Absolute Return: Die einfachen Jahre sind vorbei
Dr. Peter König wirft in diesem Gastbeitrag einen Blick auf Absolute-Return-Fonds. Die Entwicklung der vergangenen Monate zeigt, dass viele dieser Produkte keinesfalls so risikolos sind, wie dies von ihrer Performance zuvor suggeriert wurde.
Institutionelle Investoren leiten aus ihren Verbindlichkeiten oft absolute Zielrenditen als Anforderung an die Kapitalanlage ab. Diese liegen auch heute noch in einer Größenordnung von drei, manchmal sogar von vier Prozent per annum. Dazu bieten dann Asset Manager eine Reihe von unterschiedlichen Strategien und Produkten an, die sie aufgrund ihrer Track Records der vergangenen Jahre für geeignet halten. Gerade die Entwicklung der vergangenen Monate zeigt, dass viele dieser Produkte keinesfalls so risikolos sind, wie dies von ihrer Performance zuvor suggeriert wurde. Eine große Zahl von Fonds weist inzwischen über ein Jahr eine negative Wertentwicklung auf. Investoren müssen bei der Auswahl hinterfragen, welche Strategien zur Erfüllung ihrer Anlageziele geeignet sind.
Eine eindeutige Kategorisierung von Absolute-Return-Fonds ist in den gängigen Datenbanken nicht leicht zu finden. Dennoch senden die Statistiken derzeit schon deutliche Warnsignale, die im Zusammenhang mit der Marktentwicklung auch plausibel erscheinen. Beispielhaft hier die Ergebnisse der öffentlich verfügbaren Datenbank von finanzen.net (Stand 2. September): Die Kategorie „Absolute-Return-Fonds“ führt nach Bereinigung nach Anteilsscheinklassen 61 Fonds mit einem Mindestalter von fünf Jahren auf. Davon weisen über fünf Jahre 13 Fonds und über drei Jahre 14 Fonds beziehungsweise 21 und 23 Prozent eine negative Wertentwicklung auf.
Für das vergangene Jahr steigt diese Zahl auf 31 Fonds beziehungsweise 50 Prozent an. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich wieder die Frage, welche Absicht ein Investor mit der Erwirtschaftung einer absoluten Zielrendite verfolgt? Je nach Rendite-Risiko-Anforderungen des Investors können ganz unterschiedliche Strategien von Asset Managern passen. Die Bandbreite der Ergebnisse im Querschnitt im oben genannten Universum lagen im Dreijahres-Zeitraum immerhin zwischen minus 21,49 und plus 46,17 Prozent sowie für das vergangene Jahr zwischen minus 10,95 und plus 25,91 Prozent.
Etwas zynisch interpretiert weist jedes Portfolio ex post eine absolute Rendite in Form irgendeiner Prozentzahl auf. Allerdings dürfte kaum ein Investor mit Absolute Return eine dauerhaft stark negative Wertentwicklung verbinden. Während diese Vorstellung im sehr guten Kapitalmarktumfeld der vergangenen Jahre in der Mehrzahl der Fälle wohl auch noch erfüllt wurde, deuten sich für die Zukunft doch große Herausforderungen an. Eine genauere Kategorisierung der einzelnen Investmentkonzepte erscheint deshalb gerade jetzt angebracht.
Ungleiche Geschwister
Zunächst einmal scheint sich eine erste Definition eben genau daraus zu ergeben, dass unter einer absoluten Zielrendite eine positive Rendite verstanden wird, also die Vermeidung von Kapitalverlusten. Dieses Ziel der Erwirtschaftung einer positiven Rendite kann mit Absicherungsstrategien erreicht werden, wie sie schon seit Mitte der 80er Jahre als „Portfolio Insurance“ klassifiziert sind. Klammern wir diese Strategien einmal für den Moment aus, dann bietet sich als Definition von Absolute Return die komplementäre Abgrenzung zu Relative Return an.
Bei sogenannten Relative-Return-Strategien strukturiert ein Investor sein Portfolio als eine Mischung von Marktindizes und vergibt dann ein Mandat an einen Asset Manager zur Erzielung einer Rendite relativ zu einem oder mehreren dieser Marktindizes. Auch hier ist die Erwartung, dass diese relative Rendite positiv sein soll. Wesentlich ist aber, dass die Marktrisiken beim Investor verbleiben. Die Gesamtrendite des Mandats kann also je nach Marktentwicklung auch deutlich negativ werden. Ein Absolute-Return-Mandat wäre dann genau dadurch charakterisiert, dass der Investor mit dem Mandat eben keine Marktrisiken eingehen möchte. Der Auftrag an den Asset Manager ist die Erzielung eines puren, marktunabhängigen Alphas ohne das Eingehen von Beta-Risiken.
Die möglichen Bandbreiten der Ergebnisse von Absolute-Return-Mandaten ergeben sich dann aus der individuellen Risikopositionierung. Höhere Zielrenditen gehen in der Regel mit dem Eingehen höherer Risiken einher. Im Ergebnis können durchaus negative Entwicklungen auftreten, insbesondere wenn die Zielrenditen sehr anspruchsvoll gesetzt wurden. Die Abgrenzung zu den Mandaten mit Markt-Benchmarks besteht aber eben darin, dass die Risiken reine Strategierisiken des Asset Managers sind. Von der Zielsetzung des Investors her betrachtet sind Mandate mit Markt-Benchmarks somit nicht die Geschwister von Absolute-Return-Mandaten, sondern bestenfalls entfernte Verwandte. Der Unterschied besteht im Umgang mit den Marktrisiken und ist somit ganz erheblich. Dies wird in der Praxis besonders dann deutlich, wenn nach negativen Marktphasen die Gründe für die Risikopositionierung der Marktmandate in Anlageausschusssitzungen kontrovers diskutiert werden. Ordnet ein Asset Manager seinem Absolute-Return-Mandat eine Markt-Benchmark zu – und sei es nur intern –, so ist Vorsicht geboten. In „guten Zeiten“ fällt dies leider nicht so auf.
Bei Absolute-Return-Mandaten können also grundsätzlich positive wie negative Ergebnisse auftreten. Bei Portfolio-Insurance-Strategien wird hingegen explizit Wert darauf gelegt, dass über den Investitionszeitraum keine negativen oder zumindest keine extrem negativen Ergebnisse auftreten. Portfolio-Insurance-Konzepte sind genau durch diese asymmetrische Renditeverteilung gekennzeichnet, und nicht durch die Unabhängigkeit von Marktrisiken. Marktrisiken können in Portfolio-Insurance-Mandaten durchaus die Renditetreiber darstellen. Da aber auch bei Absolute-Return-Mandaten in der Regel dauerhaft negative Ergebnisse vermieden werden sollen, sind Portfolio-Insurance-Konzepte in der Zielsetzung aus Investorensicht schon eher die Geschwister von reinen Absolute-Return-Konzepten. In der Praxis werden des Öfteren Absolute-Return-Mandate auch mit Absicherungen kombiniert, wobei dann gilt, dass die Absicherung das Risikobudget der Strategie einschränkt und die Sicherungsprämie von der absoluten Rendite abzuziehen ist.
Am Kapitalmarkt hat ein Asset Manager oder auch ein Investor selbst drei Möglichkeiten, marktunabhängige Renditen zu erzielen: die Diversifikation quer über mehrere Märkte oder Asset-Klassen, das Timing von Märkten oder Asset-Klassen oder Long-Short-Strategien innerhalb von Asset-Klassen bei expliziter oder impliziter Absicherung des Marktrisikos.
Die drei Strategietypen
Die Diversifikationsstrategie beruht auf der Annahme, dass bestimmte Asset-Klassen eine negative Korrelation zueinander aufweisen, so dass Marktbewegungen sich zumindest teilweise ausgleichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Korrelationen nur das Ergebnis bestimmter Zusammenhänge sind, nicht deren Ursache. Gerade in Krisenzeiten kann es passieren, dass viele Investoren gleichzeitig aus Märkten herausgehen und somit die Korrelationen dieser Märkte ansteigen. Dennoch ist und bleibt die Diversifikation über Asset-Klassen – wenn sie ökonomisch gut fundiert ist – eines der Grundprinzipien vernünftigen Investierens. Da diese Korrelationszusammenhänge aber mehr langfristiger Natur sind, bietet sich die breite Diversifikation über Asset-Klassen auf der strategischen Portfolioebene des Investors an, weniger auf der taktischen Ebene des Asset Managers.
Ein Asset Manager wird eher versuchen, über kurzfristiges Markt-Timing eine Überrendite zu erwirtschaften. Ist er durchschnittlich zur Hälfte im Markt investiert und zur Hälfte im sicheren Zins, so beträgt die Marktabhängigkeit oder das Beta seines Portfolios nur noch 0,5. Gelingt es ihm, die Marktentwicklungen einigermaßen richtig einzuschätzen, so verringert sich das Beta weiter gegen null bei gleichzeitig ansteigendem Alpha. Solche Konzepte mit taktischer Allokation kommen vor allem bei sogenannten Balanced-Ansätzen oder Mischfonds zum Einsatz, sei es mit 50-50-Mischungen oder mit anderen Kombinationen von Markt-Benchmarks. Dementsprechend werden oft auch Mischfonds in der Kategorie der Absolute-Return-Mandate angeboten, wobei die Marktrisiken eben durch das Timing reduziert werden sollen.
Ein Investor muss hier die Entscheidung treffen, ob oder wie viel Marktrisiko er in dem Mandat grundsätzlich behalten möchte. Entscheidend für ein erfolgreiches Markt-Timing im Sinne eines reinen Absolute-Return-Mandats ist die weitgehende Separation der Marktrisiken und die Reduktion auf Strategierisiken. Und da müssten die Fähigkeiten eines Asset Managers schon ausgezeichnet sein, um bei reinem Timing auf Basis von Markteinschätzungen die Marktrisiken weitgehend auszuschließen.
