Traditionelle Anlagen
6. August 2019

Aktien auf Kredit

Die Idee, Aktien auf Kredit zu kaufen, wird zu Recht kritisch gesehen. Andererseits sind Zinsen so niedrig und Dividendenrenditen so hoch, dass man sich entsprechenden Überlegungen nicht von vornherein verschließen sollte. Die richtige Umsetzung bezüglich Laufzeiten, Sicherheiten und Einzeltitel hilft bei der Risikokontrolle.

Um den Kredit in zehn Jahren komplett abzutragen, kann die Kapitalsammelstelle jedoch auch einen größeren Teil des Aktienportfolios klassisch und solide mit Eigenkapital finanzieren. Möglich sollte es sein, mit einem Dividendenportfolio nach Steuern eine Dividendenrendite von 3,5 Prozent zu erwirtschaften, was bei einem Millionenportfolio Ausschüttungen von 35.000 Euro wären. Mit zwei Millionen mit Eigenkapital finanzierten Aktien und einer Million mit Fremd­kapital finanzierten Aktien ergeben sich Ausschüttungen von jährlich 105.000 Euro. Damit lassen sich die Annuitäten des zu einem Prozent finanzierten Darlehens stemmen. Mit 2,65 Millionen Eigenkapital lässt sich zusammen mit dem gepumpten Millionenportfolio ein ­jährlicher Income von 127.750 Euro generieren – genug, um die Annuitäten des zu fünf Prozent finanzierten Darlehens zu begleichen.

Je höher die Eigenkapitalquote, desto sicherer lässt sich das Aktienportfolio in die Gewinnzone hebeln. Mehr Sicherheit entsteht auch dadurch, wenn in den ersten Jahren stärker getilgt wird und in den späteren Jahren mit dem dadurch frei gewordenen Geld Absicherungsinstrumente gekauft werden. Auch Covered Calls bieten ­Möglichkeiten, den Income zu optimieren. Calls zu verkaufen bietet sich eher gegen Ende der Kreditlaufzeit an. Zu Beginn Aktien andienen zu müssen, würde die erwartete langfristig positive Entwicklung konterkarieren. Je nach Umsetzung sollte es möglich sein, die Wahrscheinlichkeit, dass die Rechnung nicht aufgeht, auf einmal in 200 Jahren zu drücken – und damit auf das Ausfall-Ziel von Solvency II.

Solvency II und Paragraf 15 VAG

Die Regulierung ist natürlich ein gewichtiger Punkt, der gegen die Aufnahme von Fremdkapital zur Finanzierung eines Aktienportfolios spricht. Nach Solvency II müsste nicht nur das mit Kredit vergrößerte Aktienportfolio mit teuren 39 Prozent Eigenkapital unterlegt, sondern zusätzlich noch der Zinsaufwand bedient werden. Ein Hindernis ist auch Paragraf 15 des Versicherungsaufsichtsgesetz. Laut diesem dürfen Erstversicherer kein versicherungsfremdes Geschäft betreiben. Neben Versicherungsgeschäften dürfen Erstversicherer nur solche Geschäfte betreiben, die mit Versicherungsgeschäften in unmittel­barem Zusammenhang stehen. Bei einer Aufnahme von ­Fremdkapital besteht für den Gesetzgeber jedoch „regelmäßig kein unmittelbarer Zusammenhang.“ Trotzdem ist die Fremdkapitalaufnahme möglich, wie die Beispiele Allianz und Steuerberater-Pensionskasse zeigen.

Auch ermöglicht Paragraf 197 des Kapitalanlagegesetzbuchs, in Fonds über ­Derivate – und ohne Zinskosten – einen Leverage-Effekt von bis zu 200 Prozent zu erzeugen. Fraglich ist jedoch, ob der Asset Manager auch bereit ist, einen so hohen Hebel einzusetzen und durchzu­halten. Mit der Vorgabe, möglichst hohe Dividenden ohne Beeinträchtigung des Marktwerts zu erwirtschaften, dürfte sich die A­nbieterseite leichter tun. Zudem ist das dadurch erhöhte Marktrisikopotenzial ­gemäß dem Bafin-Kapitalanlagerundschreiben 11/2017 bei der ­Risikokapitalquote zu berücksichtigen. Allerdings haben manche Pensionskassen und viele berufsständische Versorgungswerke die Risiko­kapitalquote von 35 Prozent bereits ausgereizt.

Linde und Deutsche Post finanzieren Pensionen mit Bonds

Genutzt haben in der Vergangenheit aber Corporates die Möglichkeit, per Fremdkapital Assets für ihre Pensionsvehikel aufzubauen. So hat Linde 2014 eine zehnjährige Anleihe über 300 Millionen Euro platziert, um damit einen Teil seiner Pensionsverpflichtungen in Deutschland zu finanzieren. Die Verzinsung beläuft sich auf 1,875 Prozent. Die mit den 300 Millionen Euro eingekauften Assets dürften in den vergangenen Jahren deutlich über diesen 1,875 Prozent rentiert ­haben. Im gesamten Pensionsvermögen betrug Lindes Aktienquote Ende 2014 21,5 Prozent. Die Deutsche Post hat sich Ende 2012 zur ­Dotierung der deutschen Pensionspläne per Wandelanleihe und zwei klassischen Anleihen zwei Milliarden Euro auf den Kapitalmärkten beschafft. Die beiden klassischen Anleihen hatten zum Emissionszeitpunkt im Schnitt eine Laufzeit von zehn Jahren. Die Aktienquote des Planvermögens der Post stieg laut dem damaligen Geschäftsbericht von 16 Prozent Ende 2012 auf 21 Prozent Ende 2013. Diese Beispiele zeigen, dass die Kreditaufnahme gerade für Investoren Sinn macht, deren Portfolios noch in der Aufbauphase sind und die somit noch über einen längeren Zeitraum Cashflow-positiv sind. Usus ist ­Leverage auch bei Hedgefonds, wobei dies insbesondere bei Short-Sellern sinnvoll ist. Schließlich sind für einen Hedgefonds Leerverkäufe die ­prädestinierte Absicherung für ein gehebeltes Long-Portfolio.

Übrigens ist auch Warren Buffett gegenüber der Aufnahme von Fremdkapital nicht völlig abstinent. Auch um Akquisitionen zu ­finanzieren, emittiert Berkshire Hathaway Debt. Allerdings nur ­dosiert und unter der Vorrausetzung, dass wegen der Zinskosten das eigene Rating hoch bleibt.

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