Pension Management
30. Juni 2017

Von Jahresscheiben und dem Trend zur Risikominimierung

Das Beratungshaus Willis Towers Watson ist der Frage nachgegangen, wie es um die Altersversorgung der Vorstandsvorsitzenden im Dax bestellt ist. Die Geschäftsberichte bilden eine sprudelnde Informationsquelle und sind für manche Überraschung gut.

Institutionelle Investoren melden sich immer wieder öffentlichkeitswirksam zu Wort, um Missstände bei ihren Beteiligungen anzuprangern. Das betrifft beispielsweise Fälle, in denen die Vorstände börsennotierter Unternehmen eine Art Selbstbedienungsmentalität an den Tag legen und bei der Vergütung, zu der auch die Altersversorgung zählt, über die Stränge schlagen. So hat beispielsweise die Credit Suisse im April dieses Jahres den Zorn von Stimmrechtsberatern auf sich gezogen, weil der Verwaltungsrat den 13 Konzernleitungsmitgliedern für das verlustträchtige Geschäftsjahr 2016 ein Jahresgehalt von insgesamt 82 Millionen Schweizer Franken gewährte. 
Und jedes Jahr fragen sich Investoren und andere Stakeholder aufs Neue, wie groß der Teil der Vergütung von Top-Managern ist, der in die Altersversorgung der Vorstände fließt. Die Materie ist komplex und opak. Ein Grund dafür ist, dass die Unternehmen in ihren Geschäftsberichten zwar mehr oder weniger umfangreiche Angaben über die Bezüge machen. Doch die Zahlen lassen sich in der Regel nicht miteinander vergleichen.
Fakt ist: Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein wesentlicher Bestandteil innerhalb der Vergütungsstruktur eines Vorstandes. Der Aufsichtsrat entscheidet über die Gesamtvergütung des Vorstands und haftet für deren Angemessenheit. Die bAV leistet für Vorstände und Führungskräfte einen grundlegenden Beitrag zu deren Altersversorgung. Jedoch setzen die Unternehmen bei der Vergütungsphilosophie unterschiedliche Schwerpunkte und Modelle ein. Licht ins Dunkel bringt die neue Willis-Towers-Watson-Studie „Vorstandsvergütung im DAX 2016“. 
Wie das Beratungshaus im Rahmen eines Pressegesprächs erläuterte, ist der aktuelle Wert der Pensionszusagen für die Vorstandsvorsitzenden der Dax-Konzerne im Geschäftsjahr 2016 erwartungsgemäß gestiegen. Erwartungsgemäß deshalb, weil der erdiente Wert der Pensionszusagen bei ansonsten gleichen Bedingungen jedes Jahr um den Wert des im abgelaufenen Geschäftsjahr erdienten Anteil an der Versorgungszusage sowie um den Zinsanteil des zurückliegenden Geschäftsjahres steigt. Im Median beläuft er sich für die 30 Personen per 31. Dezember 2016 auf 9,428 Millionen Euro. Das sind 6,5 Prozent mehr als 2015. Dabei reicht die Spanne von null bis 43,5 Millionen Euro, wie die Berater von Willis Towers Watson nach der Lektüre aller 30 Geschäftsberichte wissen. 
Der Anstieg der Pensionszusagen sei vor allem durch die Zinsentwicklung getrieben; der für die Bewertung der Pensionsverpflichtungen zugrundegelegte Rechnungszins ist im vergangenen Jahr gesunken und er variiert bei den Unternehmen. Im Median sank er auf 1,8 Prozent (Vorjahr: 2,5 Prozent). Den höchsten Rechnungszins im Dax weist Fresenius Medical Care aus (3,3 Prozent). Am unteren Ende liegen Siemens und Infineon mit jeweils 1,0 Prozent. Dabei ist es gerade einmal acht Jahre her, als der Rechnungszins im Median noch bei 5,9 Prozent lag. Der Maximalwert im Dax lag 2008 übrigens bei 6,8 Prozent. 
Heutige Unterschiede beim Rechnungszins der Dax-Konzerne sind der Tatsache geschuldet, dass die Unternehmen in unterschiedlichen Währungsräumen agieren. Und je nachdem ergeben sich bei der Ableitung des Rechnungszinses aus den Renditen von Unternehmensanleihen hoher Bonität unterschiedliche Rechnungszinsen. Das wiederum hat erhebliche Auswirkungen auf den Barwert der Verpflichtungen. Ein Absenken des Rechnungszinses hat – bei ansonsten gleicher Zusage – eine Neubewertung und einen höheren Wert der Verpflichtung zur Folge. 
Jahresscheiben 
Im Median schulterten die Unternehmen 2016 für die Pensionszusage des Vorstandsvorsitzenden einen Aufwand in Höhe von 644.522 Euro (Vorjahr: 556.000 Euro). Damit ist der sogenannte Dienstzeitaufwand gemeint; hier spricht man auch von „Jahresscheiben“, die der Altersvorsorge der Vorstandsvorsitzenden zugutekommen. Wie der Studie weiter zu entnehmen ist, stellt die betriebliche Altersversorgung mit einem Anteil von etwa elf Prozent einen wesentlichen Bestandteil des Gesamtvergütungspakets der Vorstände dar. 
Bei der Analyse der Geschäftsberichte wurde deutlich, dass eine Vergleichbarkeit der Zahlen nur eingeschränkt möglich ist. Das wird solange der Fall bleiben, bis alle Unternehmen die gleichen Maßstäbe ansetzen. „Nicht nur die Vergütungen der DAX-Vorstände, auch ihre Altersversorgungsansprüche unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen deutlich“, berichtet Helmuth Uder, Leiter Talents & Rewards bei Willis Towers Watson. Die zugesagte Altersversorgung sei meist mit der Vergütung verknüpft – und diese richtet sich seinen Angaben zufolge nach Größe, Branche und Geschäftserfolg des jeweiligen Unternehmens. 
Dr. Thomas Jasper, Leiter Retirement bei Willis Towers Watson fügt hinzu: „Der ausgewiesene Wert der Pensionszusage hängt darüber hinaus wesentlich von den Einzelheiten der Pensionszusage, der Anzahl der insgesamt geleisteten Dienstjahre sowie dem Alter der Person ab.“ Einerseits ist es denkbar, dass ein Vorstandschef erst wenige Jahre dieses Amt begleitet, aber zuvor schon im selben Unternehmen tätig war und damit dort auch eine betriebliche Altersvorsorge angespart hat.
Anders sieht es aus, wenn eine externe Führungskraft an Bord kommt kommt und direkt in den Vorstand einzieht. Das führt dazu, dass es erhebliche Abweichungen gibt, wenn der Wert der Verpflichtung („present value of the defined benefit obligation“, DBO) auf ein Bestelljahr herunter gebrochen wird. Ein Beispiel ist VW-Chef Matthias Müller. In diesem Vergleich landet er auf Rang 2. Vor seinem Karrieresprung an die Spitze der Volkswagen AG war er bereits Vorstand bei Audi und VW-Generalbevollmächtigter. Am anderen Ende dieser Liste steht Beiersdorf. Das Unternehmen erteilt keine Pensionszusagen an Organmitglieder, die DBO ist gleich null. 
Um den aktuellen Wert einer Pensionszusage (DBO) sowie den jährlichen Unternehmensaufwand („current service cost“, SCO) gemäß den Rechnungslegungsstandards in der Bilanz offenzulegen, seien bei der Ermittlung zudem weitere, extern vorgegebene Faktoren maßgeblich, wie die Höhe des Rechnungszinses oder die statistische Lebenserwartung, erläutern die Experten von Willis Towers Watson. 
Anhaltspunkte und Interpretation 
Gemäß den Bilanzierungsvorschriften werde der Wert von unterschiedlichen Pensionszusagen einheitlich in zwei Kennzahlen ausgedrückt, welche die unterschiedlichen Einflussfaktoren zusammenfassen sowie die Kapitalmarktverhältnisse berücksichtigen und der Vergleichbarkeit dienen sollen. Thomas Jasper merkt an: „Die ausgewiesenen Werte liefern einen Anhaltspunkt, bedürfen aber der Interpretation der Berechnungsannahmen und ergänzender Informationen zur Systematik.“
Seinen Angaben nach können das Kriterium der Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen und zwischen aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren die anzugebenden Werte aufgrund der Vielzahl und Bandbreite der zu berücksichtigenden Faktoren jedoch nur eingeschränkt erfüllen. Auch die Höhe der tatsächlichen Betriebsrentenzahlungen beziehungsweise voraussichtlichen Kapitalbeträge im Alter könne nur mit einem Blick in die Pensionsregelung des jeweiligen Unternehmens detaillierter analysiert werden. Helmuth Uder ergänzt: „Darüber hinaus lässt sich die Angemessenheit einer Pensionszusage nur im Kontext des gesamten Vergütungspakets beurteilen.“ 
Mehr Transparenz und Vergleichbarkeit könnte nach Einschätzung von Willis Towers Watson durch spezifisch für Ausweiszwecke ermittelte – statt lediglich aus der Rechnungslegung übernommene – Kennzahlen erreicht werden, etwa durch Ermittlung einer „fiktiven Kostenprämie“ zur (Aus-) Finanzierung der zugesagten Pensionsanwartschaft. „Die Ermittlung würde jedoch Zusatzaufwand für die Unternehmen bedeuten“, erklärt Jasper. 
Größere Transparenz und bessere Steuerung durch heutige Pensionsplangestaltung 
Bis vor etlichen Jahren waren nach Angaben der Berater von Willis Towers Watson endgehaltsabhängige Pensionszusagen weit verbreitet. Sie sahen für die Vorstände eine Rentenzahlung in Höhe von etwa 40 bis 60 Prozent der letzten festen Vergütung vor. Wie im Rahmen der Präsentation der jüngsten Studie einmal mehr deutlich wurde, stellen viele Unternehmen seit einigen Jahren die Vorstandspensionen und die Betriebsrenten der Belegschaft auf beitragsbasierte Pensionszusagen um. Der Vorstand geht gewissermaßen mit gutem Beispiel voran. Der Trend gehe zur Risikominimierung und Kapitalmarktorientierung. 
„Beitragsbasierte Pensionszusagen stellen den monetären Wert der Jahr für Jahr erarbeiteten Pensionsansprüche in den Vordergrund“, betont Willis-Towers-Watson-Experte Jasper. „So wird auch der Wert für den jeweiligen Mitarbeiter stärker transparent. Zudem unterstreichen solche Pensionszusagen, dass die Altersversorgung ein integraler Bestandteil der Vergütung ist.“
Der Trend ist deutlich: Verfügten im Geschäftsjahr 2012 noch 45 Prozent der Vorstandsvorsitzenden über eine beitragsbasierte Pensionszusage, sind es heute bereits mehr als 60 Prozent. „Für Unternehmen haben beitragsbasierte Pensionszusagen den Vorteil, dass sie eine gute Steuerung der für Pensionszusagen typischen Risiken erlauben“, lautet Jaspers Einschätzung. Hierzu zählen insbesondere die mit Pensionszusagen verbundenen „Langlebigkeitsrisiken“ bei der Rentenauszahlung und das Zinsrisiko aufgrund der Volatilität der Kapitalmärkte. 
Abschließend noch ein paar Zahlen: 29 von 30 Vorstandsvorsitzenden im Dax haben eine Pensionszusage. Die Ausnahme bildet Beiersdorf. 19 von 30 Unternehmen gewähren dem CEO eine beitragsorientierte Zusage. Mehr als 40 Prozent gewähren ihrem Firmenlenker eine volatile, vom Kapitalmarkt abhängige Verzinsung. Hier sind lediglich die eingezahlten Beiträge garantiert.
Acht von 30 Unternehmen gewähren am Ende der Karriere vorrangig Einmalkapital- oder Raten-Auszahlungen. Nur auf Antrag des Vorstands wird eine Rente gewährt – die für das Unternehmen mit dem Langlebigkeitsrisiko einhergehen kann – oder eine Kombination. Mehr als 25 Prozent der Unternehmen weisen explizit aus, dass die Pensionszusagen der Organmitglieder angemessen insolvenzgesichert sind, etwa über Trust-Lösungen. 
portfolio institutionell newsflash 29.06.2017/Tobias Bürger
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