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7. April 2016

Ende des Garantiezeitalters

Auf der Suche nach Alternativen zu teuren Garantien gehen ­Unternehmen ganz unterschiedliche Wege. Neben den vermögensverwaltenden und ETF-basierten Portfolios gibt es eine Reihe von ­Versuchen, die Volatilitäten an den Aktienmärkten zu „glätten“ und so die Anlage für die Kunden sicherer zu machen.

Darf es ein bisschen mehr sein? Bei der Rendite auf Vorsorge­verträge hätten das die Sparer gern. Doch daraus wird nichts. Die ­anhaltende Niedrigzinsphase drückt die Erträge gnadenlos in den ­Keller. Mehr, und nicht nur ein bisschen, wird es dagegen bei den ­Kosten, zumindest wenn es um konventionelle Rentenversicherungen mit garantierten Zinsen, Renten und Rückkaufswerten geht. Ein sechsstelliger Eurobetrag – so viel kann Vorsorgesparern zurzeit durch die Garantien in Altersvorsorgeprodukten in Kombination mit dem Niedrigzinsumfeld entgehen. Zu diesem Ergebnis kommt die Frankfurt School of Finance & Management in ihrer Studie „Garantiekosten in der Altersvorsorge – Entwicklung eines Garantiekosten­indexes“. Darin hat Professor Dr. Olaf Stotz die Kosten untersucht, die einem Anleger entstehen, wenn sein langfristiger Sparplan mit einer 100-prozentigen Garantie der eingezahlten Sparbeträge verbunden ist. Eine heute­ 25-jährige Anlegerin, die bis zu ihrem Renteneintritt mit 67 Jahren jeden Monat 50 Euro in einen Sparplan einzahlt, muss mit rund 140.000 Euro für die Kosten einer solchen Garantie rechnen. Dies ist mehr als das Fünffache der eingezahlten Beträge.

Grund für dieses Missverhältnis sind die durch das Niedrigzinsumfeld stark gestiegenen Kosten für die Garantie und die den Anbietern vorgeschriebene Struktur der Verträge. Anbieter müssten diese über Investments in Sicherheitsanlagen, wie Staatsanleihen, abdecken.­ Da diese jedoch derzeit sehr wenig Ertrag bringen, ist der Anteil des vom Sparer eingezahlten Kapitals, das für die Sicherung des Geldes aufgewendet werden muss, sehr hoch. Der Anteil, der für den Kapitalzuwachs – also etwa für Investitionen in Aktien – zur Verfügung steht, ist hingegen sehr gering, so Olaf Stotz. Es besteht kein Zweifel: Das traditionelle Garantiesystem der deutschen Lebensversicherung, das jahrzehntelang ihre Stärke war, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Es begünstigt­ die Vorsorge nicht mehr, sondern vernichtet Vorsorgekapital.­ Alle großen Lebensversicherer haben deshalb angekündigt, keine ­Produkte mit klassischen Garantien­ mehr zu verkaufen, oder haben diesen Schritt bereits vollzogen. „Der Trend zu Produkten mit neuen Garantien­ ist bei der Allianz Lebensversicherungs-AG zum Jahresende­ 2015 ungebrochen. Sie ersetzen im Neugeschäft immer stärker ­konventionelle klassische Produkte“, so der Marktführer anlässlich des Jahresendgeschäfts 2015. Das im Sommer 2013 eingeführte ­Vorsorgekonzept „Perspektive“ entwickle sich zum Standardprodukt, das sicher­heitsorientierte Kunden für ihre­ Altersvorsorge ­bevorzugen. Bis Ende November seien knapp 172.000 Verträge verkauft worden. Für Markus Faulhaber, Vorstandsvorsitzender der Allianz Leben, zeigt die Entwicklung: „Perspektive ist der neue Klassiker. In der Niedrigzinsphase haben sicherheitsorientierte Kunden die Chance auf eine attraktive­ Rendite, ohne dabei auf wesentliche Sicherheiten für ihre Altersvorsorge verzichten zu müssen."

Viele Konzepte, ein Ziel
Auch andere Lebensversicherer sind intensiv auf der Suche nach Alternativen zu den ertragsarmen und teuren Garantie­konstruktionen der Vergangenheit. Die Aufgabe ist nicht einfach, denn die deutschen Vorsorgesparer sind in der Mehrheit risikoscheu und müssen von den Vorteilen neuartiger Garantien überzeugt werden, vor allem wenn damit­ ein höheres Aktienengagement verbunden ist. Werden Fondspolicen abgeschlossen, dann in der Regel mit Produkten, die ein ­hohes Garantieniveau enthalten, was wiederum die Gewinnchancen erheblich dämpft, stellte die Finanz­research ­Wirtschaftsinformationen GmbH in ihrer Studie zum Fondspolicenmarkt fest. Gänzlich ohne Garantien kommt kaum ein Unternehmen aus, Standard Life mit ­seiner Multi-Asset-Fondsfamilie „My Folio“ bildet die Ausnahme.

Die Konzepte sind deshalb durchaus verschieden, und die Unternehmen gehen dabei mehr oder wenig „mutig“ vor. Als einen ­Versuch, die konventionelle Lebensversicherung mit dem Kapitalmarkt ­„kundenschonend“ zu vermählen, kann die Rentenversicherung „Klassik modern“ von Volkswohlbund gelten. Die Versicherten zahlen in eine klassische Rentenversicherung ein, garantiert sind alle Einzahlungen und die erzielten Erträge. Mit den jährlichen ­Überschüssen, die die Versicherten aus dem Sicherungsvermögen der Volkswohlbund-Lebensversicherung erhalten, können sie sich an der Index­entwicklung des Dax oder Euro Stoxx 50 beteiligen. In welchem Verhältnis die Kunden an der Indexentwicklung beteiligt werden, hängt von der Indexquote ab, die jährlich neu festgelegt wird. Entwickelt sich der Index negativ, sollen die Versicherten trotzdem keine Verluste­ machen, das Minus wird am Jahresende einfach ausgebucht.

Als „einzigartig im Markt“ preist die Stuttgarter Lebensversicherung ihren Dreitopf-Hybrid „Performance-Safe“, den sie im ­November mit einer weiteren Anlagestrategie aufgerüstet hat. Zu den bisherigen vorkonfigurierten Anlagestrategien „Balance“, „Chance“ und „Grün“ kam ein neuer Typ auf Basis des Wertsicherungsfonds „DWS Garant 80 ETF Portfolio“. Er ermöglicht die Anlage in Exchange Traded Funds (ETF), die bekanntlich kostengünstig sind, weil sie nicht aktiv gemanagt werden, sondern einen Index abbilden. Beim „DWS Garant 80 ETF Portfolio“ wird indes ein ganzes ETF-Portfolio verwaltet, was die Kosten niedrig halten und Risiken minieren soll. Bei der Deutsche Bank Asset & Wealth Management, die den Garantiefonds managt, hält man ETF-Portfolios für institutionelle Anleger, namentlich für Versicherer, für die ganz große Marktchance. Konsequent umgesetzt hat die ETF-Strategie Ergo mit der „Ergo Rente­ Chance“, die mit vier ETF auf Blue-Chip-Aktienindizes aufwartet: Dax, Euro Stoxx 50, S&P 500 und MSCI World. Auch die „Rente Index Plus“ der LV 1871 setzt auf den Euro Stoxx 50. Aktiv statt passiv geht es bei „Maximo“­ von Swiss Life zu. Dabei handelt es sich um ein Einmalbeitragsprodukt, bei dem das Kapital auf drei Investmenttöpfe aufgeteilt wird. Das ­Konzept kommt ohne Wertsicherung aus. Dank einer aktiven Vermögensverwaltung sollen bei gleichem Risikoprofil höhere Renditen als bei indexbasierten­ Versicherungen und Hybridmodellen erzielt ­werden. Das Management beobachtet das Geschehen auf dem Kapital­markt täglich und greift ein, wenn es erforderlich ist. Diese tägliche Überwachung wird am Markt nur noch durch „Intelliprotect“ von WWK geleistet, üblich sind monatliche Kontrollen.

Um den Anlegern renditeorientierte Vorsorgeprodukte schmackhaft zu machen und ihnen die Sorge vor dem Auf und Ab an den ­Börsen zu nehmen, hat die Alte Leipziger Lebensversicherung etwas „erfunden“, das sich sehr beruhigend anhört: die „intelligente Anlagesteuerung“ (IAS). Diese kontrolliert regelmäßig die Schwankungen der gewählten Fonds. Übersteigen die Schwankungen den festgelegten Grenzwert, veranlasst IAS automatische Umschichtungen von Teilen des Fondsguthabens in einen Sicherungsfonds. Dieses ­Vorgehen „glättet“ den Kursverlauf der Anlage über die gesamte Laufzeit, so die Alte Leipziger. Da der Grenzwert für die Schwankungen bis zum Ende des Vertrages nach und nach reduziert wird, werde die Kapitalanlage Schritt für Schritt bis zum Rentenbeginn für den ­Kunden sicherer,­ ohne dass er selbst Kursentwicklungen beobachten beziehungsweise darauf reagieren muss. IAS ist für Neuabschlüsse der fondsgebundenen „Privatrente AL-Fonds“ verfügbar.

Wie hoch das Garantieniveau ausfallen soll, können Vorsorgesparer bei der Zurich selbst festlegen. Das Unternehmen war das erste in Deutschland, das sich 2007 von konventionellen Deckungsstockver­sicherungen verabschiedete. In der Ende Oktober eingeführten ­fondsgebundenen Rentenversicherung „Vorsorgeinvest“ ist das Garantieniveau frei wählbar. Je nach Risiko-/Sicherheitsprofil des Kunden können die eingezahlten Beiträge komplett oder in Stufen abge­sichert werden. Gewählt werden können Höhen des Kapitalschutzes zwischen 50 und 100 Prozent. Die Kunden haben damit ihre Altersvorsorge selbst in der Hand. Sie können entscheiden, wie viel Risiko sie eingehen möchten. „Das neue Produkt bringt die Marktgegebenheiten und die Kundenwünsche in Einklang“, erklärt Zurich-Vorstand Gerhard Frieg. Mit der fondsgebundenen Rentenversicherung bietet Zurich den Kunden neben der Möglichkeit, die Garantiehöhe selbst zu bestimmen, auch die Chance zu entscheiden, wie die Beiträge in der Ansparphase investiert werden. Die Kunden können wählen, ob sie die Kapitalanlage selbst in die Hand nehmen wollen oder die ­Anlage von Experten im Rahmen von gemanagten Depotmodellen oder vermögensstrukturierten Portfoliomodellen verwaltet wird.

Sparer nicht zu Garantien zwingen
Während die Vorsorgesparer in Schicht drei, also bei den ungeförderten Produkten, immer mehr Optionen haben, um der Garantiefalle­ zu entkommen, ist dies bei der geförderten Vorsorge, wie der Riester-Rente und der Direktversicherung in der betrieblichen Altersversorgung, bisher nicht der Fall. Allenfalls bei der Basisrente ist es ­möglich, alternative Konstruktionen zu wählen. Frank Breiting, Leiter private Altersvorsorge und Versicherungen im Asset Management der ­Deutschen Bank, plädiert dafür, auch bei der Riester-Rente und der Direktversicherung das Garantiekorsett zu lockern: „Bislang wurden Garantien in einigen Vorsorgeprodukten vom Staat als Bestandteil der Fürsorgepflicht für den Sparer angesehen. Die fortdauernde Dürre bei den Zinsen verkehrt das allerdings ins Gegenteil. Sparer werden durch die Garantie in Anlagen gezwungen, die ihren Vorsorgebedarf nicht decken helfen, das Gegenteil ist der Fall – Investitionen in ­Produktivkapital könnten das durchaus. Diese Möglichkeit wird ­Sparern von Staat allerdings versperrt. Hier wäre eine Flexibilisierung der Garantien dringend geboten.“

Von Hans Pfeifer

portfolio institutionell, Ausgabe 03/2016

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