Pensionskassen
4. Juli 2017

Pensionskassen haben zahlreiche Baustellen

Pensionskassenvertreter stehen dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eher zurückhaltend gegenüber. Dies zeigt eine Umfrage von Willis Towers Watson unter 23 Pensionskassen. Sie haben noch ganz andere Baustellen.

Willis Towers Watson hat im April und Mai 2017 insgesamt 23 deutschen Unternehmens- und Branchenpensionskassen auf den Zahn gefühlt. Das Beratungshaus wollte von den größtenteils Bafin-beaufsichtigten Einrichtungen mehr über ihre derzeit herausforderndsten Aufgaben wissen und hat sie auch nach ihrer Einschätzung des geplanten Betriebsrentenstärkungsgesetzes befragt. 
Nur gut ein Fünftel (22 Prozent) sehen das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) als eine wichtige strategische Herausforderung. Knapp ein Viertel (24 Prozent) hält es für eine Chance für ihre eigene Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung (bAV), während fast zwei Drittel (62 Prozent) darin weder eine Chance noch ein Risiko sehen. Das berichtet Willis Towers Watson in einer Pressemitteilung.
Daraus geht auch hervor, dass die Hälfte (52 Prozent) der Umfrageteilnehmer keine Auswirkungen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes für die eigene Einrichtung erwartet. Nur ein Drittel plant, konkret einen Tarif ohne Garantien einzuführen, während knapp die Hälfte (43 Prozent) diese Möglichkeit, die erst durch das BRSG in Deutschland neu eingeführt werden wird, explizit ablehnt. 
Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson, hat die Situation analysiert und sieht zwei divergierende Aspekte: „Für Unternehmen, die ihren Mitarbeitern noch gar keine bAV zur Verfügung stellen, bietet das Gesetz, das am 7. Juli auf der Agenda des Bundesrats steht, positive Impulse. Hingegen holt es die Unternehmen, die bereits eine bAV anbieten, noch nicht so recht ab.“ Die Durchschlagskraft des neuen Gesetzes werde im Wesentlichen davon abhängen, ob es gelingt, mit dessen heute noch vorhandenen Widersprüchlichkeiten umzugehen und inwieweit die Tarifparteien auf das neue Angebot einsteigen. 
Regulierung und Niedrigzins als wichtigste Herausforderungen 
Der Umfrage nach bereiten europäische Regulierungsanforderungen den Pensionskassen deutlich mehr Kopfzerbrechen als die bAV-Reform. „Die Debatte um Solvency II in der bAV ist zwar vom Tisch, aber das lange und mühevolle Ringen um eine sachgerechte Regulierung – und damit auch die Sorge vor neuen überzogenen Regulierungsinitiativen – bleibt allen Einrichtungen der bAV sicher noch lange in unguter Erinnerung“, vermutet Schwinger. Auch die eng gefassten nationalen aufsichtsrechtlichen Anforderungen mit Blick auf Berichtswesen und Stresstests machen den Pensionskassen mehr zu schaffen. Bei den jüngsten Bafin-Stresstests waren acht der 123 getesteten Pensionskassen durchgefallen.
Auf der operativen Ebene sehen Pensionskassenvertreter vor allem eine kostengünstige Kapitalanlage und das Asset-Liability-Matching sowie notwendige Modernisierungen der IT-Infrastruktur als wichtigste Themen an. „Im Niedrigzinsumfeld bei schmalen Renditen rücken – nicht überraschend – die Kostenblöcke für den normalen bAV-Betrieb stärker in den Fokus“, so Schwinger. 
Die Studienteilnehmer verfügen insgesamt über eine Bilanzsumme von mehr als 36 Milliarden Euro. Unter den 23 befragten Pensionskassen werden 17 von der Bafin beaufsichtigt. Deren Bilanzsumme beträgt insgesamt mehr als 21 Milliarden Euro. Das entspricht rund 14 Prozent der Gesamtbilanzsumme aller Bafin-beaufsichtigten Pensionskassen. Mehr als zwei Drittel aller befragten Pensionskassen (70 Prozent) betreiben weiterhin aktives Neugeschäft, berichtet Willis Towers Watson. 
Vier Baustellen für Pensionskassen 
Dr. Reiner Schwinger berichtet, dass auch nach der bAV-Reform für Pensionskassen vier wesentliche Baustellen erhalten bleiben. Diese beschreibt er wie folgt:
1. Bestände managen: Das heißt: auch in einem schwierigeren Kapitalmarktumfeld die Kapitalausstattungsvorschriften erfüllen. 
2. Kosten managen: Dabei werden Pensionskassen in Zukunft stärker auf integrierte Verwaltungs- und Kommunikationsplattformen setzen. 
3. Haftungsrisiken managen: Das betrifft die Haftung aus Garantien und – auch bei Tarifen ohne Garantie – die Haftung aus arbeitsrechtlichen Risiken und treuhänderischen Pflichten.
4. Mit den Bruchstellen des Systems zurechtkommen: „Die Inkonsistenzen zwischen Steuer- und Abgabenrecht, aber auch das in Bezug auf die bAV inkonsistente Arbeitsrecht packt die Reform nicht an – hier besteht weiterer Reformbedarf.“ 
portfolio institutionell newsflash 03.07.2017/Tobias Bürger
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