Traditionelle Anlagen
29. April 2015

Scope schreibt den Markt für Mittelstandsanleihen nicht ab

Der Markt für Mittelstandsanleihen ist durch Pleiten, Betrugsvorwürfe und temporäre Zahlungsausfälle in Verruf geraten. Die Rating-Agentur Scope ist für die weitere Entwicklung des Segments aber nicht allzu pessimistisch.

Was zeichnet mittelständische Unternehmer aus? Es sind die Tugenden des ordentlichen Kaufmanns, der sparsam wirtschaftet und die Bodenhaftung nicht verliert, aber auch Innovationsfreude sowie langfristiges Denken und Handeln. Im Gegensatz dazu lässt sich das 2010 ins Leben gerufene Handelssegment der für ihre hohen Kupon-Versprechen bekannten „Mittelstandsanleihen“ mehr oder weniger pauschal mit einem Wort definieren: Pleiten!
Nach Berechnungen der Rating-Agentur Scope gab es in dem Segment kleiner und mittelgroßer Anleiheemittenten bereits 26 Ausfälle sowie vier „selective defaults“. Das bedeutet, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, einer oder mehreren seiner Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, ansonsten aber die Schuldentilgung aufrechterhält. Insgesamt betroffen sind nicht weniger als 34 Anleihen im Gesamtvolumen von etwa einer Milliarde Euro. Die Ausfallquote in dem Segment liegt bei 17 Prozent. Und ein Ende der Vertrauen zerstörenden Serie scheint für den Moment nicht absehbar. Denn laut Scope deuten die ausstehenden Finanzierungsrisiken auf weitere Pleiten in dem Rentensegment hin. 
Scope hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder kritisch mit Mittelstandsanleihen und deren Emittenten beschäftigt. Vor dem Hintergrund der dabei gesammelten Erfahrungen haben die Berliner nun in einer Studie die Gründe analysiert. Die Informationen sollen letztlich dazu dienen, die Zahl der Pleiten zu reduzieren. Dabei hat Scope nicht nur den hiesigen Markt im Blick. Vielmehr könne der Leitfaden auch für andere europäische Akteure nützlich sein und dabei helfen, transparente und vertrauenswürdige Rentenmärkte zu etablieren. 
Denkwürdige Gründe 
Scope Ratings hat vielschichtige Gründen identifiziert, die zu der hohen Zahl von Zahlungsausfällen im deutschen Markt für Mittelstandsanleihen geführt haben. Dazu zählen die strukturellen Probleme in Industriesektoren, die häufig am Rentenmarkt in Erscheinung treten. Namentlich wird der Bereich der Erneuerbaren Energien genannt. Weiterhin mangele es in dem Rentensegment an strikten Kreditklauseln. Derartige Financial Covenants, wie sie aus der Kreditwirtschaft bekannt sind, erlauben es den Geldgebern, das Schuldnerunternehmen im Zweifelsfall zu beeinflussen und somit ihr Ausfallrisiko zu reduzieren. Darüber hinaus sind in dem Segment Probleme hausgemachter Art entstanden, weil die Emittenten etwa die Emissionserlöse mitunter zur Finanzierung übermäßig riskanter Investments verwendet hätten. 
Nach Angaben von Scope haben viele Marktteilnehmer aus diesen Erfahrungen Schlüsse gezogen. So würden beispielsweise Schuldnerberater neue Emissionen vorab genauer prüfen. Das habe zu einer Reihe von Stornierungen von Emissionen geführt. Die Emittentenseite bemüht sich indessen verstärkt um den Schutz der Gläubiger. Das geschieht etwa anhand der Bereitstellung von Sicherheiten bis hin zu strengeren Kreditklauseln. Die Börsenplätze wiederum hätten ihre Transparenzanforderungen für ein Listing erhöht. Die Rating-Agenturen hätten ihre Analysesysteme verfeinert und auf die Analyse der künftigen Cash-Generierung beziehungsweise der Liquidität ausgerichtet. 
Investoren sind indessen dazu übergegangen, ihre Anlagen gründlicher zu hinterfragen. In dem Zusammenhang messen sie der tiefgründigen Kreditanalyse auf internationalem Level einen höheren Stellenwert bei. Und die Emittenten suchen zusätzlich nach alternativen Refinanzierungsmöglichkeiten. Beispielhaft nennt Scope die Privatplatzierung oder die Emission von Hybridanleihen. 
Vor dem Hintergrund der verstärkten Anstrengungen aller Akteure ist es nicht überraschend, dass die Zahl der Emissionen im vergangenen Jahr und auch im laufenden Turnus eingebrochen ist. Der Markt wird nach Einschätzung von Scope diese „Geburtswehen“ aber bewältigen. Doch es dürfte noch einige Zeit ins Land gehen, bis die Investoren wieder Vertrauen fassen. Scope jedenfalls ist der Ansicht, dass der Markt seine Bedeutung letztlich wiedergewinnen und Investoren im Bereich dieser hochverzinslichen Anleihen einen höheren Schutz bieten wird. Vorausgesetzt allerdings, die oben genannten Erkenntnisse werden konsequent umgesetzt. 
portfolio institutionell newsflash 29.04.2015/Tobias Bürger
Autoren:

In Verbindung stehende Artikel:

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert