur, wir werden anders Auto fahren als in den vergangenen 20 Jahren. Und das wird die großen Automobilkonzerne gar heftig durcheinander schütteln. Und das ist der Grund, warum die deutschen Autokonzerne heute da notieren wo sie notieren.“ Und dann erklärt Hedrich seine Anlagestrategie: Man suche nach großen Megatrends in der Welt, Beispiel Digitalisierung: „Wir alle benutzen das Internet. Wenn Sie das heute anschauen, dann ist das Internet vom Stromverbrauch her das fünftgrößte Land der Welt. Wir suchen nach Unternehmen, die den Traffic durch die Serverfarmen besonders energieeffizient machen.“ Und werden fündig beim US-Konzern Equinix: „Equinix ist Dienstleister für Amazon, Microsoft, Yahoo, IBM. Die können ihre Serverfarmen viel nachhaltiger und viel fortschrittlicher managen, als es die anderen können. Solche Unternehmen versuchen wir zu finden. Und ich versuche in den Portfolios die großen CO₂-Emittenten zu vermeiden, weil die Arbeitshypothese ist: Wir werden intervenieren. Wir als Bürger, weil wir das nicht mehr wollen.“
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Niedrigzinsphase | Politik/Regulierung | Risikomanagement
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