Schwarzer Schwan
10. Juni 2016
Bauer schockt Börse
Deutschlands größtem Biobauern, der Hamburger KTG Agrar SE, ist das Geld ausgegangen. Dennoch oder gerade deshalb hoffen institutionelle Investoren auf satte Erträge.
„Bauer sucht Börse – aber die Börse keinen Bauern.“ Es sind einprägsame Überschriften wie diese, die sich im Oberstübchen von Börsianern verfangen und in den PR-Abteilungen der Betroffenen für Entsetzen sorgen. In diesem Fall ist es die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die im Jahr 2007 das damalige Börsendebüt von KTG Agrar, dem ersten börsennotierten Bauernhof Deutschlands, aufs Korn nahm. Damals stellte das Blatt fest: „So richtig ging die Kurssaat des landwirtschaftlichen Großbetriebs nicht auf. Die Aktie notiert überwiegend unter ihrem Ausgabepreis.“ Die Wertpapiere der KTG Agrar AG, die heute großspurig als Europäische Gesellschaft (SE) firmiert, starteten mit 17,63 Euro. Von diesem Niveau kann man heute nur noch träumen bei einer Notierung von um die vier Euro.
Dem Unternehmen mangelt es dieser Tage an Liquidität. Der Agrarrohstoffproduzent musste in dieser Woche die fällige Zinszahlung für eine Hochzinsanleihe verschieben. Bei einem Kupon von 7,125 Prozent per annum waren rund 17,8 Millionen Euro fällig. Firmenchef Siegfried Hofreiter, der mit seinem Konterfei und seinem Dienstfahrzeug diesen Schwarzen Schwan ziert, will nun innerhalb der kommenden 14 Tage die fälligen Gelder überweisen. Den Aufschub der Zinszahlung begründet er mit „nicht vorhersehbaren Verzögerungen“ bei der Durchführung eines notariell bereits abgeschlossenen Verkaufs nicht betriebsnotwendiger Vermögenswerte. Das klingt nach einem Notverkauf von Assets; in der Liste der meistgehandelten Anleihen der Woche belegt KTG mit ihren drei Mittelstandsanleihen die Plätze eins bis drei. Nur, dass das kein Ruhmesblatt ist. Bloß raus aus den Papieren, lautet die Devise. Da helfen auch die zuversichtlichen Worte Hofreiters nicht: Wer sich heute KTG-Anleihen zulegt, der kommt auf dem Papier auf hohe zweistellige Renditen. Natürlich immer unter der Prämisse, dass KTG eines Tages wieder flüssig ist. Presseberichten zufolge befindet sich der Agrarbetrieb nun in Verhandlungen mit institutionellen Investoren. Sie sollen bei der Refinanzierung fälliger Anleihen ins Boot geholt werden. Während es die einen nach frischer Liquidität dürstet, lechzen die anderen nach auskömmlicher Rendite. So gesehen könnte KTG Agrar letztlich doch noch mit der Börse eine innige Verbindung eingehen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus.
Mitnehmen, was geht
Dabei hatte sich das einst so zarte und von der FAZ vor neun Jahren so ruppig empfangene Börsenpflänzchen KTG Agrar prächtig entwickelt. Nach der holprigen Startphase legten die Aktien ab 2009 ihren Hang zur Volatilität ab und bescherte den Investoren vergleichsweise ruhige Nächte und attraktive Dividendenrenditen. Vielleicht hat es geholfen, dass reichlich Dünger und tierische Exkremente auf die inzwischen von KTG bewirtschafteten 46.000 Hektar Ackerland in Deutschland und Litauen gekippt wurden, von denen 7.200 Hektar dem Unternehmen gehören. Der Rest wird gepachtet. Der landwirtschaftliche Großbetrieb mit über 230 Millionen Euro Jahresumsatz ist seit 20 Jahren im Geschäft und hat in der jüngeren Vergangenheit geschickt alles mitgenommen, was der Kapitalmarkt so zu bieten hat: Die Tochtergesellschaft KTG Energie wurde zur Wachstumsfinanzierung auf eigene Füße gestellt und ebenfalls an die Börse geschoben.
Daheim in Hamburg ritt man nicht nur auf der Erneuerbare-Energien-Welle mit, sondern in der Hansestadt stillte man auch den Renditehunger der Anleger nach Mittelstandsanleihen, die sich heute mit abnormen Renditen „auszeichnen“. Unlängst gewährte KTG auf seiner Homepage einen Einblick, wie man sich bei der Finanzplanung aufgestellt hat: „Vorausschauende Planung hat für uns auch in puncto Finanzen oberste Priorität. Frühzeitig hat die KTG Agrar ihre diesbezüglichen Strukturen diversifiziert und sich somit ein hohes Maß an Flexibilität gesichert.“ Das klingt nach einem schlechten Scherz, zumal sich die Kreditwürdigkeit der KTG Agrar seit Aufnahme der Anleiheemissionen binnen vier Jahren gemessen an Ratings von Creditreform um vier Stufen verschlechtert hat. Das Rating wurde nun mangels ausreichender Informationen der KTG Agrar auch noch ausgesetzt. Insofern haben wenigstens die Bonitätsprüfer das jüngste Desaster kommen sehen.
Daheim in Hamburg ritt man nicht nur auf der Erneuerbare-Energien-Welle mit, sondern in der Hansestadt stillte man auch den Renditehunger der Anleger nach Mittelstandsanleihen, die sich heute mit abnormen Renditen „auszeichnen“. Unlängst gewährte KTG auf seiner Homepage einen Einblick, wie man sich bei der Finanzplanung aufgestellt hat: „Vorausschauende Planung hat für uns auch in puncto Finanzen oberste Priorität. Frühzeitig hat die KTG Agrar ihre diesbezüglichen Strukturen diversifiziert und sich somit ein hohes Maß an Flexibilität gesichert.“ Das klingt nach einem schlechten Scherz, zumal sich die Kreditwürdigkeit der KTG Agrar seit Aufnahme der Anleiheemissionen binnen vier Jahren gemessen an Ratings von Creditreform um vier Stufen verschlechtert hat. Das Rating wurde nun mangels ausreichender Informationen der KTG Agrar auch noch ausgesetzt. Insofern haben wenigstens die Bonitätsprüfer das jüngste Desaster kommen sehen.
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende.
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portfolio institutionell
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