1. September 2015

Besteuerung von Publikumsfonds: neue Spielregeln ab 2018

Die Bundesregierung plant die Umgestaltung des Investmentsteuerrechts und die Einführung eines intransparenten Steuersystems durch das Investmentsteuer-Reformgesetz. Davon negativ betroffen sind insbesondere institutionelle Publikumsfondsinvestoren. Gastbeitrag von Paul Wessling.

Das Investmentsteuergesetz unterscheidet künftig gemäß den Plänen der Bundesregierung zwischen den folgenden Besteuerungs­systemen:
–    einem einfachen, „leicht administrierbaren“ und gestaltungs­sicheren „intransparenten“ Besteuerungssystem für Investmentfonds, das wie bei anderen Körperschaften auf der getrennten ­Besteuerung von Investmentfonds einerseits und Anleger andererseits ­basiert. Dieses System wird im Folgenden vorgestellt. Die Steuer­erhebung gegenüber den Anlegern erfolgt wie bisher im Wege des Kapitalertrag-Steuerabzugs. Diesem System unterfallen mit Aus­nahme von Personengesellschaften oder Verbriefungs­gesellschaften zunächst alle Anlagevehikel, unabhängig von ihrer rechtlichen Ausgestaltung oder ihrem Anlegerkreis.
–    Für Spezialfonds wird das semi-transparente Besteuerungs­verfahren fortgeführt. Da aber bestimmte außerordent­liche Erträge­ steuerfrei thesauriert werden können, kommt es auch hier zu ­Änderungen der Besteuerungsgrundlagen und zu Einschränkungen bei der Steuer­gestaltung und der Ertragssteuerung.
–    Das mit dem AIFM-Steueranpassungsgesetz eingeführte Besteuer­ungsregime für Investitionsgesellschaften (Paragrafen 18 und 19 ­InvStG) wird integriert. Damit entfällt die steuer­liche ­Abgrenzung zwischen Investmentfonds und Investitions­gesellschaft. Die Herausnahme der geschlossenen Investment-KG ­(Paragraf 18) und vergleichbare, beispielsweise Luxemburger, Gesellschaften aus dem Anwendungsbereich und die allgemeine steuerliche Behandlung als Personengesellschaft schaffen Klarheit.
     
Der Besteuerung unterliegen künftig alle durch das KAGB geregelten Anlageformen auf Basis des für Körperschaften geltenden Trennungsprinzips zwischen der Besteuerung der Gesellschaft und dem Anleger als künftiger Grundfall der Investmentbesteuerung. ­Damit erfolgt die Einführung einer Körperschaftsteuerpflicht auf Fonds- oder ­Vehikelebene.

Was steuerfrei bleibt
Körperschaftsteuerpflichtige Erträge ergeben sich nach Paragraf 6 ­Absatz 2 Nummer 1 Artikel 1 Investmentsteuer-Reformgesetz (Inv­StRefG), im Sinne der Paragrafen 20 Absatz 1 Nummer 1 und 2 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2a und Nummer 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz, und nach Paragraf 6 Absatz 2 ­Nummer 3 Artikel 1 InvStRefG. Steuerfrei vereinnahmen können ­Investmentfonds somit weiterhin Zinsen aus Renten und Cash­positionen, Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren (nicht aber Beteiligungen nach Paragraf 17 Einkommensteuergesetz), Gewinne aus Termin­geschäften, ausländische Dividenden und ausländische Immobilien­erträge.

Ebenfalls wird die Regelung von steuerpflichtigen Dividenden bei Streubesitz durch Nichtanwendung des Paragrafen 8b Körperschaftsteuergesetz über Paragraf 6 Absatz 2 Satz 5 Artikel 1 InvStRefG auf Investmentfonds übertragen und anderen Anlegern mit Streubesitz-Beteiligungen dadurch gleichgestellt beziehungsweise über Artikel 3 InvStRefG grundsätzlich im Körperschaftsteuerrecht (Paragraf 8b ­Absatz 4) neu geregelt. Dies betrifft insbesondere die Rückwirkung, den Beteiligungserwerb und die Anteilshöhe.

Körperschaftsteuerpflichtige Ausschüttungen eines Zielfonds ­innerhalb eines anderen Fonds werden nach Paragraf 7 Artikel 1 ­InvStRefG mit 15 Prozent Kapitalertragsteuer belastet. Damit ist dann die Körperschaftsteuer abgegolten, wenn dem entrichtungspflichtigen­ Fonds eine entsprechende Statusbescheinigung des investierten Fonds durch dessen Finanzbehörde vorgelegt wird. Bei ausländischen Investmentfonds wird insoweit nach den allgemeinen steuerlichen Regelungen keine Kapitalertragsteuer, auch nicht bei Ausschüttung übriger Kapitalerträge inländischer Investmentfonds, erhoben.

Von den Auswirkungen der neuen Körperschaftsteuer verschont ­bleiben nach Paragraf 8 Artikel 1 InvStRefG inländische steuer­begünstigte Anleger und vergleichbare ausländische Anleger im Sinne­ von Paragraf 44a Absatz 7 Einkommensteuergesetz, wenn diese­ ­Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen nach ihrer Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und ­unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke nach den Paragrafen 51 bis 53 Abgabenordnung verfolgen. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung mit Ausnahme selbstbewirtschafteter Forstbetriebe insoweit ausgeschlossen. Dieser spezielle Anlegerstatus ist durch eine entsprechende ­Bescheinigung gegenüber dem Fonds durch die Verwahrstelle des Anlegers nachzuweisen und laufend durch Transaktionsmitteilungen anzupassen. Ebenfalls befreit sind Fondsprodukte im Rahmen der (zertifizierten) fondsgebundenen Riester- oder Rürup-Rente.

Dieser Nachweis zur Steuerbefreiung gegenüber dem Fonds ­erfolgt durch den Produktanbieter sowie nur einmalig, erstmalig beim Anteils­erwerb des Anlegers, falls die Anlagebedingungen des Fonds nur den Erwerb durch steuerbegünstigte Anleger vorsehen. Unberechtigt einbehaltene Kapitalertragsteuer auf der Fondseingangsseite kann durch Antrag des Fonds auf Rückerstattung innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr ab Geschäftsjahresende geltend ­gemacht werden, ­wobei die entsprechenden Statusnachweise vorzu­legen sind.

Die Fondserträge aus Publikums- und Spezialfonds werden den ­Kapitalerträgen nach dem neuen Paragraf 20 Absatz 1 Nummer 3 und 3a Einkommensteuergesetz zugeordnet (Artikel 2 InvStRefG) und umfassen nach Paragraf 14 Artikel 1 InvStRefG Ausschüttungen des Investmentfonds, Vorabpauschalen (bei Thesaurierung oder geringer Ausschüttung) und Gewinne aus der Veräußerung von Investment­anteilen. Dieser Paragraf 14 regelt die Besteuerung von Anlegern ­eines Investmentfonds. Demnach versteuert der steuerpflichtige Anleger grundsätzlich nur die tatsächlichen, oben genannten Zuflüsse aus dem Investmentfonds. Allerdings wurde von einer reinen Cashflow-Besteuerung abgesehen, um wohl auch weiterhin das bisherige ­Niveau der Steuereinnahmen zu halten.

Neu: die Vorabpauschale
Neu hingegen ist die Vorabpauschale nach Paragraf 15 Artikel 1 ­InvStRefG: Diese gilt zum Jahresende als zugeflossen, obwohl die ­Erträge nicht zugeflossen sind. Die Anleger von Investmentfonds ­versteuern künftig die Ausschüttungen während der Haltedauer ihrer Anteile. Diese sogenannte „Vorabpauschale“ greift grundsätzlich ­immer dann, wenn im Veranlagungszeitraum die Ausschüttungen des Investmentfonds die Marktverzinsung entsprechend dem Basiszinssatzes nach Paragraf 203 Absatz 2 Bewertungsgesetz nicht (!) ­erreichen. Der Betrag der Vorabpauschale ergibt sich aus der Multi­plikation des Rücknahmepreises am Jahresanfang mit 80 Prozent des Basiszinssatzes (100 Prozent minus 20 Prozent Fondskosten) und wird als „Basisertrag“ bezeichnet, vermindert um die Ausschüttungen des laufenden Jahres.

