Immobilien
16. September 2015

Zeit für Aufräumarbeiten

Entgegen ihrer ursprünglichen Strategie nehmen immer mehr europäische Immobilieninvestoren Gewinne mit und werden zu Nettoverkäufern. Damit soll die Performance abgesichert werden. Die Erwartungen an Immobilienrenditen sind gedämpft.

Europas Immobilieninvestoren zeigen sich angesichts des Preisdrucks auf den europäischen Investmentmärkten ernüchtert. Nicht einmal jeder zweite professionelle Immobilieninvestor in den drei großen europäischen Volkswirtschaften glaubt, die für die nächsten drei Jahre gesteckten Renditeziele erreichen zu können. Auch auf Fünfjahressicht sind die Erwartungen gedämpft. Das zeigt die neue Investitionsklimastudie von Union Investment, für die zwischen Juni und August 165 Immobilienunternehmen und institutionelle Immobilienanleger aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich befragt wurden. Mit 81 Studienteilnehmern waren die deutschen Immobilieninvestoren am stärksten vertreten.
Um die Performance ihrer Immobilienanlagen abzusichern, nehmen immer mehr Investoren Gewinne mit. Wie aus der Studie weiter hervorgeht, lautet das oberste Gebot der nächsten zwölf Monate für viele, Marktchancen zu identifizieren und den steigenden Anlagedruck für Objektverkäufe zu nutzen. So wollen 72 Prozent der deutschen Investoren, ihre Investmentteams verstärkt auf die Mitnahme von Gewinnen und das Ziel der Portfoliobereinigung einstellen. In Großbritannien sind es 84 Prozent, in Frankreich 52 Prozent. „Entgegen ihrer ursprünglichen Strategie realisieren eine ganze Reihe von Marktteilnehmern Gewinne, und werden ungewohnterweise zu Nettoverkäufern. Die Wiederanlage der Verkaufserlöse in einem von hohem Nachfragedruck geprägten Umfeld bleibt dann die zentrale Herausforderung“, erklärt in diesem Zusammenhang Olaf Janßen, Leiter Immobilien-Research bei der Union Investment Real Estate.
Bei den Aufräumarbeiten in ihren Immobilienportfolios richten die europäischen Anleger ihren Blick auf anlagesuchendes Kapital aus Asien und Amerika. Denn insbesondere über Portfoliodeals versuchen laut Union Investment derzeit viele internationale Kapitalsammelstellen, den Markteintritt in die lukrativen europäischen Immobilienmärkte zu realisieren oder ihre bestehenden Engagements – unterstützt durch den starken Dollar – schnell auszuweiten. „Die weiterhin stabilen Konjunkturaussichten im Zusammenspiel mit dem vorteilhaften Wechselkurs machen Europa zu einem überaus lohnenden Ziel für internationales Kapital. Das wird weitere großvolumige Verkäufe aus europäischen Bestandsportfolios heraus befeuern“, so Janßen. Allerdings: Den Zuschlag bei den jüngsten Portfoliotransaktionen in Europa haben überwiegend europäische Investoren erhalten. Janßen begründet dies wie folgt: „Neben der Perspektive, einen attraktiven Verkaufsgewinn einzustreichen, spielt die Transaktionssicherheit und die Strukturiertheit des Verkaufsprozesses eine herausgehobene Rolle. Hier können europäische Käufergruppen gegenüber Investoren aus Amerika oder Fernost einen Heimvorteil nutzen.“
Die Forcierung der Verkaufsaktivitäten ist nicht die einzige Strategie, die die Immobilieninvestoren aus den drei großen Volkswirtschaften Europas verfolgen. Auch die Anlagestrategien werden mehrheitlich neujustiert, um die Belastung aus sinkenden Ankaufsrenditen zu kompensieren. Auf der Risikokurve bewegen sich die Profianleger in allen drei Märkten  Schritt für Schritt nach oben. Die Union-Studie stellt eine stärkere Gewichtung von Investitionen außerhalb des Core-Bereiches fest. So beabsichtigen 48 Prozent der in Deutschland befragten Profianleger in den nächsten zwölf Monaten Neuinvestments verstärkt außerhalb des Core-Segments zu tätigen. In Großbritannien wollen 51 Prozent diese strategische Neujustierung vollziehen; in Frankreich liegt der Anteil sogar bei 58 Prozent.
Investitionsklima hellt sich wieder auf
Die Bereitschaft zu mehr Risiko erklärt Union Investment unter anderem mit einer deutlich positiveren Wahrnehmung der Rahmenbedingungen für Immobilieninvestments in den Heimatmärkten.  Zudem stufen die Investoren ihre eigene wirtschaftliche Lage gegenüber dem vergangenen Jahr mehrheitlich (65 Prozent) als verbessert ein. Als verschlechtert schätzen gerade einmal zwei Prozent der Befragten ihre Lage ein. Und so verzeichnet das Klima für Immobilieninvestments in allen drei Märkten gegenüber der Umfrage vom Dezember 2014 einen leichten Aufwärtstrend. Ausschlaggebend hierfür sei überall der starke Anstieg des Erwartungsindikators (siehe Grafik). Dieser Teilindikator legte in Frankreich um zehn Punkte zu. Den größten Optimismus zeigen unverändert die britischen Investoren. Der in Großbritannien ermittelte Investitionsklimaindex kletterte um 1,2 Punkte und erreicht mit 71,5 Punkten den höchsten der in den drei europäischen Ländern gemessenen Werte. In Deutschland legte der nationale Index um 1,2 Punkte zu und liegt nun bei 69,3 Punkten.
„Insgesamt weist vieles darauf hin, dass der erwartete Shift zu risikoreicheren Investments vollzogen wurde und weiter an Breite gewinnen wird“, ist Janßen überzeugt. Gegenüber der Umfrage vom Dezember 2014 lasse sich in allen drei Befragungsregionen eine deutlich gestiegene Renditeorientierung beobachten. Insbesondere die französischen Investoren haben ihre seit vielen Jahren dominante Sicherheitsorientierung abgelegt; für 52 Prozent der Befragten ist Rendite jetzt das zentrale Motiv bei Anlageentscheidungen. Weit dahinter liegen die Aspekte Sicherheit und Liquidität. Bei deutschen Investoren halten sich Rendite- und Sicherheitsorientierung mit jeweils rund 40 Prozent die Waage. In Großbritannien dominiert der Renditeaspekt am deutlichsten. Für 76 Prozent der Investoren ist Rendite jetzt der Dreh- und Angelpunkt bei Anlageentscheidungen.
portfolio institutionell newsflash 16.09.2015/Kerstin Bendix
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