Nach der Zinssenkung ist vor der Zinserhöhung
Trotz der erneuten Zinssenkung auf ein Allzeit-Rekordtief mehren sich die Anzeichen für eine Zinswende, glauben die deutschen Lebensversicherer. Grund zur Vorfreude ist das allerdings nicht.
„Unnötig, unbegründet, unberechtigt, unpassend, unverantwortlich und ungerecht“ – so Dr. Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zur erneuten Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank am 5. Juni. „Ungerecht“ vor allem, weil die Vorsorgesparer die Zeche bezahlen. Erdland bezifferte den Unterschied zwischen vier Prozent und zwei Prozent Verzinsung auf einen Rentenversicherungsvertrag auf 30 Prozent. „Die Sparer bringen ein unsinniges Opfer“, so Erdland.
Die Versicherungswirtschaft läuft schon lange gegen die Niedrigzinsen Sturm, allein es erhört sie niemand. Jetzt hat sich die Assekuranz wirtschaftswissenschaftlichen Beistand geholt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln, hat im Auftrag der Versicherungswirtschaft eine Studie verfasst. Thema: „Das aktuelle Niedrigzinsumfeld: Ursachen, Wirkungen und Auswege“. Glaubt man den Kölner Forschern, haben sich die Voraussetzungen für eine Zinswende deutlich verbessert. Die Konjunktur hat sich stabilisiert, ebenso das Bankensystem, die Südländer sind aus dem Gröbsten raus, die Reformen gehen in die richtige Richtung.
Wann die Zinswende kommen könnte, weiß das Kölner Institut auch: „bald“. Konkret hieße dies: im zweiten Halbjahr 2015. Denn die Zinswende müsse sehr schonend und behutsam einsetzen, eher in 0,1-Prozentpunktschritten als in 0,25- oder 0,5-Punktschritten. Denn mit dem billigen Geld sei es nun mal wie mit einer Droge, von der der Patient langsam entwöhnt werden müsse.
Damit werden allerdings auch die Hoffnungen der Vorsorgesparer auf ein baldiges Ende des Aderlasses gedämpft. Denn die Gefahr besteht, dass die Inflation schneller steigt als die Zinsen, womit die Sparer wiederum real enteignet würden. Wann und ob die Lebensversicherer etwaige Zinserhöhungen an die Versicherten weitergeben werden, steht ohnehin in den Sternen. Zumal der Höchstrechnungszins per 1. Januar 2015 erst einmal auf 1,25 Prozent sinken soll.
Sorgen machen müssen sich die Lebensversicherer ohnehin kaum. Denn erstens haben sie mit der Rentenversicherung ein Monopol – kein anderes Finanzprodukt ist in der Lage, das Langlebigkeitsrisiko abzudecken – und zweitens hält das Gros der deutschen Lebensversicherer noch lange durch. Auch wenn sich das anhaltende Niedrigzinsumfeld nicht nur negativ auf die Erträge aus Kapitalanlagen, sondern auch auf die Eigenmittelquoten der Versicherer auswirkt, weil tendenziell weniger zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB) zugeführt als entnommen wird, erwartet Fitch Ratings, dass die deutschen Lebensversicherer ihre Garantien bis mindestens 2027 ausschließlich über die Kapitalanlageerträge erfüllen können. Würden auch Risiko- und Kostenergebnisse in die Berechnung einbezogen, seien alle von Fitch untersuchten Versicherer bis mindestens 2032 in der Lage, ihre Garantieverpflichtungen zu erfüllen.
Auch das IW kommt zu dem Schluss: „Kurz- bis mittelfristig besitzen die Versicherer ausreichend Sicherheitspuffer, um die zugesagten Garantien auch in einen andauernden Niedrigzinsumfeld bedienen zu können“. Das beruhigt. Der Dumme ist nur der Sparer, der leider auf absehbare Zeit über keinerlei Sicherheitspuffer verfügt, um seine Vorsorgeziele zu erreichen. GDV-Chef Erdland warnte aber: „Die Empfehlung, jetzt weniger zu sparen, ist vollkommen falsch!“
portfolio institutionell newsflash 11.06.2014/Hans Pfeifer
Autoren: portfolio institutionell In Verbindung stehende Artikel:
Schreiben Sie einen Kommentar