Strategien
9. Mai 2016
Serbien profitiert vom Brexit-Szenario
Großbritannien bereitet sich auf die Entscheidung über einen möglichen Austritt aus der Europäischen Union vor. Serbien nimmt dabei eine ganz besondere Rolle ein.
Der Countdown läuft. Am 23. Juni stimmen die Briten in einem Volksentscheid über den Verbleib ihres Landes in der Europäischen Union ab. Bis dato haben sich bereits unzählige Auguren zu Wort gemeldet, die im Falle eines Ausscheidens (Brexit) extrem negative Szenarien sowohl für das Königreich als auch die anderen EU-Mitglieder prophezeien.Im Rahmen einer Konferenz für Treasurer gab Edgar Walk, Chefvolkswirt des Bankhauses Metzler, seine Befürchtungen zu Protokoll, wonach ein Austritt sehr wahrscheinlich zur Folge hätte, dass die britische Währung aufgrund des hohen strukturellen Leistungsbilanzdefizits des Landes einbrechen würde.Das würde, so Walk, wahrscheinlich in einer schweren Rezession in Großbritannien münden. Mit Blick auf das enorme Leistungsbilanzdefizit von rund fünf Prozent stehe die Gefahr einer massiven Abwertung des Britischen Pfunds im Raum.
Die Wirtschaft Großbritanniens hält laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 5. Mai schon jetzt quasi den Atem an: Neue Konjunkturdaten zeigten, dass die Unternehmensmanager im großen Stil Investitionen und Neueinstellungen vor dem brisanten Referendum aufschieben. Dem Blatt zufolge ist der Volksentscheid in der Geschichte der europäischen Einigung beispiellos. Analysten warnen, dass ein Brexit die politische Krise der EU drastisch verschärfen könnte. Wählerumfragen wiederum deuten darauf hin, dass die Briten an jenem Donnerstag im Juni tatsächlich der EU den Rücken kehren könnten. Laut FAZ ergaben sechs der jüngsten zehn Befragungen, dass mehr Briten für den Austritt als für den Verbleib in der EU sind. Die Wettquoten britischer Buchmacher deuteten allerdings auf eine klare Mehrheit für den Verbleib in der EU hin.
Unter den unzähligen Analysen, die sich mit dem drohenden Brexit beschäftigen, stößt unter anderem die Studie des Asset Managers Schroders hervor. Volkswirt Azad Zangana hat darin einige der wichtigsten Fakten in elf Thesen zusammengefasst. Aus Investorensicht erscheint dabei der folgende Aspekt enorm wichtig: Die Aussichten für britische Aktien sind laut Schroders bei einem Brexit durchwachsen. „Ein großer Teil der Umsätze im britischen Index für große Kapitalgesellschaften werden mit Ländern außerhalb Großbritanniens und mit den USA erzielt. Bei einer Abwertung des Pfunds würde der Gewinn in Pfund steigen, was diesen Unternehmen zugutekäme. Kleinere und mittlere Gesellschaften hingegen sind stärker in Großbritannien sowie der EU engagiert und könnten sich als Folge unterdurchschnittlich entwickeln“, analysiert Azad Zangana.
Auch die Aussichten für Anleihen sind bei einem Brexit nach Einschätzung von Schroders gemischt. Die Spreads bei Unternehmensanleihen könnten sich weiten, da Anleger einen höheren Aufschlag für die Gefahr von langsamerem Wachstum und höherem Ausfallrisiko verlangen. Bei Staatsanleihen hingegen dürfte die inländische Nachfrage nach einem „sicheren Hafen“ zunehmen.
Ein Hauch von einem Hedge
Doch wie sollte man sich auf den Tag der Entscheidung vorbereiten? Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge gibt es ausgerechnet ein ehemals kommunistisches Land in Europa, bei dem Investoren Zuflucht finden vor einem drohenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union: Serbien. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur haben sich die Bonds des Landes in den vergangenen vier Wochen besser entwickelt als jene von Polen, Ungarn, Kroatien und Rumänien – „während Sorgen zunahmen, dass diese Staaten unter dem Verlust von Milliarden Euro an EU-Finanzmitteln leiden könnten, falls es zum Brexit kommt.“ Hintergrund dafür: „Weil der Antrag Serbiens auf EU-Mitgliedschaft seit sieben Jahren in der Schwebe ist, ist das Land nun besser abgeschirmt als seine Nachbarn.“ Bloomberg beruft sich bei der Einschätzung auf Aussagen von Strategen der Commerzbank und der Raiffeisen Bank International. Die beiden Banken raten zum Kauf serbischer Anleihen.
Laut dem Bericht dürften diese auch von den Plänen der Regierung profitieren, die Wirtschaft umzubauen und alles Nötige für ein besseres Kredit-Rating des Landes zu tun. Selbst wenn die britischen Bürger am 23. Juni für einen Verbleib in der EU stimmen sollten, werden serbische Anleihen nach Meinung der Commerzbank weiter zulegen, zitiert Bloomberg. Schließlich sei die serbische Regierung im vergangenen Monat mit dem Mandat wiedergewählt worden, die Anstrengungen für eine EU-Aufnahme bis zum Jahr 2020 zu verstärken.
Serbien wird dem Bericht zufolge mit einem höheren Spread gehandelt als die meisten vergleichbaren Länder in Mittel- und Osteuropa. Das gebe Investoren mehr Schutz bei einem Papier, das weniger direkt vom Austritt eines EU-Netto-Zahlers betroffen sein würde. Der Aufschlag, den Investoren für serbische Anleihen im Vergleich zu US-Treasuries verlangen, hatte sich im April um drei Basispunkte auf 290 verengt, zeigten Indizes von J.P. Morgan Chase. Der Ungarn-Spread ging demnach um einen Basispunkt auf 209 nach unten, während der Aufschlag von polnischen Papieren bei 122 Basispunkten lag. Die Anleihen der anderen beiden Länder waren vor wenigen Tagen von der Commerzbank auf „Verkaufen“ herabgestuft worden. Und in einer Analyse der Citigroup wurde die polnische Währung als Mitglied jener Gruppe identifiziert, die am stärksten unter dem Verlust von Subventionen leiden würde. Zwar ist auch Raiffeisen gegenüber serbischen Anleihen positiv eingestellt, allerdings sei das Land nicht vollständig immun mit Blick auf die möglichen Auswirkungen eines Brexit, schreibt Bloomberg.
Serbien wird dem Bericht zufolge mit einem höheren Spread gehandelt als die meisten vergleichbaren Länder in Mittel- und Osteuropa. Das gebe Investoren mehr Schutz bei einem Papier, das weniger direkt vom Austritt eines EU-Netto-Zahlers betroffen sein würde. Der Aufschlag, den Investoren für serbische Anleihen im Vergleich zu US-Treasuries verlangen, hatte sich im April um drei Basispunkte auf 290 verengt, zeigten Indizes von J.P. Morgan Chase. Der Ungarn-Spread ging demnach um einen Basispunkt auf 209 nach unten, während der Aufschlag von polnischen Papieren bei 122 Basispunkten lag. Die Anleihen der anderen beiden Länder waren vor wenigen Tagen von der Commerzbank auf „Verkaufen“ herabgestuft worden. Und in einer Analyse der Citigroup wurde die polnische Währung als Mitglied jener Gruppe identifiziert, die am stärksten unter dem Verlust von Subventionen leiden würde. Zwar ist auch Raiffeisen gegenüber serbischen Anleihen positiv eingestellt, allerdings sei das Land nicht vollständig immun mit Blick auf die möglichen Auswirkungen eines Brexit, schreibt Bloomberg.
Die Rating-Agentur Fitch hatte Serbien bereits mit einem positiven Ausblick versehen. Am 17. Juni will sie die Note „B+“ für das Land überprüfen. Zwei Wochen später ist S & P Global Ratings an der Reihe.
portfolio institutionell newsflash 09.05.2016/Tobias Bürger
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