Schwarzer Schwan
8. Juli 2016
Bafin, wir müssen reden!
Offenbar ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit den ihr übertragenen Aufgaben doch nicht so überlastet, wie es den Anschein hat.
Hat die Bafin angesichts der wachsenden Aufgabenfülle inzwischen die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht oder doch noch nicht? Die Meinungen dazu gehen auseinander. Presseanfragen beispielsweise wurden zuletzt zwar gewohnt präzise beantwortet. Aber nicht selten mit zeitlicher Verzögerung und wenig ausführlich. Interviews mit den Spitzenleuten wiederum sind schwieriger zu ergattern als eine Audienz beim Papst. Die Regulierung habe, so die Entschuldigung, die Aufseher fest im Griff. Die Mitarbeiter seien im Dauereinsatz.
Und nun das: Anfang Juli haben die hiesigen Finanzaufseher eine zentrale Stelle eingerichtet, über die Hinweisgeber, sogenannte Whistleblower, Verstöße gegen „aufsichtliche Bestimmungen“ – ja, das heißt wirklich so – melden können. Die Bafin will sich also gewissermaßen Informationsvorteile verschaffen; so etwas kennt man sonst nur von Investorenseite. Dort wird seit je her mit harten Bandagen gekämpft beziehungsweise mit ausgefuchsten Ideen hantiert. Erinnert sei an die Familie Rothschild, deren Nachfahren bis in die Gegenwart hinein im Geschäft sind. Nathan Mayer Rothschild kannte laut der Wikipedia dank seiner Brieftauben noch vor dem britischen Premierminister den Ausgang der Schlacht bei Waterloo im Jahre 1815.
Brieftauben sind der Bafin im Zeitalter von Twitter und Bloomberg zu „old School“. Die Bundesanstalt hat einen zeitgemäßen Weg gefunden, wie sie sich Informationsvorteile verschafft. Dank der zentralen „Stelle zur Entgegennahme von Hinweisen zu tatsächlichen oder möglichen Verstößen gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften“ hat sie sich Zugang zu einem schier unerschöpflichen Netzwerk von Informanten geschaffen. Rechtsgrundlage für die Einrichtung der Hinweisgeberstelle ist der mit dem ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz eingeführte Paragraf 4d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz, heißt es von Seiten der Bafin. Dazu erläutert man: „Bei der Identifizierung von Verstößen gegen das Aufsichtsrecht kommt Whistleblowern eine große Bedeutung zu. Sie können wertvolle Beiträge dazu leisten, das Fehlverhalten einzelner Personen oder ganzer Unternehmen innerhalb des Finanzsektors aufzudecken und die negativen Folgen dieses Fehlverhaltens einzudämmen beziehungsweise zu korrigieren.“
Der Begriff des Aufsichtsrechts ist dabei nach Behördenangaben umfassend zu verstehen. Auf Deutsch: Die Bafin will sich nicht nur den kleinen Fischen widmen, etwa dubiosen Anbietern haarsträubender Finanzprodukte oder banalen Fällen von Insidertrading, sondern sie will den gesamten Ozean im Auge behalten: Einbezogen sind deshalb alle Gesetze, Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen und sonstige Vorschriften sowie Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Aufsichtsbehörden (EBA, Eiopa und Esma), bei denen es Aufgabe der Bafin ist, deren Einhaltung durch die von ihr beaufsichtigten Unternehmen und Personen sicherzustellen oder Verstöße dagegen zu ahnden.
Verpfeifen will gelernt sein
Was sagt man dazu? Hat sich die Behörde um ihren Präsidenten Felix Hufeld etwa von Wikileaks und deren umtriebigem Gründer Julian Assange oder vom Geheimdienstler Edward Snowden animieren lassen und von diesen abgekupfert? Die Enthüllungsplattform ermuntert schließlich auch Informanten, Dokumente anonym zu veröffentlichen, die durch Geheimhaltung als Verschlusssache, Vertraulichkeit, Zensur oder auf sonstige Weise in ihrer Zugänglichkeit beschränkt sind. Oder ist es für die Bafin nun einfach effizienter, wenn sie sich für Hinweisgeber öffnet, statt im Dunkeln zu stochern bei der Suche nach „Verstößen gegen aufsichtliche Bestimmungen“?
Doch was passiert eigentlich, wenn die Initiative tatsächlich auf fruchtbaren Boden fällt und nun alle Nase lang Hinweise in der Bonner Zentrale oder am Sitz der Wertpapieraufsicht in Frankfurt am Main eintrudeln? Dann braucht man Manpower, zumal es gleich eine Reihe von Wegen für Informanten gibt, sich an die Bafin zu wenden: Wer will, kann seine Informationen ganz altmodisch in Papierform an die Hinweisstelle senden, oder auch auf elektronischem Weg – per Smartphone und geheimer E-Mail-Adresse. Denkbar ist auch ein Anruf – je nach Geschmack mit oder ohne Aufzeichnung des Gesprächs. Daneben sei auch eine mündliche Mitteilung gegenüber den Beschäftigten der Bafin möglich.
Doch was passiert eigentlich, wenn die Initiative tatsächlich auf fruchtbaren Boden fällt und nun alle Nase lang Hinweise in der Bonner Zentrale oder am Sitz der Wertpapieraufsicht in Frankfurt am Main eintrudeln? Dann braucht man Manpower, zumal es gleich eine Reihe von Wegen für Informanten gibt, sich an die Bafin zu wenden: Wer will, kann seine Informationen ganz altmodisch in Papierform an die Hinweisstelle senden, oder auch auf elektronischem Weg – per Smartphone und geheimer E-Mail-Adresse. Denkbar ist auch ein Anruf – je nach Geschmack mit oder ohne Aufzeichnung des Gesprächs. Daneben sei auch eine mündliche Mitteilung gegenüber den Beschäftigten der Bafin möglich.
Erfahrungen mit Informanten hat die Bafin ja hinlänglich gesammelt. Doch die neue Hinweisgeberstelle ersetzt nicht das längst etablierte Verbrauchertelefon der Bafin, man kann davon ausgehen, dass hier Fische ganz anderen Kalibers ins Netz gehen sollen. Schließlich richtet sich die neue Einrichtung an Personen, „die über ein besonderes Wissen zu Unternehmensinterna verfügen – etwa weil sie dort angestellt sind oder in einem sonstigen Vertrags- oder Vertrauensverhältnis zu dem Unternehmen stehen.“
Die Abläufe des Whistleblowings unterscheiden sich laut der Wikipedia übrigens stark. „Während manche Personen große Berühmtheit erlangen und sich Gerichten stellen müssen, wie Julian Assange und Bradley Manning (ebenfalls Wikileaks), bleiben andere, auch aus Selbstschutz, im Dunkeln und werden von den veröffentlichenden Medien gedeckt“, heißt es da. Der Whistleblower in einem der größten Datenschutzskandale der jüngeren US-Geschichte, Edward Snowden, entschied sich derweil, aus der Anonymität herauszutreten und nach Veröffentlichung seiner digital kopierten Geheimdokumente über das PRISM-Überwachungsprogramm selbst seine Identität über die Presse zu offenbaren. Dies tat er nach eigenen Angaben, weil er sich von der Bekanntheit seiner Person größeren Schutz vor eventuellen Strafmaßnahmen der US-Regierung versprach. Vielleicht hatte er dabei auch im Hinterkopf, dass Barack Obama laut der Wikipedia vor seiner Wahl zum Präsidenten bewundernd über Whistleblower als „wertvollste Quelle“ für Informationen über Regierungsfehlverhalten sprach und versprach, die Transparenz des Regierungshandelns zu steigern. Kritiker haben jedoch angemerkt, die von Obama betriebene Geheimhaltungspraxis übertreffe deutlich die der Bush-Regierung.
Wer nun mit dem Gedanken spielt, Verstöße an die Bafin zu melden und Geschäftspartner, Kollegen oder andere Zeitgenossen zu verpfeifen, dem sei folgender Hinweis der Bafin mit auf den Weg gegeben: Mit der Weitergabe entsprechender Informationen leisten Hinweisgeber einen wertvollen Beitrag dazu, das Fehlverhalten einzelner Personen oder ganzer Unternehmen innerhalb des Finanzsektors aufzudecken und die negativen Folgen einzudämmen oder zu korrigieren. Wer kann das schon von sich behaupten?
Mit dieser rhetorischen Frage entlassen wir Sie ins Wochenende, wünschen Ihnen eine angenehme Zeit und eröffnen unter folgender Adresse auch eine zentrale Stelle für Whistleblower: Redaktion.Institutionell(at)portfolio-verlag.com.
Autoren:
portfolio institutionell
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