Für 2015 würden sich folgende Werte ergeben:

Fondswert vom Jahresanfang x 0,99 Prozent x 0,80 =
80 ­Basispunkte des Fondswertes vom Basisertrag

Es kommt nicht zu einem Ansatz einer Vorabpauschale, wenn der Rücknahmepreis eines Fondsanteils während des Jahres nicht gestiegen ist. Wenn Wertverluste des Fondsanteils eintreten oder die ­Ausschüttungen die Wertsteigerung übertreffen, kann aber auch ­keine negative Vorabpauschale angesetzt werden. Die ­Vorabpauschale greift somit nur bei positiver Wertentwicklung des Fonds und wenn der Basisertrag größer der Summe der Ausschüttungen ist. Dabei gilt folgende Bedingung: Wenn der Basisertrag kleiner als die Wertsteigerung des Fondsanteils plus dem Ausschüttungsbetrag ist, dann ­entspricht die Vorabpauschale der Differenz aus Basisertrag und Ausschüttung. Ansonsten entspricht die Vorabpauschale der Wert­steigerung.

Die tatsächlichen Ausschüttungen mindern die Vorabpauschale im Veranlagungszeitraum gegebenenfalls bis auf null. Um eine Überbesteuerung zu vermeiden, werden die während der Besitzzeit angesetzten Vorabpauschalen vom Veräußerungsgewinn der Fondsanteile nach Paragraf 16 Artikel 1 InvStRefG später abgezogen. Eine Vorabpauschale mindert somit den Veräußerungsgewinn. Insgesamt kann es durch Abzug der Vorabpauschalen auch zu einem steuerwirk­samen Verlust kommen. Hierzu ist über die Besitzzeit ein aktiver Ausgleichsposten in der Steuerbilanz oder Merkposten zu bilden, um eine erneute Besteuerung über den Gewinn im Abgangsjahr zu verhindern.
Zum Ausgleich der Körperschaftsteuer auf Fondsebene erfolgen Teilfreistellungen der Fondserträge nach Paragraf 17 Artikel 1 InvStRefG auf der Anlegerseite. Die Erträge aus Investmentfonds, die gemäß ­ihren Anlagebedingungen fortlaufend überwiegend, also zu mindestens 51 Prozent in Aktien oder Immobilien investieren beziehungsweise bei entsprechenden Zielfonds Mindestquoten von 75 Prozent aufweisen, werden je nach Anlageschwerpunkt zu einem bestimmten Prozentsatz steuerfrei gestellt (Bafin-Fondskategorien-Richtlinie vom 22. Juli 2013). Handelt es sich um Mischfonds ohne Aktien- oder ­Immobilienmehrheit, bleibt die Steuerpflicht der Beteiligungs- und Immobilienerträge ohne Teilfreistellungmöglichkeit bestehen. Die Teilfreistellung ist dabei auf alle Erträge aus dem Investmentfonds ­anzuwenden: also neben der Ausschüttung auch bei der Vorab­pauschale oder bei Gewinn aus der Veräußerung, der Rückgabe oder der Abtretung von Investmentanteilen. Die Teilfreistellung wird ­sowohl beim Kapitalertragsteuer-Abzug als auch im Rahmen der Steuer­veranlagung berücksichtigt.

Die jeweiligen Freistellungsanteile nach Paragraf 17 Artikel 1 ­InvStRefG betragen bei Aktienfonds 20 Prozent. Somit sind 80 Prozent des ­Gesamtertrages steuerpflichtig. Bei Immobilienfonds mit inländischen Immobilien betragen diese Werte 40 und 60 Prozent und bei Immobilienfonds mit ausländischen Immobilien 60 und 40 Prozent. Bei Anwendung der „Immo-Freistellung“ ist eine zusätzliche Aktienfreistellung ausgeschlossen. 

Wenn die Anlagebedingungen nicht eindeutig sind, können Vermögens­verzeichnisse oder Bestätigungen des Fondsverwalters vorgelegt werden. In sinngemäßer Anwendung des Paragrafen 3c ­Absatz 2 ­Einkommensteuergesetz (Zollkodex-Anpassungsgesetz) sind die ­betrieblichen Aufwendungen (auch Wertberichtigungen) nach Paragraf­ 17 Absatz 4 Artikel 1 InvStRefG im Umfang der maßgeb­lichen Teilfreistellung (20/40/60) zu kürzen. Für den Steuerabzug gilt daher grundsätzlich der allgemeine ­Kapitalertragsteuertarif von 25 Prozent nach Paragraf 43a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Einkommensteuergesetz. Es sind jedoch auch die Regelungen zur Abstandnahme vom Steuerabzug (Paragraf 44a Einkommensteuergesetz) oder zur Erstattung von ­Kapitalertragsteuer (Paragraf 44b Einkommensteuergesetz) anlegerspezifisch anzuwenden, was sich bei Kapitalertrag­steuer-befreiten Anlegern außerhalb Paragraf 5 Absatz 1 Nummer 9 Kapitalertragsteuer­gesetz nun auch auf alle Erträge auswirkt. Denn Erträge nach Paragraf 43 ­Absatz 1 Satz 1, Einkommensteuergesetz ­(Dividenden/Genüsse) blieben bisher Kapitalertragsteuer-pflichtig, was aber durch den Ein­bezug nach Artikel 2 InvStRefG auch von ­Investmenterträgen in die neue Nummer 5 des Paragrafen 43 Absatz 1 Einkommensteuergesetz und die Anpassung vom Paragrafen 44a ­Absatz 4 zur Kapitalertragsteuer-Abstandnahme aufgehoben wird.

Nach Paragraf 18 Artikel 1 InvStRefG können inländische Investmentfonds auch künftig steuerneutral untereinander verschmolzen ­werden, wobei der übernehmende Investmentfonds in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Investmentfonds eintritt. Grenzüberschreitende Verschmelzungen sind aber nicht möglich. Veränder­ungen der steuerlichen Zuordnung eines Publikums- oder eines Spezialfonds durch Wechsel des jeweiligen Status und der Erwerbsbedingungen oder auch eine eventuell spätere Geltend­machung schon ­ursprünglich bestehender Besteuerungsgrundsätze sind nicht mehr möglich, wenn „steuerliche Ersthandlungen“ als ­Publikums- oder als Spezialfonds erfolgten (Paragraf 19 Artikel 1 ­InvStRefG).

Grundsätzlich soll das InvStRefG ab 2018 in Kraft treten. Auch für unterjährige Fondsjahre gilt dann das Rumpfjahr bis 31.12.2017. Ende 2017 erfolgt ein theoretischer Verkauf und Neukauf als „Neustart“ für das neue Steuerregime, wobei die Erfolge erst bei späterem echten Verkauf der Anteile weiterhin nach altem­ Recht ­besteuert werden. Geändert wird der Bestandsschutz auch für Ver­äußerungsgewinne für vor Einführung der Abgeltungssteuer 2009 ­erworbene Anteile. Die Steuerpflicht greift erst ab 100.000 Euro­ ­Gewinn. Somit genießen die meisten Steuerpflichtigen faktisch weiter einen Bestandsschutz, wobei­ fortgeschriebene ­Abgangsverluste den Freibetrag erhöhen. Abzuwarten bleibt, wie Verbände und betroffene Gruppen auf den Diskussions­entwurf reagieren, was noch änderbar ist oder zu ­Veränderungen der Investments führt. Diese Fragen stellen sich ­hinsichtlich deutscher als auch ausländischer Fonds­investments in Deutschland. Offen ist, ob verstärkt Zertifikate statt Fonds genutzt werden. Eine ursprünglich auch im Ministerium angestrebte Einsparung von Verwaltungskosten durch die steuerliche Neuordnung ist noch nicht ­erkennbar. Auch sind die Regelungen zur Vorabpauschale eventuell angreifbar.

portfolio institutionell, Ausgabe 8/2015

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