Kollektive Enteignung
Über die Kürzung der Bewertungsreserven hinaus sollen die Lebensversicherungskunden an der Stabilisierung der Versicherer beteiligt werden. Die Einführung einer kollektiven Rückstellung für Beitragsrückerstattung findet die Branche gut, Verbraucherschützer finden das nicht.
Man stelle sich vor, alle Bankkunden müssten von den Zinsen ihrer Festgeldkonten einen Teil abgeben, damit die Bank ihr Eigenkapital aufbessern kann. Unmöglich? Bei Versicherungen offenbar nicht. Denn nicht anders funktioniert die kollektive Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB), deren Einführung das Bundesfinanzministerium plant.
Die Versicherungsbranche ist begeistert. „Die Versicherungswirtschaft begrüßt nachdrücklich, dass die vor über einem Jahr geschaffene gesetzliche Grundlage für einen kollektiven Teil der RfB nun über eine konkretisierende Verordnung mit Leben gefüllt wird“, heißt es in einer Stellungsnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Damit werde eine Regelungslücke geschlossen, wie Ausgleichsmechanismen zwischen Teilbeständen methodisch umzusetzen sind. Durch die geschaffene Rechtssicherheit werde die Gefahr der Auflösung von Risikopuffern vermieden, die deutsche Lebensversicherung werde zukunftsfest für die Einführung von Solvency II gemacht. Folglich haben die deutschen Versicherer auch nur geringfügige Änderungswünsche an der neuen Verordnung.
Ganz anders die Reaktion von Verbraucherschützern. „Durch die kollektive RfB wird also eine Rückstellung etabliert, die aus Mitteln gespeist wird, die eigentlich ausschließlich für Überschussleistungen herangezogen werden sollen, tatsächlich aber im Normalfall niemals für Überschussleistungen verwendet werden“, kritisierte der Bund der Versicherten (BdV) in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums.
Der BdV warnt in diesem Zusammenhang vor einem erneuten Angriff auf die Gelder der Versicherungskunden. Nutznießer seien die Unternehmen und Aktionäre. Dabei gehe es nach ersten Schätzungen um knapp 30 Milliarden Euro, nach Einführung der neuen europaweiten Aufsichtsregeln ab 2016 um vermutlich erheblich höhere Summen. „Dieser neue Reservetopf schmälert zusätzlich die Renditen für alle Lebensversicherungen, Riester- und Rürup-Renten“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV.
Mit der Einführung eines neuen Reservetopfes, der sogenannten „kollektiven RfB“ würden zukünftig die Versicherungsunternehmen den Sicherungsbedarf ihrer Unternehmen zu 80 Prozent vollständig aus Kundengeldern ausfinanzieren dürfen. Dabei sei vorgesehen, dass diese Gelder dem regulären System der Überschussbeteiligung entzogen werden. Die Verordnung sehe vor, dass Gelder, die einmal in der Reserve weggeparkt sind, nicht mehr für Überschussleistungen zur Verfügung stehen. „Das richtige Ansinnen, diese Rückstellungen neu zu ordnen, wird vom Finanzministerium konterkariert“, empört sich Kleinlein „Diese Verordnung ist ein weiteres Geschenk an die Versicherungswirtschaft“.
Damit spielt Kleinlein auf das Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungs-Reformgesetz – LVRG), das am 4. Juli vom Bundestag in letzter Lesung beraten werden und noch vor der Sommerpause in Kraft treten soll. Es sieht als einen der Kernpunkte vor, dass die Ausschüttung der Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere an ablaufende Verträge gekürzt wird.
(Bildquelle: BdV)
portfolio institutionell newsflash 07.07.2014/Hans Pfeifer
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