Immobilienbranche verharrt in Komfortzone
Zukunftsweisende Themen haben viele Unternehmen der Immobilienwirtschaft im Blick, warten aber doch ab. Auch Proptechs fassen in Deutschland nur schwer Fuß, wie das neue Immobilienbarometer der EBS Universität und Real IS zeigt. Entspannung in den Bereichen Finanzierung und Investment.
Die Unternehmen in der Immobilienwirtschaft legen derzeit eine abwartende Haltung an den Tag, obwohl ihnen durchaus bewusst ist, dass es für die Zukunft erheblichen Anpassungsbedarf gibt. Wegweisende digitale Neuerungen werden kaum umgesetzt. Zu diesem Fazit kommt die neue Studie „Innovationsbarometer der Immobilienwirtschaft 2017“ von der EBS Universität für Wirtschaft und Recht und Real IS, für die Professor Dr. Peter Russo Interviews mit zahlreichen Experten aus den Teilgebieten Investment, Finanzierung, Beratung und Immobilienmanagement geführt hat.
In diesen Interviews zeigte sich, dass sich die Branche zwar mit zukunftsrelevanten Themen befasst. Gerade im Bereich Beratung sei der Transformationsdruck im Vergleich zum vergangenen Jahr am stärksten gewachsen. Dafür verantwortlich seien in großem Umfang die Anpassungen und Mehrleistungen, die sich aus den Veränderungen des gesetzlichen Umfelds in den anderen Bereichen ergeben und nun von den Kunden eingefordert werden. Das habe vor allem einen Anstieg der Komplexität, des Wettbewerbs – unter anderem durch anspruchsvollere Kunden – und der Investitionskosten für IT zur Folge.
Dennoch kommen der Studie zufolge technologische Lösungen weiterhin meist nur in der Unterstützung von Kommunikation und Prozessen zum Einsatz, ohne die Geschäftsmodelle wegweisend zu beeinflussen und zu (r)evolutionieren. Ähnlich sei es um die Digitalisierung im Immobilienmanagement bestellt. Selbst die Proptechs, junge Unternehmen mit technologischem Fokus, scheinen bisher nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, da ihre Lösungen in vielen Fällen für Player mit institutionellen Kunden noch nicht als ausreichend vollumfänglich bewertet werden.
Wie aus der Studie weiter hervorgeht, hat der Transformationsdruck sowohl im Bereich Finanzierung als auch Investment nachgelassen. Erstaunlicherweise glauben die befragten Experten, noch mit den bisherigen Instrumenten und Prozessen auszukommen, heißt es seitens der Studienautoren. „Man setzt bei neuen Technologien in erster Linie auf die Digitalisierung und Verbesserung interner Prozesse, damit über Kostensenkungen die Wettbewerbsfähigkeit steigt“, erläuterte Jochen Schenk, Vorstand der Real IS. Hinzu komme, dass als Nebeneffekt der Regulierung durch Basel III Marktteilnehmer ausgeschieden sind und damit der Konkurrenzdruck weniger stark ist. So sei auch im Bereich Finanzierung derzeit von einer markttypischen Lage die Rede. Man hat sich an die neue Normalität gewöhnt, stellen die Studienautoren fest. Die Anstrengungen durch die Regulierung seien einigermaßen verkraftet. Da aber in Zukunft weitere regulatorische Eingriffe erwartet werden, werde der Veränderungsdruck momentan nicht so stark wahrgenommen.
„Die Immobilienwirtschaft scheint sich noch weiter in ihrer Komfortzone zu befinden und für wegweisende Veränderungen mehr Zeit zu brauchen“, resümierte Susanne Hügel, die am Real Estate Management Institute der EBS Universität zum Thema Innovation in der Immobilienwirtschaft forscht. Für die kommenden Jahre sieht sie eine Reihe von Fragen auf die Branche zukommen: Hat die heterogene Struktur der Immobilienwirtschaft eventuell eine innovationsbremsende Wirkung? Könnten von einer stärkeren Kundenzentrierung, wie sie in anderen Industrien verbreitet ist, richtungsweisende Impulse für neue, fortschrittliche Dienstleistungen ausgehen? Und welche Veränderungen könnten förderlich sein, um die guten Ideen der Proptechs zu noch besseren, ganzheitlicheren B2B-Lösungen zu vernetzen? Für Susanne Hügel bleibt es spannend zu sehen, wohin die Entwicklung geht, wenn die erwarteten Veränderungen tatsächlich Realität werden.
portfolio institutionell newsflash 12.05.2017/Kerstin Bendix
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