Schwarzer Schwan
29. Mai 2015

Ihr Kinderlein, kommet!

Die Kosten der derzeitigen Rentenpolitik in Deutschland steigen bis 2060 in schwindelerregende Höhen. Gegenwirken kann eine höhere Geburtenrate. Wie das geht, zeigt China.

Kaum ein Land trifft die Vergreisung der Gesellschaft so hart wie Deutschland. Das ist die bittere Wahrheit, die sich dem jüngst veröffentlichten Alterungsbericht der EU-Kommission entnehmen lässt, wenn man sich durch die mehr als 400 Seiten des Berichts kämpft. Die Prognose für Deutschland: Die jährlichen öffentlichen Ausgaben für Renten werden von zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2013 auf 12,7 Prozent im Jahr 2060 steigen. Dieser Anstieg um 2,7 Prozentpunkte mag auf den ersten Blick moderat klingen, ist es umgerechnet auf den tatsächlichen Geldbetrag aber nicht. Es geht um einen dreistelligen Milliardenbetrag – fast 540 Milliarden Euro.
Ob diese Berechnungen realistisch sind? Dahinter muss wohl ein Fragezeichen gesetzt werden. Die EU-Kommission räumt selbst ein, dass ihre Berechnungen nicht risikofrei sind. So wird beispielsweise unterstellt, dass wir Deutschen wieder mehr Kinder bekommen, und zwar 1,63 statt den heutigen 1,40. Woher die Altersforscher wissen, dass die Gebärfreude der Deutschen wieder zunehmen wird, verraten sie nicht. Das müssen sich die Deutschen schon selbst einfallen lassen.
Wie effektives Familienentwicklungs-Controlling aussieht, machen die Chinesen vor. Vier Dekaden lang haben schätzungsweise eine halbe Million sogenannter Familienplaner auf Weisung des großen Führers Mao die Ein-Kind-Politik ihrer Regierung durchgesetzt. Das war so erfolgreich – die Geburtenrate ging von 5,8 auf 1,3 zurück –, dass dem Land ab 2030 ein Arbeitskräftemangel von 60 Millionen Menschen droht. Zeit für eine Kehrtwende dachten sich wohl die chinesischen Machthaber, äh Pardon, Volksvertreter, und starteten in der Provinz Shaanxi ein Pilotprojekt, wie die FAZ jüngst berichtete. Der dortige Familienplaner Zhang Haining vertritt dort nun eine neue Lehre: Er soll für viele neue und schlauere Kinder sorgen – zwar nicht persönlich, aber indirekt über eine Art Zeugungs-Erlass. Hat eine Mutter aus seiner Provinz dem Land ein Kind geschenkt, das sich im Intelligenztest von Herrn Zhang – eine Zweijährige soll Becher stapeln; je höher, desto intelligenter – bewährt, bekommt die gebärfähige Genossin eine zweite Reproduktionserlaubnis. Diese Vorzeigemutter kommt also wie ein erfolgreiches Rennpferd oder eine hochdekorierte Pudeldame für die Zucht infrage und darf das Humankapital des Landes erhöhen! Wie es um eine Mutter bestellt ist, deren Kind leider keine überdurchschnittliche Intelligenz vom Sozialingenieur Herrn Zhang bescheinigt wird, berichtet die FAZ nicht. Es steht allerdings zu vermuten, dass sie im Menschenlabor Chinas nicht für die weitere Kinderproduktion vorgesehen ist.  
Doch was ist eigentlich, wenn das Volk einen eigenen Plan hat? Auch in Shanghai planen die Behörden einen Babyboom. Doch mitmachen will dabei niemand. Laut FAZ-Bericht wollen lediglich fünf Prozent der Shanghaier Eltern eine zweite Geburtserlaubnis beantragen. Hier hat die jahrzehntelange Propaganda-Maschinerie „Nur ein Kind zu haben, ist das Beste!“ oder „Weniger Babys, mehr Ferkel“ offenbar (zu) gute Arbeit geleistet. Nun müssen erst einmal Geburtenplaner und Volk mühsam umgeschult werden. Die Zeiten sind im Reich der Mitte aber auch verwirrend: Plötzlich soll Korruption schlecht, Umweltschutz gut und nun die Ein-Kind-Politik falsch sein. Konkret für das Heer der Geburtenplaner heißt das, dass es bei der Planerfüllung nun nicht mehr um die Millionenzahl an erfolgreich implementierten Spiralen geht, sondern dass eine steigende Zahl an Zweitkindern aus der Provinz nach Peking reportet werden soll.  
Wie wäre es zur Umschulung und der Erhöhung der Fertilitätsrate einmal mit Belohnungen statt Bestrafungen? Beispielsweise könnte man im materiell geprägten China ein Elterngeld einführen. Vielleicht ist ein solches Belohnungssystem in China erfolgreicher als in Deutschland? Hierzulande hat das Elterngeld die Gebärfreude noch nicht so richtig angeheizt. Familienministerin Manuela Schwesig räumte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Ende 2014 ein: „Aber Sie können nicht die Geburtenrate mit einem einzigen Instrument steigern. Das war ein falsches Versprechen der damaligen Ministerin, die dieses Elterngeld eingeführt hat. Mir geht es darum, die Paare, die sich für Kinder entscheiden wollen oder schon entschieden haben, besser zu unterstützen. Und da geht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zurzeit ist es so, ich muss voll aus dem Job aussteigen, um das Elterngeld zu bekommen.“ Für werdende Väter, wie die portfolio-Redaktion aus erster Hand zu berichten weiß, hat der Bezug von Elterngeld dennoch einen gewissen Charme. Mehr Zeit mit den Kleinen zu verbringen – solange sie noch süß und lieb sind – und dafür auch noch Geld zu bekommen, das hat schon etwas. 
In diesem Sinne wünscht Ihnen die Redaktion von portfolio ein schönes Wochenende. 
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