Die dritte Möglichkeit zur Erzielung marktunabhängiger Renditen ist das gegensätzliche Eingehen von Positionen mit unterschiedlichen Renditeerwartungen innerhalb einer Asset-Klasse. Es werden Long-Positionen in einem oder mehreren Titeln mit Short-Positionen in anderen Titeln kombiniert und dabei in der Summe das Marktrisiko implizit abgesichert. Ebenso kann man Titel mit überdurchschnittlicher Renditeerwartung relativ zu ihrem Marktgewicht übergewichten, die anderen Titel untergewichten und gleichzeitig das gesamte Portfolio explizit gegen den Markt absichern.
Typisch für diese Investmentkonzepte ist also, dass die Positionen in derselben Asset-Klasse liegen und somit keine Erwartungen über die Marktentwicklung oder über Korrelationen zwischen Märkten vorliegen müssen. In beiden Varianten besteht dabei naturgemäß das Risiko, dass die Renditeeinschätzungen der einzelnen Titel sich als falsch erweisen. Dazu kommt aber auch das Risiko, dass die Einschätzung der Marktabhängigkeit der einzelnen Titel falsch war und das Portfolio dennoch marktabhängig wird.
Bei der Beurteilung der Strategierisiken solcher Mandate sollte also beides analysiert werden: die Fähigkeit des Asset Managers zur Identifizierung von Über- und Unterrenditen, aber auch die Annahmen zur Berechnung der Marktabhängigkeit der einzelnen Titel. Von ihrer Risikoposition her erscheinen diese Konzepte aber am ehesten geeignet, die bei Absolute-Return-Mandaten angestrebte Marktunabhängigkeit darzustellen.
Zielrenditen und risikoloser Zins
Der Mandatstyp mit der expliziten Absicherung der Marktrisiken macht auch deutlich, welches die neutrale Rendite oder die Benchmark für ein Absolute-Return-Mandat ist: Die Rendite eines Portfolios mit komplett abgesichertem Beta und einem Alpha von null ist eben der sichere Zins über den Investitionszeitraum. Genau genommen ist eine Investition in den sicheren Zins die vierte und einzige sichere – also passive – Möglichkeit zur Erwirtschaftung einer marktunabhängigen Rendite. Und wenn dieser Zins sehr niedrig ist, dann ist die neutrale Erwartung an die Rendite eines Absolute-Return-Mandats eben genauso niedrig. Die Differenz zwischen Zielrendite und sicherem Zins definiert die Alpha-Erwartung und das Risiko des Mandats. Hat ein Investor Anforderungen in Höhe von jährlich drei Prozent und liegt der risikolose Zins auch bei drei Prozent, dann ist ein Absolute-Return-Mandat vielleicht sogar die Ideallösung zur Erzielung einer Zusatzrendite ohne das Eingehen von Marktrisiken.
Liegt der risikolose Zins aber bei gleichen Anforderungen bei null Prozent, dann müssen zur Überbrückung dieser Differenz doch erhebliche Risiken eingegangen werden. Der Investor hat nur die Wahl, ob dies Marktrisiken oder Alpha-Risiken eines Asset Managers sein sollen oder eben eine Kombination von beiden. Und ist für diese Risiken kein Budget vorhanden, dann müssen zwangsläufig die Anforderungen und die Zielrenditen verringert werden.
Der niedrige Zins kann aber auch Gutes mit sich bringen: Zunächst einmal schärft er den Blick auf die Definition des Investitionshorizonts und auch auf die neutrale Bonität des „sicheren“ Zinses. Je nachdem kann der sichere Zins die Rendite einer Einlage bei der Zentralbank mit kurzer Laufzeit sein oder eben die einer dreijährigen Unternehmensanleihe mit guter Bonität oder bei entsprechenden Verpflichtungen des Investors die Rendite einer Anleihe des eigenen Unternehmens. Des Weiteren kann die Fokussierung auf die Fähigkeiten von Asset Managern zur Generierung von Alpha ohne Marktrisiken dazu führen, dass es besser gelingt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Marktrisiken können die meisten Investoren direkt oder zumindest passiv eingehen.
Vom einfachen zum anspruchsvollsten Mandat
Bei einem Zinsniveau von null kann man sogar erwarten, dass künftig eher 50 Prozent der Asset Manager von Absolute-Return-Mandaten eine negative Wertentwicklung aufweisen werden. Aber auch bei den verschwisterten Portfolio-Insurance-Mandaten wird eine positive Rendite nur unter Eingehen von Risiken zu erzielen sein. Die besseren Ergebnisse der Vergangenheit sind zum einen dem höheren Niveau des risikolosen Zinses geschuldet, zum anderen der positiven Marktentwicklung bei marktabhängigen Mandaten. Künftig dürften sich Absolute-Return-Mandate als die anspruchsvollsten Mandatstypen erweisen, wenn die Marktgegebenheiten den Blick klar und eindeutig auf die Fähigkeiten zum Erzielen von Alpha lenken.
portfolio institutionell, Ausgabe 09/2015
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