Schwarzer Schwan
11. Dezember 2015

Erst investieren, dann kassieren

Steuersünder müssen wieder zittern, eine neue CD aus der Schweiz ist in NRW eingetroffen. Im Kampf gegen Steuerhinterziehung leistet NRWs Finanzminister auch Amtshilfe für seinen griechischen Kollegen.

Uli Hoeneß, Alice Schwarzer und Boris Becker haben eines gemeinsam. Sie sind Deutschlands prominenteste Steuersünder. Auch Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel ziert die Riege dieser Promiliste. Aufgeflogen ist er durch eine Steuer-CD aus Liechtenstein, die der Bundesnachrichtendienst einst für rund 4,5 Millionen Euro gekauft hatte. Zugegeben: Diese Fälle liegen zum Teil schon recht weit zurück, zuletzt war es eher ruhig um dieses Thema geworden. Doch das könnte sich schon bald ändern. Womöglich zittern bereits einige, bisher unentdeckte Steuersünder. Denn einer der rührigsten Kämpfer gegen Steuerhinterziehung und Käufer von brisanten Steuer-CDs – das Bundesland Nordrhein-Westfalen – hat wieder zugeschlagen.

Laut „Spiegel“ hat das Finanzministerium von Minister Norbert Walter-Borjans vor kurzem seine Steuer-CD-Sammlung um eine neunte Ausgabe ergänzt. Es soll um ein Handelsvolumen von rund 50 Milliarden Euro gehen, bei dem der Staat um die Kapitalertragsteuer  betrogen worden sei. Angeblich hat die CD fünf Millionen Euro gekostet. Das sind Peanuts im Vergleich zu dem, was sich daraus ergeben könnte. In einem Interview mit dem „Blog der Republik“ hatte Walter-Borjans im August dieses Jahres eine Bilanz des Kampfes gegen die Steuerhinterziehung gezogen: „Seit 2010 haben wir im gesamten Bundesgebiet aus Steuernachzahlungen aufgrund von rund 100.000 Selbstanzeigen und den Bußgeldern mehrerer Banken insgesamt über vier Milliarden Euro für die Allgemeinheit hereingeholt.“ Bei diesen Renditen ist dem Finanzministerium NRW nicht nur der Neid von kolumbianischen Drogenkartellen, sondern von allen Hehlern sicher. Aber der Zweck soll ja bekanntlich die Mittel heilen.

Ohne den Ankauf der Steuer-CDs wären solche Einnahmen nicht möglich gewesen. Denn wie der NRW-Finanzminister ebenfalls erklärte: „Vor der ersten CD waren Selbstanzeigen bedeutungslos.“ Dem Volkssport „Steuerhinterziehen“ ist damit aber noch nicht der Garaus gemacht. Walter-Borjans schätzt, dass in Deutschland jedes Jahr rund 30 Milliarden Euro an Steuern hinterzogen werden.

Amtshilfe für Griechenland 

In seinem Kampf gegen Steuersünder geht NRW auch über die Landesgrenzen hinaus. Walter-Borjans hat an seinen Kollegen in Griechenland mehr als 10.000 Datensätze zur Verfolgung von Steuerhinterziehung geliefert. Es sind Informationen über Bankkonten von Griechen in der Schweiz. Auch wenn sich mit dieser Amtshilfe für Hellas nicht die Taschen des deutschen Staates füllen lassen, so doch zumindest die der Griechen. Allerdings nur, wenn die die CD empfangende Behörde nicht erst einmal alle Namen von griechischen Staatsbediensteten löscht. Denn dann dürften nicht mehr viele Steuersünder übrig bleiben. Das Eintreiben von Steuern gehörte jedenfalls in der Vergangenheit nicht zu den großen Tugenden der Griechen.

Ein anschauliches Beispiel ist die Mehrwertsteuer: Von fälligen 100 Euro kamen 2013 beim griechischen Fiskus gerade mal 66 Euro an, wie einem Bericht der EU-Kommission von Anfang September dieses Jahres zu entnehmen ist. Zum Vergleich: Über alle EU-Staaten hinweg wurden im Schnitt 15,2 Prozent der Mehrwertsteuer hinterzogen. Schlechter als die Griechen waren nur die Rumänen (41 Prozent), Litauer (37,7 Prozent) und Slowaken (34,9 Prozent). Allerdings: Rumänien und die Slowakei haben sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert. 2012 waren ihre Mehrwertsteuerlücken bei 42,9 beziehungsweise 38,6 Prozent. Die Griechen haben sich hingegen verschlechtert, und zwar um 0,6 Prozentpunkte.    

„Das ist eine große Chance für unser Gemeinwesen. Wir werden die Daten sorgfältig auswerten – und gegebenenfalls auch zusätzliche Informationen aus der Schweiz anfragen“, gibt Trifon Alexiadis, stellvertretender Finanzminister in Athen, sein großes griechisches Politiker-Ehrenwort. Die Lagarde-Liste – eine ähnliche Sammlung von Daten, die im Oktober 2010 von Christine Lagarde, damals französische Finanzministerin, an ihren Amtskollegen in Griechenland, Giorgos Papakonstantinou, geschickt wurde, verschwand nämlich geräuschlos in Schubladen des Ministeriums. Erst nach zwei Jahren tauchte eine Kopie auf. Wie das Handelsblatt in Erinnerung ruft, fehlten darauf drei Namen: Es handelte sich um Angehörige des damaligen Finanzministers Papakonstantinou.      

In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende und einen schönen, dritten Advent.

Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert